Wie die Landvögte bestimmt wurden und wie sie ihr Amt antraten

Um 1750 gab es im Bernbiet 50 Landvogteien, 38 deutsche und 12 welsche. Sie brachten dem Inhaber sehr verschieden hohe Einkünfte.

Während langer Zeit wählte der Große Rat die Landvögte. Das hatte aber einen Nachteil: Es erhielten immer wieder die gleichen Männer Vogteien; andere jedoch gingen leer aus. Deshalb führte der Rat im Jahre 1710 das Los ein. Es wurden aber nicht alle Mitglieder des Großen Rates ohne weiteres zum Losen zugelassen. jüngere Großräte konnten sich zum Beispiel nicht um eine gute Vogtei bewerben, solange ältere da waren, die noch kein Amt versehen hatten. Man wollte dafür sorgen, daß jedes Mitglied des Großen Rates früher oder später ein Amt und eine Besoldung bekomme.

Gelost wurde auf folgende Weise: Wenn sich zum Beispiel fünf Männer um eine Landvogtei bewarben, so legte man vier silberne Kugeln und eine vergoldete, die genau gleich groß und gleich schwer war wie die silbernen, in einen Sack. Dann mußten die Bewerber Handschuhe anziehen und darauf der Reihe nach mit verbundenen Augen in den Sack greifen. Wer die goldene Kugel erwischte, erhielt die Vogtei. Die Amtszeit eines Landvogtes dauerte sechs Jahre. Wenn sie begann, begab sich der Gewählte zu Pferd oder in einer vierspännigen Kutsche in seine Vogtei. An ihrer Grenze holten ihn Dragoner ab, und wenn er sich dem Dorfe oder Städtchen, in dem sich sein Amtssitz befand, näherte, so krachten Lärmkanonen. Am Amtssitze selbst empfingen ihn Mannschaften in Uniform und präsentierten das Gewehr. Posaunenblaser meldeten die Ankunft des Vogtes, und an Bechern und Ehrenwein fehlte es auch nicht. Oft boten die Vogtsleute ihrem neuen Herrn zum Willkomm ein festliches Essen. Dieser veranstaltete auf den Abend im Schloß eine Gegeneinladung für sein Ehrengeleite und eine Anzahl der vornehmeren Landleute.
An einem der nächsten Tage versammelten sich die Abgeordneten der Vogtsleute auf einem geeigneten Platz oder in der Kirche. Der alte Landvogt dankte in einer längeren Rede ab. Dann schwur der neue, er werde die Untertanen bei ihren alten Rechten und Freiheiten belassen, sie vor Schaden schirmen und als Richter Arme und Reiche gleich behandeln. Hierauf las er laut und eindringlich vor, was die Untertanen eidlich zu versprechen hatten:
<<Alle, die in den Landen und Gebieten der Stadt Bern wohnen, schwören, ihrer rechten, natürlichen Obrigkeit Treue und Gehorsam zu leisten, ihren Nutzen und ihre Ehre zu fördern und allen Schaden von ihr abzuwenden. Sie werden in keine verbotenen Kriegszüge ziehen und keine Versammlungen ohne Bewilligung abhalten. Wenn sie etwas hörten, sähen oder vernähmen, was der Stadt Bern Schaden oder Unehre brachte, das sollen sie unverzüglich dem Landvogt anzeigen und überhaupt alles tun, was frommen, getreuen Untertanen ziemt.>›
Nach dem Verlesen dieses Eides wies der Landvogt die Untertanen an, die Schwurfinger zu erheben und ihm die Worte nachzusprechen: «Ich will dem, was mir vorgelesen worden ist, nachgehen und alles in guten Treuen vollbringen, so wahr mir Gott helfe»
Einst mußten sich sämtliche männliche Bewohner der Vogtei an einer einzigen Stätte, auf freiem Felde, versammeln und den Treueid schwören. Im 18.Jahrhundert aber reiste der Landvogt von Gerichtsbezirk zu Gerichtsbezirk, um die Huldigung entgegenzunehmen. Der Landvogt zu Trachselwald zum Beispiel reiste zu Pferd oder in der Kutsche nach Rüderswil, Langnau, Trub, Trubschachen, Schangnau sowie nach Huttwil, Affoltern usw. Überall wurde geschossen oder posaunt. Die Nächte verbrachte der Vogt auf diesen Reisen regelmäßig in den Pfarrhäusern. Natürlich mußte er die Pfarrer oder deren Kinder beschenken, und den Schützen und den Posaunisten hatte er Trinkgelder zu entrichten.

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