Von den Gewalttaten und Plünderungen der Franzosen – ein tapferes Wort Pfarrer Lavaters

Schauenburg hielt sein Versprechen, freien Gottesdienst zu gewähren,  schlecht. Vierzehn Tage nach den Kämpfen in Schwyz ließ er nämlich in Einsiedeln eine Kapelle, in der sich ein Marienbild befand, niederreißen. Das sei notwendig gewesen, so behauptete er, um den Fanatismus zu vernichten.

Zum Teil vor, zum Teil nach den Kämpfen bei Rotenturm und am Morgarten begingen die Franzosen in unserem Lande viele üble Gewalttaten. Barbarisch hausten sie zum Beispiel im Kloster Einsiedeln. Hierüber berichtet ein Zeitgenosse:

«Das Kloster ist verwüstet; alle Zimmer sind geplündert, alle Türen erbrochen, alle Kästen und Schränke zerschlagen. Die kostbare Bibliothek ist in dem elendesten Zustande. Ganze Körbe voll Bücher sind zu den Fenstern hinausgeworfen worden. Die Offiziere sind täglich darin und lassen sogar in Körben forttragen, was ihnen gefällt. Auch treten sie auf den kostbaren Handschriften herum, weil sie auf dem Boden zerstreut liegen»

Ein zürcherischer Unterstatthalter mußte dem Helvetischen Direktorium melden, in seinem Bezirke seien rechtschaffene Landleute auf eine empörende Weise mißhandelt worden:

«Den einen Bauern forderten die Marodeurs 10, andern 12 und mehr Louis-d‘or ab. Leute, die ihnen zu trinken gaben, soviel sie auftreiben konnten, wurden noch geschlagen. Das Elend stieg so stark, daß die Einwohner kaum mehr abgehalten werden können, über die Franken herzufallen. Aus der Gegend unweit von Stäfa liefen ebenso traurige Berichte ein. Sechs Landsleute wurden getötet, unter ihnen ein Greis, der friedlich sein Feld pflügte.»

Glaubten die Leute von Stäfa wohl noch immer, daß die Soldaten der französischen Heere ihre wahren Freunde und Bundesgenossen seien ?

Die Freiburger, die sich darüber beklagten, daß ihnen «bald nur das nackte Leben und das Elend» bleibe, fragten vorwurfsvoll «Haben denn nicht das französische Direktorium und General Brune versprochen, Freunde, Brüder und Befreier zu sein ?»

Der tapfere Zürcher Pfarrer Johann Kaspar Lavater aber verfaßte in diesen Tagen eine Schrift mit dem Titel: «Ein Wort eines freien Schweizers an die Große Nation» Er hielt den Franzosen vor:
«Es ist ein Gesetz, geschrieben in aller Menschen Brust, so alt als die Welt, so heilig als die Menschheit: Was du nicht willst, daß andre dir tun, das tue auch ihnen nicht!
Ihr, Franken, kamet als Räuber und Tyrannen in die Schweiz! Ihr führtet Krieg wider ein Land, das euch nicht beleidigte.
Als Räuber führtet ihr die Schätze, die euch nicht gehörten, von den besiegten Städten, besonders von Bern, fort. Ihr sprachet von nichts als Befreiung - und unterjochtet auf alle Weise. Könnet ihr's leugnen?
Ihr hattet ferner die nie erhörte Frechheit, die freien demokratischen Kantone zur Annahme eurer Verfassung mit hohnsprechender Waffenübergewalt zu zwingen! Wie Wölfe über eine Herde Schafe, so fielet ihr über diese friedlichen, harmlosen Hirtenvölklein her, um ihnen ihre goldene Freiheit zu rauben.
Ich ziehe, Franken, den Vorhang weinend über manches; über den ungeheuren Despotisrnus, den sich eure Agenten in der Schweiz erlaubten; über die noch unvergüteten Plünderungen und über die Ermordungen, verübt an einzelnen harm- und wehrlosen Menschen; über die Einquartierungen, die uns heimlich aussaugen und blutarm machen sowie über die Versiegelung und rechtswidrige Wegnahme von einem Teil unseres öffentlichen Schatzes - und über so manches Andere.

Französische Nation - auf allen deinen Blättern sprichst du von Freiheit. Öffne die Augen und befreie uns von dieser Freiheit der Hölle!

Zürich, den 10. 5. 1798                                                                                                Johann Kaspar Lavater,

Im ersten Jahr der                                                                                                        Pfarrer
schweizerischen Sklaverei