von den jungen Patriziern
Im 18. Jahrhundert konnten die Patrizier frühestens nach dem erfüllten 29.Altersjahr in den Großen Rat gewählt werden. Womit beschäftigten sie sich bis zu diesem Zeitpunkte?
Mit sehr wenig. Wenn der Hauslehrer sie notdürftig herangebildet hatte, so arbeiteten sie manchmal als Sekretäre in einem staatlichen Büro gegen ein Taschengeld.
Viele dienten eine Zeitlang als Offiziere im Ausland. Die meisten unternahmen überdies eine zwei- bis dreijährige Reise in die Fremde. Hier lernten sie manches kennen, was ihrer Heimat später zugute kam, zum Beispiel Fortschritte in der Landwirtschaft.
Nicht selten aber nützten sie diese Zeit nicht gut aus, sondern verschwendeten Geld, tranken über den Durst und gewohnten sich sonst allerlei Übles an.
Zu Hause ergab sich ein großer Teil der jungen Patrizier dem Müßiggang. Hierüber berichtet ein Münsterpfarrer (David Müslin) jener Zeit:«Sobald sie unter den Händen des Perückenmachers weg waren, fand man sie schon vormittags zu halben Dutzenden in den Arkaden versammelt, wo sie miteinander von den Neuigkeiten des Tages plauderten und jeder Weibsperson starr ins Gesicht schauten und überhaupt alle Vorübergehenden scharf musterten, bis die Stunde des Mittagsmahles sie nach Hause rief.
Den wenigsten kam es in den Sinn, sich mit den Grundsätzen der Regierung bekannt zu machen oder die Landesgesetze und die vaterländische Geschichtezu studieren.››
Ein bernischer Patrizier (Carl Viktor von Bonstetten) bestätigt:«Das große Übel der Aristokratie war die Untätigkeít der patrizischen Jugend vom 15.Lebensjahr an bis zum Eintritt in den Großen Rat. Ich selbst war nicht der Unwissendste meines Ranges, und doch wußte ich nichts von dem, was ich hätte wissen sollen.››
Eine Zeitung spottete:«Morgens um 9 Uhr stehet der junge Patrizier auf, laufet eine halbe Stunde die Kammer auf und nieder, rufet dem Knecht, daß er ihm seinen Tee rüste, ziehet sich darauf an und lasset sich das Morgenessen zubereiten. Sendet seinen Diener, Tabak zu holen, ist übel mit ihm zufrieden, Weil sein Mississippi allzu trocken ist. Setzet sich zu Tisch. Geht um 1 Uhr sehen, wo er seine Freunde finde, gehet mit ihnen vor das obere Tor und leert mit ihnen fünf Flaschen guten Weins, kommt um 7 Uhr wieder in die Stadt, will nicht zu Nacht speisen, sondern lasset sich auf einer Zunft Bier holen und trinket solches mit seinen Freunden bei einer Pfeifen Tabak, gehet nach Hause um 12 Uhr und schlafet ganz wohl.››