Die Kämpfe
Im Sommer 1798 sollten alle Bürger in Helvetien, insbesondere auch die Geistlichen, einen Eid auf die Verfassung ablegen. Die Nidwaldner Geistlichen und die Nidwaldner überhaupt beschlossen, diesen Eid nicht zu leisten. Bald hörte man im Lande singen:
«Wehrt euch für der Väter Glauben,
Der allein uns Wahrheit lehrt!
Laßt euch selben niemals rauben,
Er ist Blut und Leben wert»
Österreichische Generäle hatten dem Schwyzer Kapuziner, Paul Styger, erklärt: Unser Land wird den Urkantonen beistehen, falls Frankreich sie angreift. Styger zählte nun auf österreichische Hilfe. Er wußte nicht, daß der Kaiser, auf den es allein ankam, nichts versprochen hatte. Der Pater erschien «in Jägertracht, mit wehender Feder auf dem Hute und den Säbel an der Seite» in Nidwalden und versicherte den Leuten: «Seid gewiß, daß wir die Franken aus der ganzen Schweiz vertreiben und bis zum Neujahr unsere Erdäpfel miteinander in Paris schälen werden.» So begannen die Nidwaldner zu hoffen, der Tag der Befreiung sei nahe.
Nachdem sie den Eid auf die Verfassung verweigert hatten, bereitete Schauenburg einen Feldzug gegen das Ländchen vor. Die Nidwaldner erschraken nicht, sondern ernannten einen Kriegsrat und rüsteten sich zum Kampfe. Sie stellten ihre Jagdflinten instand und gossen auf dem Dorfplatze zu Stans Kugeln. Die Leute brachten Blei, Zinnteller, Kannen und Geld. Natürlich nahmen und verteilten sie auch die Waffen, die es im Zeughause gab.
Seit anfangs September rückten die Franzosen Tag um Tag näher, über den Brünig und durch das Entlebuch her. Schauenburg selbst ritt auf einem stolzen Fuchs, an der Spitze einer Heeresabteilung, in Luzern ein. Der Einmarsch dauerte zwei Stunden.
Im ganzen mag die französische Armee gegen 15‘000 Mann gezählt haben. Ihnen standen 1500 Nidwaldner und 200 Zuzüger aus Uri und Schwyz gegenüber. Paul Styger begleitete seine Schwyzer als Feldprediger.
Weil damals von Luzern nach Stansstad noch kein Landweg führte, mußte Schauenburg versuchen, mit einem Teil seiner Soldaten zu Schiff in das Ländchen einzudringen. Die Nidwaldner schlugen in der Gegend von Stansstad jedoch nicht weniger als vierzehn Angriffe zu Wasser ab. Schließlich gelang den Franzosen die Landung doch.
Nun beginnen die Kämpfe. Die Nidwaldner verrichten Wunder der Tapferkeit. Die Scharfschützen verfehlen ihre Ziele selten. Allein das Laden beansprucht viel Zeit. Einer der Schützen, der nicht mehr stehen kann, kämpft mit drei Gewehren weiter. Knaben laden sie ihm. Anderswo sind sämtliche Männer, die eine Kanone bedient haben, gefallen. Da löst eine Frau die letzten Kartätschen. Dann wird sie niedergemacht.
Schließlich kommt es überall zu schrecklichen Nahkämpfen. Frauen, Töchter, Greise und Knaben streiten, mit Keulen und Sensen bewaffnet, mit. Schauenburg berichtet nach seinem Siege:
«Unsere Verluste sind groß. Das war bei der Hartnäckigkeit dieser bis zur Raserei kühnen Menschen unvermeidlich. Mehrere Priester und leider auch eine große Zahl Weiber sind auf dem Platze geblieben. Es war einer der heißesten Kämpfe, die ich erlebt habe. Man schlug sich mit Knütteln, man vernichtete sich mit Felsstücken, man kämpfte auf dem Wasser. . .»
Nidwalden verlor in diesen Kämpfen ungefähr 400 Menschen, Frankreich wahrscheinlich etwa das Zehnfache. Hunderte und Hunderte von Häusern, Ställen und Speichern, ja oft ganze Ortschaften gingen in Flammen auf. Gewaltige Wolken von Rauch umlagerten und verhüllten die Berge. Nachts durchzündete der Schein des Feuers in einem Umkreis von vier Stunden Wiesen und Wälder, Wiege und Stege so hell, als ob es Tag wäre.
Schauenburg besetzte und entwaffnete die ganze Urschweiz. Die Nidwaldner mußten inmitten ihrer zerstörten Heimstätten mit den verkohlten Trümmerhaufen und den halb versengten Fruchtbäumen den Bürgereid schwören - vor einem Freiheitsbaum.
Ihre Heldenkämpfe waren nicht umsonst. Sie erregten in ganz Europa Bewunderung und stärkten überall den Willen zur Freiheit. Im Auslande hieß es: Wenn es so tapfere Eidgenossen gibt, so kann die Schweiz nicht dauernd geknechtet werden. Ein großer Machthaber - Napoleon - bekannte später:«Die kleinen Kantone sind es, die ich achte; sie hindern mich, die Schweiz wegzunehmen.»