2. Die ersten Fabriken
Um 1764 oder 1765 erfand ein englischer Spulenmacher eine Spinnmaschine, die sogenannte Jenny. Es war eine ziemlich unbebolfene Vorrichtung. Sie mußte von Hand in Bewegung gesetzt werden, hatte aber 6 und bald 25 Spindeln statt nur eine wie das gewöhnliche Handspinnrad. Rasch wurde sie verbessert und seit 1785 mit der eben erfundenen Dampfmaschine verbunden. Schon vorher hatten einzelne Unternehmer angefangen, Jennies in großen Gebäuden aufzustellen und mit Pferden oder Wasserkraft zu betreiben. Damit waren die ersten Fabriken entstanden.
lm Vergleich zu den Spinnrädern lieferten die Spinnmaschinen gewaltige Mengen Garn. So sanken die Auslagen für die Arbeitslöhne und damit auch die Garnpreise. Das hatte zur Folge, daß die Handspinner neben den Spinnmaschinen nicht mehr bestehen konnten. Sie mußten in der Fabrik Arbeit suchen. Allein weil sich eine Masse von Arbeitern anboten und sich so gegenseitig Konkurrenz machten, zahlten die Fabrikanten nur ganz niedrige Löhne aus.
Die Arbeiter, die bis dahin weit zerstreut auf dem Lande herum wohnten, siedelten sich in der Nähe der städtischen Fabrik an. So wuchsen die alten Städte, oder es bildeten sich auch neue an günstigen Verkehrswegen.
In den Jahren, da die Spinnmaschinen aufkamen, ging es den Webern gut. Denn es waren jetzt massenhafte Vorräte an Garn zu verarbeiten, während früher die Weber so oft auf die Spinnerinnen hatten warten müssen. (Ein Weber hatte einst drei Spinnerinnen beschäftigen können.) Die Arbeitslöhne der Weber stiegen. Sie begannen deshalb, sich ausschließlich dem Weben zu widmen. Sie verkauften ihre Gütlein, gaben alle Landwirtschaft auf und freuten sich eine Weile der guten Zeiten.
Allein 1786 erfand ein englischer Landpfarrer (Cartwright) einen mechanischen Webstuhl. Um 1804 war dieser so weit verbessert, daß er mit den Handwebstühlen konkurrieren und sie allmählich überflügeln konnte.
So sanken nun auch die Weberlöhne beständig. Ein Weber nach dem andern ließ seinen Stuhl stehen oder warf ihn zornig in die Rumpelkammer und bat, wie vorher der Spinner, in der Fabrik um Arbeit. Ein Teil der Bittenden erhielt auch solche, aber lange nicht alle; denn die Maschine machte zunächst ganze Massen von Arbeitern entbehrlich. Dazu kam, daß die Fabrikanten zu mancherlei Verrichtungen lieber Frauen und Kinder anstellten. Gleich hielten es die Grubenbesitzer, die zum Bau und Betrieb von Maschinen nun weit mehr Eisen und Kohle zu fördern hatten als einst.
Die staatlichen Behörden erließen keine Lohnvorschriften mehr; denn seit der Französischen Revolution war der Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit aufgekommen. All denen, die ein größeres oder kleineres Gewerbe, ein Geschäft, eine Fabrik betrieben, war dieser Grundsatz überaus erwünscht. So konnte sie keine alte Zunft, kein lästiges Gesetz und kein Reglement einengen. Den verdienstlosen Arbeitern dagegen nützte die Handels- und Gewerbefreiheit nichts; denn sie besaßen das Geld, das Kapital, nicht, das notwendig war, um einen eigenen Betrieb einzurichten. Dieses Kapital war früher viel eher zu beschaffen gewesen. Ein einfacher Holzwebstuhl zum Beispiel hatte etwa 40 Franken gekostet. 100 Arbeiter hatten an Kapital also nicht viel mehr als 4000 Franken gebraucht. Um 100 Arbeiter in einer Maschinenwebanstalt mit den notwendigen Maschinen und Geräten auszurüsten, dazu aber gehörten bald Hunderttausende von Franken. Nur wenige konnten und können so viel Geld aufbringen. Und so gibt es seit dem Aufkommen der Maschine und des Großbetriebes zwei neue Klassen, die einander oft feindlich gegenüber stehen: Eine kleine Zahl von Betriebsbesitzern, von Unternehmern auf eigene Rechnung, und eine große Zahl von „Besitzlosen“, von Lohnarbeitern (Tabellen 3-8).
Diese im Wirtschaftsleben Unselbständigen hatten jahrzehntelang ein schweres Los zu tragen