«Viele Mitglieder des Großen Rates fanden sich nicht zu den Ratssitzungen ein, wenn man sie nicht gerade bei Eiden aufbot. Sie blieben zu Hause und ließen sich durch ihre dazu abgerichteten Dienstboten verleugnen, falls man sie von Amtes wegen sprechen wollte, oder sie vertrieben sich ihre Langeweile in den öffentlichen Gesellschaftshäusern, indem sie Zeitungen lasen oder plauderten. Den Sommer verlebten sie auf ihren Landhäusern, kümmerten sich nicht um die Staatsgeschäfte und mochten es Wohl leiden, daß andere sich unterdessen schier zu Tode arbeiteten»
Der Große Rat suchte diese Säumigkeit zu bekämpfen. Er schrieb seinen Mitgliedern vor, sie müßten vom 1.Dezember bis zu Ostern in der Stadt wohnen und die Sitzungen fleißig besuchen; sonst sollten sie auf ein Jahr das Stimmrecht verlieren und sich um kein Amt bewerben dürfen.
Der Große Rat beriet an drei, zur Zeit der Ernte und der Weinlese an zwei Tagen in der Woche. Die Hauptarbeit leistete der Kleine Rat. Er hielt außer am Dienstag täglich Sitzung.
Ein bernischer Patrizier (Sigmund von Wagner) berichtet von ihm: «Schon das Amtskostüm dieser obersten republikanischen Staatsbehörde flößte Respekt und Ehrfurcht ein! Siebenundzwanzig meist hochbetagte, mehrteils hochgewachsene und noch kräftige Männer mit edlen Gesichtszügen; ganz in feines, schwarzes Tuch gekleidet; einen Degen mit goldnem Griff an der Seite; einen seidenen, ebenfalls schwarzen Mantel darüber; eine lockenreiche, weiß gepuderte Perücke, die vom Haupt auf die Schultern und den halben Rücken hinunterwallte, und auf ihr der hohe, runde Samthut mit seidenen Quasten um das Bord - das bildete zusammen eine Tracht, der gewiß keine andere an Einfachheit, Schönheit und Würde gleichkam !»
Carl Viktor von Bonstetten:
«Was die bernische Regierung auszeichnete, war eine vollkommene Ehrenhaftigkeit. Ich saß in allen Gerichten und kann bezeugen, daß ich nie auch nur die geringste Bestechlichkeit gesehen habe. Ich erinnere mich an einen Vorfall, über den ich erstaunte. Ein Bauer, der an einem unserer obersten Gerichte einen Prozeß hängig hatte, stellte heimlicherweise einen Korb voller Zuckerstöcke in die Küche eines Richters. Er hoffte, dadurch dessen Stimme zu gewinnen, ohne ihn bloßzustellen, da der Richter ja nicht genötigt war, es zu Wissen. Allein der Bauer wurde vom Richter, den er hatte bestechen Wollen, Vorgeladen, verurteilt und gefangengesetzt.»