Ankunft, Begrüßung und Eröffnung
« Genf, im September 1929. Das politische Interesse ist groß. Die Menge ermüdet nicht, sondern drängt sich zahlreich zum politischen Schauspiel. Heute überwiegen die Amerikanerinnen, die Genf geradezu belagern und wichtigeren Leuten die Hotelzimmer wegschnappen.
Als Briand (ein hervorragender französischer Minister und Vorkämpfer für den Frieden) vor dem Hotel Viktoria erscheint, wird er vom Volk stürmisch bewillkommt. Freundlich lächelnd lüftet er seinen Strohhut. Die rote Nelke im Knopfloch strahlt Zuversicht aus. Auch der Engländer Henderson, in feierlichem Schwarz, empfängt von allen Seiten Gratulationen. Unseren Bundesrat Motta bereitet das Publikum ebenfalls eine Kundgebung. Um elf Uhr erscheint der erste Minister Englands, Macdonald, begleitet von seiner sympathischen Tochter. Unter dem lebhaften Beifallsklatschen flüchtet er sich fast verlegen in das Innere des Hotels.
lm Reformationssaal, dem Sitzungsraum der Völkerbundsversammlung, finden bei überfülltem Haus und drückender Schwüle die üblichen Begüßungen statt, ein unaufhörliches Händeschütteln links und
rechts. Als der deutsche Minister Dr. Stresemann im Saal auftaucht, wird er außergewöhnlich herzlich begrüßt. Er betritt im Gespräch mit Macdonald den Raum, und sofort schlängelt sich Briand durch
das Gedränge zu seinem deutschen Kollegen, um ihn mit Lachen und Handschlag willkommen zu heißen.
Die Eröffnungsrede hält ein Perser mit schwarzem Vollbart. Er verliest den zuversichtlichen Rückblick auf die Tätigkeit des Völkerbundes im vergangenen Jahre, den das Sekretariat ihm bereitgestellt hat.»