Minderheiten
In Europa leben etwa 30 Millionen Menschen unter Regierungen. die nicht dem gleichen Volksstamm angehören wie sie. Deutsche leben z.B. in Oberschlesien unter polnischer und Ungarn anderswo unter jugoslawischer Herrschaft. Und nun fragt es sich: Wie können diese Minderheiten mit den Mehrheiten friedlich zusammenleben? Dürfen die Deutschen in Schlesien z.B. eigene Schulen und Kirchen besitzen ? Ist es ihnen erlaubt, hier und vor Gericht deutsch zu reden ?
In welcher Sprache erscheinen Gesetze und Verordnungen der Regierung? Alles dies ist von sehr großer Bedeutung für die Aufrechterhaltung des Friedens. Denn wenn z. B. die Polen in ihren schlesischen Bezirken die Deutschen unterdrücken, kränkt das die Bewohner Deutschlands und stachelt sie gegen Polen auf. So entsteht eine Spannung, aus der sich bei dieser oder jener Gelegenheit leicht ein Krieg entwickeln kann. Bis dahin hat der Völkerbund für die verschiedenen Minderheiten nicht gut gesorgt. Sie haben die größte Mühe, ihre Klagen überhaupt vorzubringen.
MacDonald (1929): «Man kann Europa zerschneiden, wie man will; man wird nie dazu kommen, Staaten zu schaffen, die nur Angehörige einer einzigen Rasse enthalten.»
Im folgenden Jahre führte ein Deutscher aus:
«Nach einer Mitteilung des Völkerbundes sind im Laufe des letzten Jahres 57 Beschwerden von Minderheiten eingegangen. Zeitungen wollen wissen, in Wirklichkeit sei die Zahl viel höher. Von den eingelaufeııen 57 Gesuchen seien 36 als unannehmbar von vornherein abgewiesen worden. Über die Gründe hierzu erfährt man nichts. Ich empfehle dem Generalsekretariat, bei der Entgegennahme von Beschwerden weitherziger zu sein. Die Minderheiten sollen sich leichter an den Völkerbund wenden können, obschon die Gesuchsteller oft einfache Menschen sind, die für ihre Klagen nicht die rechte Form finden.»