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Samstag der 3.März

Während der Nacht vom 2. auf den 3.März und bei Tagesanbruch strömten, von den lodernden Wachtfeuern herbeigerufen, Massen von Landstürmern in die Stadt. Es waren zum Teil «alte kraftlose Geschöpfe, zum Teil junge, unbärtige Knaben oder Krumme, Lahme und Elende. Selten sah man eine rüstige, stattliche Gestalt» Bewaffnet hatten sie sich mit Sensen, Gabeln, Prügeln, Hellebarden oder Schießgewehren, die fast alle unbrauchbar waren.

Diese Landsturmhaufen halfen die Verwirrung vermehren; denn «nirgends war für Unterkunft oder Unterhalt gesorgt. Die guten Leute standen müde und hungrig auf Plätzen und Straßen der Stadt. Verschiedene unter ihnen waren die ganze Nacht marschiert, ohne Speise zu genießen und wußten noch nicht, wo solche hernehmen. Endlich erbarmte sich ein Teil der Bewohner Berns dieser willigen Streiter, die das Vaterland verteidigen wollten. Man führte sie in die Häuser und erquickte sie mit Suppe, Brot und Käse und labte sie mit Wein. Mancher Hausvater speiste und tränkte an jenem Morgen unentgeltlich, und ohne dazu aufgefordert zu sein, 30 bis 40 Mann.»

Die Landstürmer rannten gruppenweise in den Straßen herum. «Eine Masse sammelte sich vor dem Rathause und fing fürchterlich zu lärmen an: Wir sind verkauft ! wenn sich die Stadt Bern im Ernst wehren will, so soll man uns militärisch einteilen und mit rechten Gewehren und mit Munition versehen !»

Wie in der Stadt, so stand es auch im Felde übel. Der General mußte von Hofwil aus an den Kriegsrat in Bern schreiben: Ich weiß gar nicht, wo die Truppen von Murten hingekommen sind. Auch sind von acht Bataillonen, die ich bei Hofwil habe besammeln wollen, nur zwei angelangt; die übrigen ziehen nach Hause oder wollen nicht marschieren. «Alle Befehle, die ich gestern erteilt habe, sind widersprochen oder nicht ausgeführt worden» jener Scharfschützenleutnant erzählt:

«Alle Wachen liefen von ihren Pösten; die Soldaten rotteten sich zusammen, schimpften, fluchten, schossen ihre Flinten in die Luft, zwangen die Tambouren, Alarm zu schlagen und feuerten die Kanonen ab. Es war eine schreckliche Verwirrung.»

Sonntag der 4.März – die Regierung dankt ab und die Verwirrung wächst

Morgens um 6 Uhr versammelt sich der Rat. Die Franzosen haben immer wieder beteuert, Frankreich führe nicht gegen das bernische Volk Krieg, sondern einzig und allein gegen die Obrigkeit. Deshalb beantragen einige Mitglieder des Rates, abzudanken und eine provisorische Regierung einzusetzen. Schultheiß von Steiger und seine Freunde wehren sich hiegegen, müssen aber schließlich nachgeben. Der Schultheiß ist tief ergriffen vom Unglück des Vaterlandes. Er steigt von seinem Schultheißenthron herunter und schreitet mit Würde der großen Türe zu. Auf der Schwelle wendet er sich zurück und wirft einen Blick über die versammelten Ratsherren. Sie erheben sich wie auf einen Schlag und erwarten ein Abschiedswort. Allein Steiger hat ihnen nichts mehr zu sagen. Er setzt seinen Gang fort. Vor dem Rathause bemerkt er zu einem Kollegen: «Nun ist mein Platz da, wo die feindlichen Bajonette herandringen.»

Er begibt sich nach Hause - in die Kramgasse -, zieht seine Amtstracht aus und läßt seine Ordonnanz, seinen Botengänger, kommen. Dieser, Christian Dubi, Korporal der Stadtwache, berichtet:

«Um halb 11 Uhr erklärte der Schultheiß, daß er ins Grauholz wolle. Ich mußte in die Stadt hinunter und dem Kutscher Befehl bringen, daß er um halb 2 Uhr beim untern Tore bereit sei. Unmittelbar vorher nahm mich Ihr Gnaden bei Seite und eröffnete mir, er sei gesinnet, draußen bei den Truppen zu sterben. Diesen Ausdruck wiederholte er mir mehrmals, auch im Grauholz. Ich solle Sorge und Acht zu ihm haben, daß er ja nicht von den Franzosen gefangen werde. Nach dem Mittagsmahl langten Ihr Gnaden sowie ein Bruder und sein Tochtermann beim untern Tore an und setzten sich in die Kutsche. Der Kammerdiener und ich stiegen hinten auf. So fuhren wir, von zwei Husaren begleitet, dem Grauholze zu.

