Regelung der Arbeitszeit in Zürich und Glarus
Ähnlich wie die englischen Behörden, erließen auch die schweizerischen, Verordnungen über die Fabrikarbeit. So schrieb im Jahre 1815 der Kanton Zürich zum Beispiel vor: Kinder sollen nicht vor dem zehnten Jahre in Fabriken aufgenommen und hier nicht über 12 bis 14 Stunden beschäftigt werden. Später wurde auch die Arbeit der Erwachsenen geregelt.
Ein glarnerisches Fabrikgesetz von 1848 bestimmte:
«Wir, Landammann und Rat, haben beschlossen und verordnen anmit: In allen Spinnereien, wo Tag und Nacht gearbeitet wird, darf kein Arbeiter länger als 13 Stunden tags und 11 Stunden nachts in Anspruch genommen werden.
ln Spinnereien, wo nicht Tag und Nacht gearbeitet wird, dürfen Personen unter 14 Jahren höchstens 13, ältere Arbeiter höchstens 14 Stunden zur Arbeit angehalten werden. Kinder, die zum Besuche der Alltagsschule verpflichtet sind (unter 12 Jahren), dürfen weder zur Tages- noch zur Nachtzeit in Spinnereien verwendet werden.»
Die Glarner geben sich mit der neuen Fabrikordnung nicht zufrieden
Das Gesetz von 1848 befriedigte nicht lange. Selbst manche Fabrikanten waren der Meinung, man müsse den Arbeitern weiter entgegenkommen. Da war zum Beispiel ein junger Fabrikbesitzer, der bei einem längeren Aufenthalt in England dessen Fabrikgesetze kennen gelernt hatte. Zu Hause machte er nun mit Begeisterung Verbesserungsvorschläge, die bei der Arbeiterschaft Anklang fanden.
Im Januar 1863 schlossen sich vier einfache Fabrikarbeiter zusammen und reichten dem Landrat eine Eingabe ein, in der sie unter anderem eine tägliche Arbeitszeit von elf Stunden verlangten. Nach ungefähr einem Jahre begann diese Behörde, ein neues Gesetz zu beraten. Gegen die Verkürzung der Arbeitszeit und das vorgeschlagene Verbot der Nachtarbeit machten die Fabrikbesitzer geltend:
Wir müßten kleinere Löhne bezahlen oder könnten die Konkurrenz der andern Kantone und des Auslandes nicht aushalten; die Arbeit in den Spinnereien ist nicht anstrengend; der Arbeiter beaufsichtigt nur die Maschine. Wenn jemand durch Nachtarbeit oder durch längere Arbeit überhaupt mehr verdienen will, muß man ihn gewähren lassen, sonst verletzt man ein Urrecht des freigeborenen Mannes und bevogtet ihn.
Die Anhänger der Neuerung erwiderten: Das Schlimme an der Fabrikarbeit ist die Einförmigkeit und der beständige Aufenthalt in geschlossenen Räumen. Der Lohn braucht bei kürzerer Arbeitszeit nicht herabgesetzt zu werden; denn als Konkurrent ist nur England gefährlich, und das hat eine kürzere Arbeitszeit und bezahlt höhere Löhne. Die andern schweizerischen Kantone, vor allem Zürich, werden das glarnerische Beispiel befolgen; denn die Arbeiter werden dort die gleichen Forderungen stellen. Daß man mit der gesetzlichen Regelung der Arbeitszeit die Freiheit des Mannes verletze, ist eine bloße Ausrede. Die Fabrikanten wehren sich nur für ihre Gewinne.
Im Mai 1864 beschäftigte sich eine große Landsgemeinde von etwa 6‘000 Mann mit der Arbeiterfrage. Es herrschte eine starke Erregung. Als die Gegner der angestrebten Neuordnung reden wollten, ertönte der Ruf: „Abe, abe, wir wollen scheiden“ (abstimmen).
Mit gewaltigem Mehr nahm die Landsgemeinde die arbeiterfreundlichen Vorschläge an. Sie bestimmten unter anderem, daß die Arbeitszeit in den Fabriken nicht mehr als zwölf Stunden täglich betragen dürfe, und daß von Zeit zu Zeit Fabrikinspektionen vorgenommen werden sollten.