1. Zustände um 1800 und die Wandlungen bis 1870

In weiten Bezirken der schweizerischen Landschaft, wo heute Gras und Kunstheu wachsen, stand am Anfang des 19. Jahrhunderts Korn. Weder im Feld noch im Bauernhaus sah man Maschinen, weder zum Säen noch zum Mähen, Heuwenden, Dreschen oder Kartoffelgraben. Heuaufzüge, Holzfräsen, Traktoren, Milchzentrifugen waren unbekannt. In den Dörfern gab es keine Genossenschaftshauten, wo man Heu, Stroh, Kartoffeln, Kunstdünger, Eisenröhren und vieles andere einkaufte oder ablieferte. Im Flachland fehlten die heutigen Käsereien und Milchtransporte. Die sommerliche Stallfütterung im Unterland war noch nicht überall durchgeführt. Gar mancherorts hörte man das Vieh nachts auf den wenig gepflegten Gemeindegütern weiden. In den Ställen der schweizerischen Bauern standen durchschnittlich 750 000 Stück Rindvieh; 1926 waren es beinahe 1 590 000.

Wie 
kam es zu den Verhältnissen von heute?

Bis ungefähr zum Jahre 1870 waren die Zeiten für die Bauern im ganzen günstig. Die Bevölkerung der Schweiz nahm beständig zu und die Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse stiegen. Doch entstand eine gewisse Landnot, weil auch die bäuerliche Bevölkerung zunahm und damit die Nachfrage nach Bauerngütern wuchs. Der Landmangel wurde gemildert durch Güterteilungen, Auswanderung und vor allem durch besseres Ausnutzen des vorhandenen Bodens. Nach der Getreideernte ließ man auf den Äckern nicht einfach wachsen, was gerade wachsen wollte, sondern säte bestimmte abträgliche Futterpflanzen wie Esparsette, Klee, Luzerne. Dieser künstliche Futterbau, mit dem manche Gegenden auf den Rat von Gelehrten und Musterlandwirten schon im 18. Jahrhundert begonnen hatten, ermöglichte eine Vermehrung des Viehstandes.Die immer allgemeiner werdende Stallfütterung im Sommer, die das Gras schont („bei schlechtem Wetter nimmt der Fuß mehr als das Maul“) und den natürlichen Dünger besser verwertet, trug auch stark hierzu bei. Ebenso wirkten die künstlichen Düngemittel, vor allem die chemischen, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Gebrauch kamen. Der wachsende Viehbestand brachte einen größeren Milchertrag. Man verarbeitete ihn zu Käse, und zwar nicht mehr bloß wie bis dahin in den Alpengegenden, sondern auch im Flachland. 1815 wurde in Kiesen eine erste Talkäserei gegründet.

Nach zehn Jahren entstand eine zweite in Wangen an der Aare; dann folgten Trubschachen und Ennetbach bei Biglen. Im Jahre 1840 gab es im Kanton Bern schon 120, 1361 gar 400 Talkäsereien. In den Kantonen Thurgau. Aargau und Luzern wurden die ersten derartigen Käsereien kurz vor Mitte des Jahrhunderts errichtet. Rasch stieg nun die Käseproduktion an. Da sich mit Neben- und Abfallprodukten des Käsereibetriebes leicht Schweine mästen lassen, nahm deren Zahl stark zu.