Unterwegs, rechts vor dem Schermenhölzlein, befand sich ein Bataillon von Frutigen. Das wollte weder vor- noch rückwärts. Viele drangen auf ihren Major ein, schalten ihn einen Landesverräter und Franzosen und wollten ihn ums Leben bringen. Der Major verteidigte sich und sagte: Sehet, ich will wie einer der Geringsten unter euch sein; ich verlange gar nicht, das Kommando zu behalten, sondern will wie ein Soldat in Reih und Glied fechten. Die drei Herren in der Kutsche stiegen aus, begaben sich zu den Wütenden und vermochten sie endlich zu besänftigen.

Gegen 4 Uhr nachmittags kamen wir im Grauholz an.»

In der Stadt hatte die Unordnung inzwischen zugenommen. Schneidermeister Eggimann, welcher der Friedenspartei anhing, erzählt:

«Am Nachmittag öffnete man das Zeughaus, und wer nur wollte, erhielt Waffen. Doch mußte man versprechen, sie wiederzubringen, wenn die Franken besiegt sein würden. Weiber und Greise eilten herbei, um sich zu bewaffnen. Da sah man alte Weiber und Mägde mit Morgensternen und andere mit Säbeln den Franken den Tod schwören. Ich schmeichelte mir, diese würden nun, da die Regierung zurückgetreten war, sogleich die Feindseligkeit einstellen. Aber ich irrte mich sehr. Die Abdankung diente nur dazu, unsere Kraft noch mehr zu lähmen.

Verschiedene höhere Offiziere eilten nämlich in die Hauptstadt, um neue Befehle zu holen. Ihre Truppen betrachteten das als Verlassen der anvertrauten Posten und empörten sich. So wurden Oberst Stettler und Oberst Ryhner, zwei sehr wackere Männer, unweit der Stadt von ihren eigenen Leuten auf eine schändliche Weise ermordet. Diese Nachricht erfüllte die Herzen aller Rechtschaffenen mit Schrecken und Entsetzen. Man wußte nicht mehr, vor wem man sich am meisten zu fürchten habe, ob vor den Franzosen oder vor den rasenden Bauern.»

Ein Weiterer Augenzeuge schrieb:

«Das Vaterland eilt mit furchtbar schnellen Schritten der politischen Auflösung entgegen. Mit jeder Minute vermehrt sich die Verwirrung. Nicht nur will in diesen so entscheidenden Augenblicken niemand mehr gehorchen, es will auch niemand mehr befehlen.»

Der General wußte, wie übel es stand. So erzählt ein Patrizier (Johann Rudolf von Stürler), der Besitzer des Schlosses und der Schloßgüter zu Jegistorf:

«Sonntag, den 4.März, beritt General von Erlach mit seinen höheren Offizieren die neue Linie. Wir waren als Besitzer der Schlösser Hindelbank und Jegistorf Nachbarn und miteinander bekannt und befreundet. Als er mich an meinem Kantonnementsort in Moosseedorf gewahrte, hielt er an und winkte mir. Ich eilte hinzu. Auf seinen Zügen lag ein Hauch von Wehmut, den ich nie vergessen werde. Er sagte mir, indem er sich über sein Pferd bog, halb leise: <Mein lieber Nachbar, es ist alles verloren; die Regierung hat abgedankt ; die Truppe ist revolutioniert; ich werde das Leben verlieren und, was mich weit mehr bekümmert, die Ehre. Adieu, adieu !› Er schied, und wir sahen uns nicht wieder.»

 

Von den Kämpfen im Grauholz und vom Einmarsch der Franzosen in die Stadt Bern

Die Nacht vom 4.auf den 5.März ist empfindlich kühl. Der Mond scheint und die Sterne funkeln. Am Waldrand im Grauholz brennen Feuer. An einem von ihnen sitzt der greise Schultheiß von Steiger zwischen seinem Kammerdiener und Korporal Dubi. Der General und einige Dragoner Offiziere leisten ihm Gesellschaft.

