Internierte
Als der Krieg sich immer mehr in die Länge zog und niemand wissen konnte, wie lang er noch weitertoben würde, schlugen der schweizerische Bundesrat und das internationale Komitee vom Roten Kreuz den Mächten vor, besonders erholungsbedürftige Gefangene in die Schweiz überzuführen. Beide Kriegsparteien erklärten sich einverstanden. Leute, die schon seit 18 Monaten oder länger gefangen oder schwer erkrankt waren und später auch körperlich nicht leidende Familienväter mit wenigstens drei Kindern wurden in unserem Lande interniert. Den Verheirateten war gestattet, ihre Familien in die Schweiz kommen zu lassen und in gemieteten Wohnungen eigenen Haushalt zu führen. Um den Angehörigen einen Aufenthalt in unserem Lande zu ermöglichen, wurden in Frankreich und England Sammlungen veranstaltet. Die Schweizer in London und Paris steuerten größere Beträge bei.
Die einzelstehenden Internierten wurden in Gasthöfen untergebracht, die Deutschen am Vierwaldstättersee und in Davos, die Engländer in Mürren und Château-d‘Oex, Belgier und Franzosen in Montreux, Montana, Leysin und im Berner Oberland. Viele mußten vernachlässigte Wunden in Spitälern pflegen und von neuem operieren lassen. Lungenkranke suchten an den Luftkurorten Heilung. Trotz aller Pflege ist eine beträchtliche Zahl in der Schweiz gestorben. Grabsteine auf unsern Friedhöfen erinnern daran.
Die Behörden mühten sich, für die Arbeitsfähigen irgend eine Beschäftigung zu finden. Die Studenten durften unsere Hochschulen besuchen. Für die Kinder der Internierten wurde in Interlaken eine besondere Schule gegründet, an der internierte Lehrer in französischer Sprache unterrichteten. In Beatenberg betrieben die fremden Gäste eine Sägerei, in Thun eine Schnitzlerwerkstatt; in Stansstaad arbeiteten Deutsche in Schuhmacher-, Tischler- und Schlosserwerkstätten. Unsere Landsleute suchten den Fremden den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen, indem sie da und dort eine Handreichung leisteten. Im Übrigen aber brachten wir für die Internierten keine Opfer. Sie haben im Gegenteil den Gasthofbesitzern einen kleinen Verdienst verschafft. Die Kosten bezahlten die Heimatstaaten.