Der bernische Sieg bei Neuenegg

In der gleichen Nacht vom 4.auf den 5.März 1798, in welcher Schultheiß Steiger mit den Seinen die Feinde im Grauholz erwartete, wurden bernische Truppen bei Neuenegg geschlagen. Sie mußten sich nach Wangen und Oberwangen zurückziehen. Hierauf heulten die Sturmglocken durch das Land. Nach und nach sammelten sich die zersprengten Soldatenhaufen in Wangen. Am Morgen schlossen sich ihnen die Mannschaften an, die in den Dörfern der Umgebung der Stadt, in Muri, Stettlen und Ostermundigen, einquartiert waren. Dann brachen diese Scharen auf, trieben die Franzosen durch den Wald zurück und besiegten sie schließlich bei Neuenegg trotz ihrer dreifachen Übermacht. Über dieses Gefecht berichtet ein Mitkämpfer, Peter Wyß, aus Isenfluh (im Amte Interlaken):

«Als es am 5.März zu tagen begann, hieß es: Wir wollen noch einmal hinter die Franzosen her. Wir Scharfschützen voran, das andere Militär uns nach, zogen wir wieder gegen Neuenegg zu. Auf der Höhe des Waldes angelangt, trafen wir auf die Franzosen gerade in dem Augenblick, als sie ihr Frühstück bereiteten und ganze Speckseiten, Käse, Kübel voll Anken und Schmer in den Kesseln hatten und kochten. Das jagte sie dann schön auf die Beine, als sie uns sahen. Schnell sammelten sie sich zur Gegenwehr und stellten sich in Linie gegen uns auf. Es war da ein ganzer Wald voll von ihnen. Wir hatten hier schwere Arbeit, wir Scharfschützen und das andere Militär, das uns gefolgt war.

Nach und nach trieben wir sie durch den Wald zurück bis ins Freie und Weite. Als wir am Ende des Waldes ankamen, lag unten vor uns ein Tal, das Tal von Neuenegg. Da waren viele Kanonen aufgestellt, die gegen uns heraufschossen. Es galt nun, sie zu erobern. Die Kanonenschüsse taten uns beinahe nichts; denn sie gingen zu hoch. Aber die getroffenen Dolden und Äste, die auf uns herabfielen, plagten uns um so mehr. Schließlich kam es zu einem Sturm gegen die Franzosen und zu einem blutigen Handgemenge. Man drang mit gefälltem Gewehr vor und schlug mit den Gewehrkolben drein.»

Jener Scharfschützenleutnant führt die Schilderung weiter:
«Ein junger Jäger stürzte an meiner Seite, und sogleich blieben vier oder fünf andere zurück, um ihn zu besorgen. .Aufgebracht darüber, daß in diesem entscheidenden Zeitpunkte mehrere das Gefecht verließen, wo einer genügt hätte, rief ich ihnen zu: Vorwärts! in Teufels Namen, vorwärts!

Nein, sagte der alte Imboden von Unterseen, indem er meine Hand ergriff, nein, Herr Leutnant, in Gottes Namen! Wir waren keine zwanzig Schritte von unsern Feinden; ihre Kugeln zischten zu Tausenden um uns. So stand ich betroffen mit offenem Munde, wie ein Knabe vor dem ehrwürdigen Greis. Er kam mir vor wie ein überirdisches Wesen. Wer in einem so fürchterlichen Augenblick eine solche Geistesruhe behält, kämpft gewiß für keine schlechte Sache. »

«Wir waren nun auf dem eigentlichen Schlachtfelde der vorigen Nacht. Haufenweise lagen unsere Freunde bleich, entseelt und fast nackt ausgezogen auf der Walstatt. Es war ein herzbrechender Anblick. Er steigerte die Wut unserer Leute aufs höchste. Wir machten keine Gefangenen. Alles, was wir erreichen konnten, schossen wir nieder und erbeuteten auf dieser Stätte 18 Kanonen.»

Peter Wyß und ein Saaner berichten Weiter:
«Als wir eine Kompanie Verstärkung erhielten und unsere Kanoniere mit Kartätschen schossen, da <bösete› es den Franzosen. Sie gerieten in Unordnung, und viele von ihnen wurden getötet. Es dünkte uns, es sei alles überlegt mit Leichen, Habersäcken, Gewehren und <Rustig› der verschiedensten Art. Endlich wichen und flohen die Feinde. Sie wurden von Zaun zu Zaun fortgetrieben bis unten an das Wasser der Sense. Bald mußte, was von ihnen noch hierseits stand, durch den Fluß hindurchwaten; er war damals nicht so groß. Unsere Leute wollten ihnen nach. Da kam nach 5 Uhr ein Kurier aus Bern mit dem Befehl, wir sollten aufhören, die Franzosen seien bereits in der Stadt. Aber man fuhr zu mit Verfolgen und Schießen. Da kam bald ein zweiter Befehl. Trotzdem wurde immer noch geschossen. Erst als der dritte eintraf, hörten wir endlich auf.

Wir hatten uns den ganzen Tag mit Mut und Ausdauer geschlagen und die Scharte dieser Nacht Wieder ausgewetzt. Und nun sollte Bern über sein! Das konnten wir fast nicht glauben»

«Viele rissen ihre Gewehre von den Schultern und zerschlugen sie aus Zorn und Wut an den Steinen zu Trümmern oder warfen ihre Patronentaschen weg.»

«Andere unter uns weinten vor Zorn und Ärger wie Kinder. Ich weinte auch und war über alle Maßen verdrießlich. Ich hatte mich noch lange wehren, kriegen und mich mit dem Feind herumschlagen mögen. Fast betäubt vor Wut, umringten wir unsern guten Oberst Gatschet. Auch er weinte, und zwar noch aus einem andern Grunde. Sein jüngster Bruder war im Gefecht erschossen worden. Schließlich sagte er: Wir wollen alle wieder heim und uns nicht gefangen nehmen lassen»Das War eine traurige Rückkehr. Die einen grollten: «Verrart  Verrat !»
Andere haderten: «Den Kampf gewonnen, und das Vaterland verloren !»

 

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