Ungefähr um 4 Uhr morgens hört man im Grauholz aus der Richtung von Solothurn her die französischen Kanonen donnern. Schauenburgs Hauptmacht hat eine Stunde südlich dieser Stadt genächtigt und beginnt jetzt den Vormarsch. Seine Vorhut steht bei Bätterkinden, etwa eine Viertelstunde von der bernischen entfernt. Um 6 Uhr empfangen diese vorgeschobenen Truppen Berns eine starke französische Patrouille mit Kanonenschüssen. Sie stiebt auseinander; allein nun rücken ganze Verbände französischer Soldaten nach. Bald kämpfen auf dem Tafelfeld von Fraubrunnen, das leicht umgangen werden kann, 1500 Berner unerschrocken gegen eine zehnfache Übermacht. Einem Kanonier, der den Wischer führt, reißt eine Kugel die zwei ersten Finger der rechten Hand weg. Er ruft wehmütig: «Herr Jeses, jetz chan i nit meh säye.» Doch faßt er sich, bindet sein Taschentuch um die verstümmelte Hand, greift von neuem nach dem Wischer und tut seinen Dienst, bis der Kommandant den Rückzug befiehlt.

Im Grauholz erdröhnt der Lärm der Geschütze und Gewehre immer lauter und lauter, ein Zeichen, daß sich die Berner zurückziehen. Ungefähr um 9 Uhr wälzt sich von Urtenen her ein ganzer Schwall von Flüchtigen: Fußgänger, Reiter, Landstürmer ohne Habersäcke (Tornister), viele in bloßen Hemdärmeln, inmitten von Munitions -  und andern Fuhrwerken, alles wirr durcheinander.

Jetzt greift ein Teil der Truppen im Grauholz in den Kampf ein. Sie bedienen ihre Kanonen geschickt und kaltblütig. Andere aber verlassen feige und vorzeitig den Platz oder halten, während der Feind mit Kanonen «drein donnert, das Gewehr untätig im Arm, ziehen Gebetbücher oder Branntweinflaschen hervor, um sich Mut zu machen, und erwarten, mit gefalteten Händen, gleich armen Sündern, den Tod.»

Schultheiß von Steiger steht auf einer gefällten Eiche. Er hofft, eine feindliche Kugel treffe - und erlöse - ihn. Er wartet aber umsonst. Rechts und links ist alles geflohen bis auf fünfzehn Mann. Da ermahnt Korporal Dubi den Schultheißen: «Wenn wir uns da nicht fortmachen, werden wir gefangen» Hierauf steigt der Gewarnte mit seinen Begleitern in die Kutsche und fährt stadtwärts.

Die Berner müssen sich ständig weiter zurückziehen. Wie wohl käme es ihnen jetzt, wenn die Mannschaften aus St. Gallen, Glarus, Schwyz und Uri, welche die Nacht in Worb zugebracht haben, zu Hilfe eilten ! Ein bernischer Offizier hat sie am Morgen früh hiezu aufgefordert. Sie haben sich jedoch geweigert und beschlossen, durch das Emmental und das Entlebuch «in ihr liebwertes Vaterland» zurückzukehren.

Auf dem Breitfeld gelingt es dem General, 700 oder 800 flüchtige Soldaten und Landstürmer zu sammeln und noch einmal einigen Widerstand zu leisten. Von Erlach ist außer Fassung. Wie sinnlos reitet er unter den Leuten herum. Bald schlägt er mit dem Degen nach einem, der ihm nicht am rechten Platze zu stehen scheint. Bald reicht er dem gleichen freundlich die Hand.

Nun taucht die französische Artillerie auf. Die ungeordneten bernischen Scharen geraten zwischen zwei Feuer und ergreifen die Flucht. Einzelne Berner kämpfen jedoch auf eigene Faust weiter und antworten mit ihren Batterien dem Donnern der französischen Kanonen. Plötzlich sprengt mitten durch das Gewirr und die sausenden Kugeln ein junger bernischer Offizier daher und überbringt Schauenburg die Kapitulationsurkunde. So wird der verlorenen Stadt ein Bombardement erspart.

Um halb 2 Uhr wehen weiße Fahnen und Tücher von ihren Kirchtürmen und Fenstern herab. Die Franzosen marschieren durch das untere Tor über die Nydeckbrücke. Der Himmel strahlt, und die Frühlingssonne scheint, wie wenn der 5.März ein Tag wie irgend ein anderer wäre.

In der Stadt ist es totenstill. Es ist, als ob sie einen Augenblick den Atem anhielte. Plötzlich aber füllen die siegreichen Franken die leeren Straßen mit Trompetengeschmetter und klingendem Spiel. Der Einzug dauert bei zwei Stunden. Alle Truppen marschieren auf dem Waisenhausplatz auf. Die

Fenster ringsum sind Kopf an Kopf mit Zuschauern besetzt, die das Unerhörte sehen wollen. . .

