1. Elektrizität und Elektrizitätswerke Hagneck, Spiez, Kandergrund . . .

Wie sollten wir uns heute im Gewerbe, in der Industrie und im Verkehrswesen helfen ohne elektrische Kraft! Für ein Land wie die Schweiz hat sie eine ganz besondere Bedeutung, weil wir keine Steinkohle besitzen. Im Anfang des 19. Jahrhunderts, als bei uns die Spinnmaschinen aufkamen, brauchte man zu ihrem Antrieb das Wasser. „Allenthalben, wo man eine Wasserkraft ausnutzen konnte“, so ward uns ja berichtet „stieg eine mechanische Spinnerei empor“. Nach einiger Zeit waren die günstigen Stellen an den Wasserläufen besetzt. Wie sollten sich nun die Gründer von neuen Fabriken einrichten? Unternehmungsfreudige Männer machten sich ans Werk. Sie versuchten, durch Seile, Gestänge und Zahnräder die Kraft auf größere Entfernungen zu übertragen. Es gelang nicht. So mußte man Dampfkraft- statt Wasserkraftmaschinen einführen. Der Betrieb war jedoch teuer wegen der hohen Auslagen für den Transport von Steinkohlen. Man konnte darum die Waren nicht so billig herstellen wie die ausländischen Fabriken. Inzwischen wurden auf dem Gebiete der Elektrizität wichtige Erfindungen gemacht. Ungefähr um 1890 brachte man es fertig, elektrische Kraft in weite Entfernungen nutzbringend hinzuleiten. Das war etwas ungemein Folgenreiches. Von jetzt an war es möglich, den Wasserreichtum viel besser auszunutzen: Man erzeugte an Ort und Stelle Elektrizität und transportierte diese dorthin, wo man sie gebrauchen wollte.

Wie immer wenn etwas Neues aufkommt, schlug den Unternehmungslustigen und Wagemutigen das Herz rascher. Zu diesen Unternehmungslustigen gehörten damals zum Beispiel Charles Brown, seine Söhne und W. Boveri, Besitzer einer Fabrik für elektrische Einrichtungen und Maschinen in Baden. Sie mögen in mancher Nacht vor Erregung und Spannung aufgewacht sein und ihren Plänen nachgedacht haben. Im Jahre 1896 gründeten sie gemeinsam mit in- und ausländischen Bankhäusern eine Aktiengesellschaft für angewandte Elektrizität. Sie erhielt den Namen „Motor“ und setzte sich zum Ziel, allerhand Werke und Unternehmungen auf dem Gebiete der Elektrizität ins Leben zu rufen, zu betreiben, zu kaufen und zu verkaufen. Eine Bestimmung des Vertrages erklärte: Maschinen und Apparate hat die Firma Brown-Boveri zu liefern. Man kann den „Motor“ ein wenig vergleichen mit dem Zusammenschluß einer Reihe von Handwerkern (Maurer, Zimmermann, Schreiner, Schlosser, Spengler, Installateur), die auf Vorrat Häuser bauen und sie dann veräußern oder vermieten.

