Die bernische Regierung kämpft nicht gegen den eingedrungenen Feind, sondern unterhandelt mit ihm. Ihre Soldaten werden misstrauisch

Anfangs Februar 1798 übernahm der französische General Brune das Kommando über die Armee in der Waadt. Brune war ein äußerst schlauer Mann voller Listen und Schliche.

Hätten die Berner nur die Papiere und Befehle, die er von Paris mit sich gebracht, durchmustern können! Sie hätten dann gesehen, daß er zwei wichtige Schriftstücke mit sich führte. Das eine war eine Kriegserklärung, die noch einige leere Zeilen aufwies. Wozu? Zum Einsetzen der Begründung des Angriffes, d. h. des Vorwandes. Das andere enthielt einen Aufruf an das Schweizervolk.

In der Waadt standen damals nur etwa 11‘000 und im Berner Jura 8‘000 Franzosen. Es fehlte ihnen zudem an Artillerie, Reiterei und Munition. Auch hatte General Schauenburg, der bei Biel kommandierte, dort noch nicht die richtigen Stellungen bezogen. Wenn die Berner sofort angriffen, so ewar es leicht möglich, daß sie siegten. General von Erlach wußte das.

Brune verstand es aber, sich zu helfen. Er schrieb an die Regenten in Paris:

«Es ist mir, als ob ich euch sagen hörte: Was macht Brune? Warum ist er nicht in Bern? Er verliert Zeit. Aber ich bin ohne Kanonen, Kavallerie und Munition. Was würdet ihr sagen, wenn ich marschierte und geschlagen würde?

 Ich ergreife den Ausweg, mit den Bernern vage Unterhandlungen zu führen, bis General Schauenburg die Stellungen bei Biel besetzt hat.»

Zugleich sandte Brune einen Hauptmann zu General von Erlach nach Murten. Der Hauptmann traf dort mitten in der Nacht ein und beteuerte, die Franzosen wünschten mit den Schweizern friedlich zusammenzuleben, deshalb begehre Brune zu unterhandeln.

Was beschloß der Rat von Bern? Es gab in ihm eine Kriegs- und eine Friedenspartei. Die letztere glaubte und hoffte: Wenn wir mit den Franzosen höflich und freundlich umgehen und einige ihrer Wünsche erfüllen, so werden sie das altbernische Gebiet in Ruhe lassen. Der Führer dieser Partei war der Seckelmeister Karl Albrecht von Frisching.

Die Kriegspartei dagegen war überzeugt: Frankreich will auf jeden Fall unser Land in seine Gewalt bringen; deshalb nützt Nachgiebigkeit nichts, im Gegenteil. «Den Krallen des Teufels entgeht man nicht dadurch, daß man sie streichelt>›, so versicherte Schultheiß Niklaus Friedrich von Steiger, das Haupt der Kriegspartei. Steiger war ein Greis mit zitternden Gliedern und einer schwachen, heiseren Stimme. Wer ihn aber reden hörte, konnte bald merken, daß er klug war.

Unglücklicherweise waren die beiden Parteien ungefähr gleich stark. So kam es, daß bald die eine und bald die andere siegte. Das hatte zur Folge, daß rasch nacheinander Beschlüsse und Gegenbeschlüsse gefaßt und Befehle und Gegenbefehle gegeben wurden.

Zuerst siegte die Friedenspartei. Der Rat sandte Frisching und drei andere Männer als Unterhändler nach Payerne zu Brune. Sie verabredeten eine Art von Waffenstillstand für ungefähr vierzehn Tage. Hierauf schrieb Brune nach Paris:

«Bürger Direktoren! ln der Depesche, die ich gestern von Ihnen erhalten habe, befehlen Sie mir, unverzüglich gegen Bern zu handeln. Ich versichere Sie indessen, daß die notwendig gewordene Verzögerung die Streitkräfte des Feindes nicht vermehrt. Sie bewirkt vielmehr deren Auflösung; denn die buntscheckigen Milizen langweilen sich, ermüden und räsonnieren. Umgekehrt wird die französische Streitmacht mit jedem Tage stärken»

Es war so. Die bernischen Soldaten waren willig eingerückt. Sie konnten nun aber nicht begreifen, weshalb ihre Offiziere sie nicht in den Kampf führten. Darum begannen sie, ihnen zu mißtrauen: Wollten sie nicht etwa Verrat begehen?

Unter den bernischen Soldaten entstand Unzufriedenheit. Die einen verlangten: Wir wollen entweder kämpfen oder heimkehren. Andere polterten: Wir sind bereit, das Vaterland zu verteidigen; aber wir wollen unser Leben nicht für die Macht einiger weniger Familien aufs Spiel setzen.