Im Verlaufe des Nachmittages verwandelt sich die bisher so sauber gehaltene Stadt. Augenzeugen berichten: «In den Arkaden, wo sonst elegant gekleidete Frauenzimmer mit vornehmen Herren lustwandelten, erblickt man nichts als fränkische Gesichter und Kavallerie, die ohne Scheu hier durchtrottet. - Ja, an vielen Orten werden Pferde in die Lauben eingestellt. Bald sind diese voller Kot und Mist. - Auch die Straßen sind so verunreinigt, daß man sie nicht ohne Herzeleid ansehen kann. Kirchen werden zu Ställen oder Magazinen umgeschaffen. Kurz, alles, was man sieht und hört, erinnert uns an unsern Fall.»

Allen aufrechten Bernern fiel der Untergang der Stadt zentnerschwer aufs Herz. So schrieb Karl Ludwig Stettler, der Sohn des ermordeten Obersten Stettler, in seinen Erinnerungen:  
«Als ich die Husaren über die Brücke in die Stadt ziehen sah, stand ich wie vernichtet da. Mit tiefem Schmerz sagte ich mir: So ist es also dahin, das liebe, hohe, so lange gewaltige Bern, der Stolz, das Glück meines Lebens; dahin der mit dem Blute tapferer Väter errungene und sechshundert Jahrelang behauptete Ruhm, während welcher Zeit nie ein Feind in seine Mauern gezogen !»

Der bernische Sieg bei Neuenegg

In der gleichen Nacht vom 4.auf den 5.März 1798, in welcher Schultheiß Steiger mit den Seinen die Feinde im Grauholz erwartete, wurden bernische Truppen bei Neuenegg geschlagen. Sie mußten sich nach Wangen und Oberwangen zurückziehen. Hierauf heulten die Sturmglocken durch das Land. Nach und nach sammelten sich die zersprengten Soldatenhaufen in Wangen. Am Morgen schlossen sich ihnen die Mannschaften an, die in den Dörfern der Umgebung der Stadt, in Muri, Stettlen und Ostermundigen, einquartiert waren. Dann brachen diese Scharen auf, trieben die Franzosen durch den Wald zurück und besiegten sie schließlich bei Neuenegg trotz ihrer dreifachen Übermacht. Über dieses Gefecht berichtet ein Mitkämpfer, Peter Wyß, aus Isenfluh (im Amte Interlaken):

«Als es am 5.März zu tagen begann, hieß es: Wir wollen noch einmal hinter die Franzosen her. Wir Scharfschützen voran, das andere Militär uns nach, zogen wir wieder gegen Neuenegg zu. Auf der Höhe des Waldes angelangt, trafen wir auf die Franzosen gerade in dem Augenblick, als sie ihr Frühstück bereiteten und ganze Speckseiten, Käse, Kübel voll Anken und Schmer in den Kesseln hatten und kochten. Das jagte sie dann schön auf die Beine, als sie uns sahen. Schnell sammelten sie sich zur Gegenwehr und stellten sich in Linie gegen uns auf. Es war da ein ganzer Wald voll von ihnen. Wir hatten hier schwere Arbeit, wir Scharfschützen und das andere Militär, das uns gefolgt war.

Nach und nach trieben wir sie durch den Wald zurück bis ins Freie und Weite. Als wir am Ende des Waldes ankamen, lag unten vor uns ein Tal, das Tal von Neuenegg. Da waren viele Kanonen aufgestellt, die gegen uns heraufschossen. Es galt nun, sie zu erobern. Die Kanonenschüsse taten uns beinahe nichts; denn sie gingen zu hoch. Aber die getroffenen Dolden und Äste, die auf uns herabfielen, plagten uns um so mehr. Schließlich kam es zu einem Sturm gegen die Franzosen und zu einem blutigen Handgemenge. Man drang mit gefälltem Gewehr vor und schlug mit den Gewehrkolben drein.»

Jener Scharfschützenleutnant führt die Schilderung weiter:
«Ein junger Jäger stürzte an meiner Seite, und sogleich blieben vier oder fünf andere zurück, um ihn zu besorgen. .Aufgebracht darüber, daß in diesem entscheidenden Zeitpunkte mehrere das Gefecht verließen, wo einer genügt hätte, rief ich ihnen zu: Vorwärts! in Teufels Namen, vorwärts!

