1. Die Zeit vor der Maschine

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts sah in Europa vieles anders aus als heute: Es rollten noch keine Eisenbahnzüge von Ort zu Ort; nur schmale Straßen wanden sich durchs Land; keine Telephon- und Telegraphenstangen begleiteten sie; quer durch die Felder führten keine Leitungen für elektrisches Licht und elektrische Kraft; es bestanden viel weniger und viel kleinere Städte. Sie streckten keine Außenquartiere in die freie Landschaft hinaus, sondern schlossen sich von dieser in der Regel streng ab durch altersgraue Ringmauern. Der Reisende stieß nirgends auf einförmige Fabrikgebäude mit hochragenden und rauchenden Schloten. Es ertönten noch keine Fabriksirenen, und man sah beim Beginn des Tagewerks keine Arbeiterscharen dem gemeinsamen Arbeitsraum zueilen. Es gab noch keinen solchen Arbeiterstand, noch keine solche Arbeiterklasse wie heute.

Der weitaus größte Teil der damals Lebenden war auf Acker-, Wies- und Weidland, im Stall, im Wald und im Bergwerk beschäftigt. Neben diesen landwirtschaftlich Tätigen gab es zu Stadt und Land Handwerker, Hausindustrielle, Krämer und Handelsleute. Lehrling, Gesell und Handelsangestellter lebten mit Meister oder Prinzipal fast immer noch unter dem gleichen Dache und aßen mit ihm am gleichen Tische. Wollten sie abends ausgehen, so hatten sie um Erlaubnis zu fragen. Um neun Uhr mußten sie zu Hause sein und unter Umständen ihrem Herrn erzählen, wo sie gewesen seien. Die Zunft bestimmte die Zahl der Lehrlinge und Gesellen so, daß in der Regel jeder einmal Meister werden konnte.

Als wichtigste Hausindustrien betrieb man schon seit langem das Spinnen und Weben für Auftraggeber, die das Rohmaterial beschafften und hernach die erzeugten Garne und Tücher gegen Entrichtung des Arbeitslohnes wieder entgegennahmen. Oft eilten besondere Angestellte (Fergger) mit den Warenballen auf dem Rücken oder auf einem Karren zwischen dem Herrn in der Stadt und den weit im Lande herum wohnenden Bearbeiter-n hin und her. Fast ausnahmslos bebauten diese Spinner und Weber nebenbei ein Stücklein Land, hielten eine Kuh oder eine Ziege und pflegten ein Gärtlein. In der Schweiz besaßen sie ihr Land meist zu eigen; in England waren sie lebenslängliche Pächter. Wo die Arbeitgeber zu geringe Löhne ausrichten wollten, erließen die staatlichen Behörden Vorschriften, „um dem unchristlichen Beginnen derjenigen Handelsleute vorzubeugen, die eine Zeit her die armen Arbeitsleut mit Schmälerung ihres Löhnli hart beschwert haben“. So 1674 in Zürich. Es kam immerhin vor, daß Weber und Spinner in schlechten Zeiten Mangel litten; aber im allgemeinen fanden sie ihr gesichertes Brot. - Da trat ein großer Wandel ein.