Im Unterland kommen Käsereien auf
In der „Käserei in der Vehfreude“ schrieb Jeremias Gotthelf um 1850:
« Bis zu Ende des verflossenen (18.) Jahrhunderts weidete man viel im Feld auf der Brache, in Wald und Weide, zog Rinder und Pferde auf. Da ward das sogenannte Kunstgras erfunden, das heißt Klee, Esparsette, Luzerne kamen ins Land, die Stallfütterung ward möglich, die Brachwirtschaft hörte auf, die Wälder wurden geschlossen, die Weiden urbar gemacht und Kartoffeln massenhaft gepflanzt, nicht bloß so gleichsam zum Dessert. Sobald das Vieh im Stalle war, gab es Dünger, dicken und dünnen; fleißig und verständig ward er angewandt, die Felder trugen alle Jahre mehr ab. Das urbare Land erweiterte sich, ebenso mehrte sich der Viehstand und namentlich die Kühe. Mit den Kühen mehrte sich die Milch.
Einst käsete man bloß auf den Alpen den Sommer durch, solange das Vieh zur Weide ging. In den Tälern glaubte man die Grasarten dazu untauglich. Jetzt aber kam man auf den Gedanken, ob die Milch von Kühen, welche mit Gras in Ställen gefüttert wurden, nicht ebenso gut zum Käsen tauge als die Milch von Kühen, welche auf Alpen zur Weide gingen. _
Oberst Rudolf von Effinger von Wildegg, Bauer, Soldat, Aristokrat, Oberamtmann, Ratsherr, schön und stark von Gesicht und Gestalt, praktisch durch und durch, kurz, ein Berner von reinstem Korn, errichtete die erste Käserei zu Kiesen, wo er Gutsbesitzer und auch Oberamtmann war, und die zweite in Wangen, wohin er als Oberamtmann versetzt wurde; Käsereien waren ihm Herzenssache. Wie üblich im Bernbiet, betrachtete man anfangs die Sache mit großem Mißtrauen, es fand sich wenig Nachahmung. Mit gerümpften Nasen ging man um die in Käsereien gemachten Käse herum und tat, als ob man ihren Geruch kaum ertragen könne. Die Händler gaben zu, daß die Dinger aussähen wie Käs, seien aber doch nicht Käs, könnten nicht in den eigentlichen Handel gebracht werden, wolle man nicht den Ruf der Emmentalerkäse gefährden. Indessen die Käsehändler sind sozusagen auch Menschen und dazu eben nicht dumm. Sie bohrten hier und da mit ihren Instrumenten einen der Käse vorsichtig an, betrachteten, ob er Löcher hätte, kosteten unter schrecklichen Gebärden ein kleines Stücklein, spuckten es dann klafterweit vom Leibe, liefen eilends zum nächsten Brunnen, um das Leben zu retten und überließen den Käsbauern die Mühe, den Zapfen sorgfältig wieder ins Loch zu schieben. Hier und da nahmen sie fast wie um Gottes Willen und um schlechten Preis einzelne Käse ab, etwas wurde mit Angst und Not Wirten im Lande abgesetzt, den Rest konnte man selbst essen.
Die Käsehändler machten nach und nach die Erfahrung, daß auch die feinsten Berliner und Petersburger Nasen den Unterschied zwischen Alpen- und Talkäse nicht merkten, daß der Käsereikäse prächtig im Ausland zu gebrauchen sei. Die Bauern schlugen nach und nach mit dem Preise auf. Die Käsereien mehrten sich stündlich. Käse ist jedenfalls der bedeutendste Ausfuhrartikel des Kantons Bern in diesem Augenblick. Einstweilen ist ein Käsegeschäft eines der besten, darum schießen alle Jahre neue Käsehändler auf, und wer nicht zu durstig dabei wird, kann reich werden.»