3. Der schweizerische Bauernverband
Im ganzen Lande, sowohl in der deutschen wie in der romanischen Schweiz, waren eine Menge von landwirtschaftlichen Vereinen und Bauernbünden entstanden. Aber sie unterhielten keine Beziehungen zueinander. Da luden einige Führer der schweizerischen Bauernschaft im Frühjahr 1897 die zahlreichen landwirtschaftlichen Vereine ein, Abgeordnete an eine Versammlung nach Bern zu senden.
Anfangs Mai traten im bernischen Großratssaal etwa 300 Mann zusammen und gründeten eine große Vereinigung, den schweizerischen Bauernverband. Er sollte für das Gedeihen der bäuerlichen Bevölkerung sorgen helfen, z. B. dadurch, daß die Verbandsmitglieder versuchten, beiden Wahlen möglichst viele Bauernvertreter in National- und Ständerat zu bringen.
Beim Abschluß von neuen Zoll- und Handelsverträgen verlangten diese Abgeordneten dann: Auf landwirtschaftlichen Artikeln, welche die schweizerischen Bauern erzeugen, z. B. auf Vieh, Fleisch und Milchprodukten, sollen höhere Einfuhrzölle verlangt werden, um die ausländische Konkurrenz fern zu halten. Im Laufe der Zeit wurden wirklich viele derartige Zölle erhöht, zum Teil schon vorder Gründung des Bauernverbandes.
Bis 1884 betrug der Einfuhrzoll für einen Zuchtstier zum Beispiel 50 Rappen; er wurde im folgenden Jahre auf 5, 1889 auf 15 und 1892 auf 25 Franken hinaufgesetzt.In der gleichen Zeit stieg der Einfuhrzoll für eine Kuh von 50 Rappen auf 18 Franken, für ein Mastkalb von 10 Rappen auf 10 Franken. Die Konsumenten, das heißt die Verbraucher von Milch, Butter undFleisch, möchten lieber keine Steigerung solcher Zölle, weil diese die Lebensmittel verteuern. So ergibt sich hier ein Gegensatz zwischen Land- und Industriebevölkerung.
Der Bauernverband richtete, ähnlich wie der Arbeiterbund (und der schweizerische Handels- und Industrieverein), ein Sekretariat ein. Der Bauernsekretär berechnet, welche Art der Bodenbenutzung, welche Betriebe und welche Landwirtschaftszweige am besten rentieren. Auch sucht er durch ausführliche Zusammenstellungen und Eingaben an die Bundesversammlung zu beweisen, daß jene Forderung - erhöhte Einfuhrzölle auf Bauernerzeugnissen - richtig sei.
Im weitern hilft sich die Bauersame durch den Besuch von Landwirtschaftsschulen, durch Einführung von besseren Nähr- und Düngemitteln und neuen Maschinen. (Von 1882 bis 1907 stieg in Deutschland die Zahl der Mähmaschinen von ungefähr 20‘000 auf 300‘000 und die Zahl der Dampfpflüge von 800 auf 3000.) Die schweizerische Bauernschaft hat mit ihren Bemühungen auch viel erreicht.
Zum Beispiel beträgt heute der durchschnittliche jährliche Milchertrag einer Kuh beinahe 1000 Liter mehr als 1866. Der Durchschnittswert einer Kuh stieg in 20 Jahren von 300 (1876) auf 438 Franken. Eine Hektare Ackerland trug um 1850 ungefähr sieben Hektoliter Korn, um 1900 beinahe 20. Der schweizerische Boden erzeugte um 1900 zwei- oder dreimal soviel als vor ungefähr 100 Jahren, obgleich weniger Menschen auf dem Lande arbeiten als einst.Den Mehreinnahmen stehen aber auch Mehrausgaben gegenüber, besonders für Kunstdünger, Kraftfutter, neue Maschinen und höhere Arbeitslöhne.