Nein, sagte der alte Imboden von Unterseen, indem er meine Hand ergriff, nein, Herr Leutnant, in Gottes Namen! Wir waren keine zwanzig Schritte von unsern Feinden; ihre Kugeln zischten zu Tausenden um uns. So stand ich betroffen mit offenem Munde, wie ein Knabe vor dem ehrwürdigen Greis. Er kam mir vor wie ein überirdisches Wesen. Wer in einem so fürchterlichen Augenblick eine solche Geistesruhe behält, kämpft gewiß für keine schlechte Sache. »

«Wir waren nun auf dem eigentlichen Schlachtfelde der vorigen Nacht. Haufenweise lagen unsere Freunde bleich, entseelt und fast nackt ausgezogen auf der Walstatt. Es war ein herzbrechender Anblick. Er steigerte die Wut unserer Leute aufs höchste. Wir machten keine Gefangenen. Alles, was wir erreichen konnten, schossen wir nieder und erbeuteten auf dieser Stätte 18 Kanonen.»

Peter Wyß und ein Saaner berichten Weiter:
«Als wir eine Kompanie Verstärkung erhielten und unsere Kanoniere mit Kartätschen schossen, da <bösete› es den Franzosen. Sie gerieten in Unordnung, und viele von ihnen wurden getötet. Es dünkte uns, es sei alles überlegt mit Leichen, Habersäcken, Gewehren und <Rustig› der verschiedensten Art. Endlich wichen und flohen die Feinde. Sie wurden von Zaun zu Zaun fortgetrieben bis unten an das Wasser der Sense. Bald mußte, was von ihnen noch hierseits stand, durch den Fluß hindurchwaten; er war damals nicht so groß. Unsere Leute wollten ihnen nach. Da kam nach 5 Uhr ein Kurier aus Bern mit dem Befehl, wir sollten aufhören, die Franzosen seien bereits in der Stadt. Aber man fuhr zu mit Verfolgen und Schießen. Da kam bald ein zweiter Befehl. Trotzdem wurde immer noch geschossen. Erst als der dritte eintraf, hörten wir endlich auf.

Wir hatten uns den ganzen Tag mit Mut und Ausdauer geschlagen und die Scharte dieser Nacht Wieder ausgewetzt. Und nun sollte Bern über sein! Das konnten wir fast nicht glauben»

«Viele rissen ihre Gewehre von den Schultern und zerschlugen sie aus Zorn und Wut an den Steinen zu Trümmern oder warfen ihre Patronentaschen weg.»

«Andere unter uns weinten vor Zorn und Ärger wie Kinder. Ich weinte auch und war über alle Maßen verdrießlich. Ich hatte mich noch lange wehren, kriegen und mich mit dem Feind herumschlagen mögen. Fast betäubt vor Wut, umringten wir unsern guten Oberst Gatschet. Auch er weinte, und zwar noch aus einem andern Grunde. Sein jüngster Bruder war im Gefecht erschossen worden. Schließlich sagte er: Wir wollen alle wieder heim und uns nicht gefangen nehmen lassen»Das War eine traurige Rückkehr. Die einen grollten: «Verrart  Verrat !»
Andere haderten: «Den Kampf gewonnen, und das Vaterland verloren !»

 

Der Tod des Generals – fliehende Patrizier

Als an diesem Montagmorgen die Sonne sich erhoben hatte, wie erzählt, General von Erlach zu seinem Adjutanten melancholisch gesagt: «Mein Freund, ich sehe die Sonne aufsteigen; aber ich werde sie nicht untergehen sehen.» Das Wort sollte sich erfüllen.

Nach den letzten Kämpfen auf dem Breitfeld floh er in der Richtung Thun, zuerst zu Pferd, dann auf einem Wagen. Vielleicht hoffte er, es werde ihm gelingen, neue Soldaten zu sammeln und mit ihnen die Stadt zu befreien. Bei Wichtrach stieß er auf betrunkene Landstürmer. Sie wußten nicht, daß Bern gefallen war. Darum hielten sie ihn für einen Vaterlandsverräter. Sie machten sich plötzlich an ihn heran und erschlugen und erstachen ihn auf eine schreckliche Weise.

Schultheiß von Steiger dagegen entkam mit Hilfe seines treuen Korporals ins Oberland; von hier floh er nach Deutschland.

Wie den Schultheißen von Steiger, so litt es noch manche andere Patrizier am 5.März und in den folgenden Tagen nicht in der Stadt. Faßten sie den Entschluß zu fliehen, so verkleideten sie sich meist als Bauern und ließen sich ihre gepuderten Haare schneiden. Die rasenden Bewohner der Landschaft sollten sie nicht erkennen. Nahm sich ein Patrizier nicht Zeit, Kleid und Haartracht zu ändern, so konnte er von Glück sagen, wenn die Landleute ihn nur einen «Franzosenfreund, Landesverkäufer und puderierten Donner» nannten, ihm aber sonst nichts zuleide taten.

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