Die Hilfstätigkeit der Schweiz
 

Austausch von Invaliden und Schwerverwundeten

Im Oktober 1914 schlug der schweizerische Bundespräsident den kriegführenden Staaten vor, die Entente möchte die gefangenen deutschen und österreichischen Invaliden und Schwerverwundeten an die Mittelmächte herausgeben und umgekehrt. Im folgenden Frühling kam eine solche Vereinbarung zwischen Deutschland und Frankreich zustande. Etwas später traten ihr auch England, Belgien und Rußland bei. Ausgetauscht wurden nur solche Invalide und Schwerverwundete, die im Krieg auf keinen Fall mehr verwendet werden konnten, auch nicht in den Bureaux und auf den Exerzierplätzen: Ganz oder fast Erblindete, Verstümmelte, Gelähmte, Verkrüppelte und Geisteskranke - Leute, die im Trommelfeuer der Schlacht oder hinter den Stacheldrahtzäunen der Gefangenenlager irrsinnig geworden waren. Den Austausch dieser Kriegsopfer besorgte zum größten Teil unser Land. Die Bundesbahnen stellten Sanitätszüge zur Verfügung.

Für Leute, die liegen mußten, richtete man Strohsäcke mit sauberer Wäsche, Decke und Kopfkissen auf Tragbahren her. Die Bahren wurden an Gurten in Drittklaßwagen aufgehängt, aus denen man vorher die Bänke entfernt hatte. Gegen Abend verließ je ein Zug Konstanz und Lyon. Der Zug aus Konstanz mit französischen Verwundeten hielt jeweilen in Winterthur oder Zürich an; der Zug aus Lyon mit den Deutschen machte in Genf Halt. Hier und in Zürich oder Winterthur wurden die Durchfahrenden verpflegt. Scharen von Menschen, die mit eigenen Augen etwas vom Weltkrieg sehen wollten, drängten sieh zu den Zügen. Meist mußten die Bahnsteige abgesperrt werden. Samariter und Mitglieder der Rotkreuzvereine überbrachten die Liebespäcklein der Ortshewohner: Blumen, Rauchzeug, Schokolade, allerlei Eßbares. Für den Augenblick lagen viele Durchfahrendesichtlich beglückt da in ihren Polstern und Betten, Blumen an der Brust, Liebesgaben in den Händen und im Herzen den Jubel: Heim, heim!Und doch. was war das für eine Heimkehr und was für eine Zukunft !

Die Züge aus Ost und West kreuzten sich zwischen Bern und Lausanne, gelegentlich schon im Bahnhof Bern. Es war den Soldaten beider Parteien untersagt, einander anzurufen, damit ja nicht Scheltreden und Schimpfworte gewechselt würden. Trotz dieses Verbotes kam es vor, daß die Invaliden aus den Fenstern des einen Zuges freundlich hinübergrüßten und von ihren „Feinden“ ebenso herzliche Antworten erhielten.