Wagemut und Unternehmungsfreude ergriff auch einige Gemeinderäte in Nidau, Täuffelen, Hagneck, Biel, Erlach und Neuenstadt. Sie hatten von der neuen, wunderbaren Kraft und den Fortschritten in ihrer Verwendung gehört. Und nun stellten sie ihren Mitbürgern vor: Wir wollen zu Hagneck an der Aare ein eigenes Elektrizitätswerk errichten, um uns selbst mit Licht und Kraft zu versorgen. Entschließen wir uns nicht rechtzeitig hierzu, so werden fremde Unternehmer kommen und uns abhängig machen. Schon im Jahr 1891 bewilligte der bernische Regierungsrat diesen sechs Gemeinden, ein solches Werk anzulegen. Sie ließen Pläne ausarbeiten, konnten sie aber nicht aus eigenen Mitteln und auf eigene Rechnung durchführen. Umsonst unterhandelten sie mit verschiedenen Banken und Unternehmern. Man traute der Sache nicht recht. Vor allem fürchtete man, die erzeugte Kraft lasse sich nicht absetzen. Im Jahre 1896 schlossen sie mit dem eben gegründeten „Motor“ einen Vertrag. Die Männer, welche dieser Gesellschaft angehörten, fürchteten sich nicht. Sie waren überzeugt: Der Verbrauch an elektrischer Kraft wird sich sehr rasch durchsetzen und steigern. Der „Motor“ verpflichtete sich, das notwendige Geld zu beschaffen und das Werk zu bauen. Zu diesem Zwecke gründete er eine Aktiengesellschaft „Elektrizitätswerk Hagneck“. 1899 wurde der Betrieb eröffnet. Die Gemeinden erhielten eine Vergünstigung beim Energiebezug. In den ersten Jahren konnte man nur einen Teil der verfügbaren Kraft verkaufen. Aber schon 1903 wurde das anders. Die Leiter des Unternehmens erkannten, daß sie die Nachfrage bald nicht mehr befriedigen und das Hagneckwerk doch nicht vergrößern konnten. Hingegen war es möglich, sich mit einem andern Elektrizitätswerk, das ausgebaut werden konnte, zu verbinden. Ein solches Werk war die Kraftanlage an der Kander bei Spiez. Es war ebenfalls durch den „Motor“, und zwar auf eigene Rechnung, erstellt und auch 1899 eröffnet worden. Es lieferte vor allem die Kraft zum Betrieb der Burgdorf-Thun-Bahn. Das war die erste elektrische Normalspurbahn der Erde.


Wichtig war nun, daß der „Motor“ von der bernischen Kantonalbank ein Darlehen von zwei Millionen Franken auf sein Spiezerwerk erbat. Um festzustellen, ob man auf dieses Werk so viel Geld leihen dürfe, beauftragte die Bank vier Männer, die Anlage genau zu untersuchen und dann eine Reihe von Fragen zu beantworten, zum Beispiel: Welchen Wert hat das Werk? Wie rentiert es? Wieviel Kraft kann es erzeugen, wenn, wie geplant, im Spiezmoos ein Reservoir erstellt und die Simme hergeleitet würde? Die Kommission erstattete einen genauen Bericht. So lernte die Staatsbank das Werk mit seinen Vor- und Nachteilen gründlich kennen. Das sollte bald von Bedeutung werden.


Die Aktiengesellschaft „Elektrizitätswerk Hagneck“ entschloß sich nämlich, das Spiezerwerk zu kaufen. Wie sollte sie aber das notwendige Geld hierzu aufbringen? Die Kantonalbank verschaffte es, das heißt, sie und der Staat Bern übernahmen den größten Teil der Aktien. So wurde der Kanton indirekt zum Hauptbesitzer der beiden wertvollen Werke. Er ordnete darum auch eine Anzahl Männer in den Verwaltungsrat, der die Geschäfte zu beraten hatte, ab. Die neue Firma nannte sich später „Bernische Kraftwerke A.G.“. Nachdem die Anlage in Spiez sehr stark vergrößert worden war, baute die Gesellschaft 1908 bis 1911 das Hochdruckwerk Kandergrund. Es diente vor allem dazu, die Lötschbergbahn, die in jenen Jahren im Baue stand, mit Kraft zu versorgen. Da die Nachfrage nach elektrischer Energie beständig wuchs, ganz besonders auch während des Krieges, sah sich die Gesellschaft genötigt, noch weitere Werke zu schaffen. So Kallnach (1909-1913), Mühleberg bei Bern (1917 bis 1921) und Handeck (1925¬1932). Überdies pachtete oder kaufte sie noch einige kleinere Anlagen, zum Beispiel das Elektrizitätswerk Bannwil, das eine Aktiengesellschaft in Wangen an der Aare gebaut hatte (1899-1904).