Die Bourbaki-Soldaten in der Schweiz

Bei Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges teilten unsere obersten Behörden dem Ausland sogleich mit: Die Eidgenossenschaft bleibt neutral. Gleichzeitig wählte die Bundesversammlung Oberst Hans Herzog aus Aarau zum General und ließ die Grenze besetzen. Anfangs Februar 1871 willigte dieser ein, daß die umzingelte französische Armee des Generals Bourbaki nach Abgabe der Waffen auf Schweizerboden übertrete. Es waren gegen 90‘000 Mann mit 12 000 Pferden und 300 Geschützen.

Der früher erwähnte Eduard Bähler, damals Arzt und Stadtpräsident in Biel, erzählt:

« Im Februar kam die Nachricht, bei Verrières seien die Franzosen zu Tausenden auf Schweizerboden eingetroffen. Zugleich langte ein Telegramm vom Militärkommando an den Gemeinderat an, man solle sofort so viel Brot, als man backen könne, mit der Bahn nach Neuenburg senden. Die beiden Gemeindepolizeidiener Moll und Knebel mußten sich auf die Beine machen und sämtlichen Bäckern die Weisung zustellen, die dann auch ohne weiteres die Öfen heizten und dem Befehl nachkamen. Noch am selben Tage traf ein zweites Telegramm ein mit dem Inhalt: Abends Ankunft von 1200 Internierten, über Nacht kantonnementsweise zu verpflegen. Auf dem Bahnhof fuhr Zug für Zug von Soldaten nach der Mittel- und Ostschweiz durch.

Jetzt galt Eile. Als Ratspräsident berief ich sofort zwölf hiesige willige Bürger, die etwas vom Militärdienst verstanden, aufs Rathaus, legte ihnen die Sachlage dar und erteilte ihnen die nötigen Weisungen. Eine Abteilung bestellte die Kantonnementslokale, eine andere Holz und Stroh, eine dritte Brot, eine vierte Fleisch. Zwei Stunden später war Zusammenkunft, und siehe da, alles war in Ordnung. Als Lokale waren hergerichtet und geheizt worden der Tanzsaal bei Römer, die deutsche und die katholische Kirche, das Schützenhaus usw. Gegen Abend gingen wir zum Bahnübergang am See der anlangenden Kolonne entgegen. Herrgott, was waren das für Soldaten! Abgehetzt, müde, lahm sich fortschleppend, die meisten ohne Tornister, nur im Nastuch ein Päcklein eingebunden. Neben ihnen schritt, auf etwa 10 bis 15 Mann, ein schweizerischer Milizsoldat mit aufgepflanztem Bajonett und geladenem Gewehr. Beim Bahnübergang wurde sozusagen ohne Halt abgezählt - 400 Mann hierhin, 300 dorthin, en avant marche! So konnten die warmen Kantonnemente sofort bezogen und Suppe, Brot und Fleisch ohne weiteres ausgeteilt werden. Nun fing in den Kantonnementen ein Husten an, das die ganze Nacht andauern sollte. Das Volk nannte das sofort Bourbakihusten.

Unterdessen waren auch die barmherzigen Frauen mit heißem Tee, Kaffee, Grog, Zucker, Socken und dergleichen den Kantonnementen nachgegangen und hatten ausgeteilt, was auszuteilen war. Am Morgen sollten die Angekommenen weitermarschieren, damit am Abend die neu anlangende Kolonne Aufnahme finden könnte. Da erhoben sich aber am zweiten Tage Schwierigkeiten, weil die Leute nicht mehr fort wollten. Unsere Aufseher hatten jedoch strengen Befehl, bis Mittags die Lokale jeweilen zu leeren und frisch in Stand zu setzen. Es hielt schwer, die Leute aus dem warmen Stroh herauszubringen. Einige waren schwer krank, andere weniger, aber doch marschunfähig und viele einfach zu faul und bequem. Die Schwerkranken kamen in das Spital. Die bloß Faulen und Bequemen jagte man unbarmherzig auf und stellte sie auf die Straße. Für die leicht Erkrankten bestellte man einen Bahnzug und schickte sie freundeidgenössisch den Soluthurnern zu. Was sie mit ihnen anfingen, kümmerte uns nicht; wir mußten eben den Tag für Tag von Neuenburg anlangenden neuen 1200 Mann wieder Platz bereit halten. Auf diese Weise ging die Verpfle-gung und Spedition von über 6000 Infanteristen und Kavalleristen in sechs aufeinanderfolgenden Tagen leidlich vonstatten.

Nach diesen stürmischen Tagen wurden die verschiedenen ausgestellten Gutscheine eingesammelt und nach einigen Wochen mit 8214 Franken vergütet. Was aber überdies die Wohltätigkeit des einzelnen und die Sammlungen für die Notleidenden des Kriegsschauplatzes leisteten, steht im Himmel aufgeschrieben.»

 

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