Der Deutsch-Französische Krieg

Napoleon und seine Politiker fühlten sich dadurch betroffen, daß sie im preußisch-österreichischen Krieg und auch nachher die gewünschte Gebietserweiteruııg nicht erhalten hatten. Auch war ihnen 
das mächtig aufsteigende Preußen mit seinem norddeutschen Bund ein Dorn im Auge. In ihrem Groll erhoben sie den Ruf: Vergeltung für Königgrätz! Sie brannten darauf, diese Niederlage wieder wett zu machen.

Bismarck hegte ebenfalls schwere Gedanken. Er vergaß nicht, daß vor allem Frankreich die vollständige Einigung Deutschlands hintertrieben hatte. Er wußte, daß sie auch künftig nur gegen den Willen Frankreichs verwirklicht werden konnte. So ergab sich zwischen den zwei Mächten, die beide nach dem Vorrang in Europa strebten, eine starke Spannung. Jede suchte die andere zu demütigen. Eine Gelegenheit hierzu bot sich, als die Spanier einen Prinzen aus dem Fürstenhaus der Hohenzollern, dem Wilhelm I. mit angehörte, zu ihrem König beriefen. - Bismarck hatte sie im geheimen hierzu eifrig ermutigt, weil das die Macht Deutschlands verstärkt hätte. (In einem deutsch-französischen Krieg hätte Frankreich künftig nämlich Truppen an den spanischen Grenzen stehen lassen müssen, wenn ein Hohenzoller dorte regierte.)

Wilhelm I. gab dem Auserkorenen nach längerem Zögern die Erlaubnis, die Krone anzunehmen. Die französischen Politiker erklärten: Das ist eine Beleidigung Frankreichs. Darauf verzichtete der Prinz auf die Krone. Allein die Leiter der französischen Politik gaben sich hiermit noch nicht zufrieden, sondern stellten neue Forderungen. Unter anderem muteten sie dem König von Preußen zu, an Kaiser Napoleon einen Entschuldigungsbrief zu richten. Sie wünschten, der Welt so recht deutlich zu zeigen, daß Deutschland sich vor Frankreich beugen müsse. Eines Tages begegnete der französische Botschafter König Wilhelm auf einem Spaziergange im Bade Ems. Der Botschafter hielt den Monarchen auf und verlangte von ihm, er solle sich für alle Zukunft verpflichten, niemals wieder einen Hohenzollern zu erlauben, die spanische Krone anzunehmen. Wilhelm wies ihn ab und beschloß darauf, den Botschafter in dieser Angelegenheit nicht mehr zu empfangen. Der König ließ den Vorfall telegraphisch an Bismarck melden. Die Depesche schloß mit der Bemerkung, es sei ihm überlassen, ob er den Gesandten und den Zeitungen hiervon Mitteilung machen wolle oder nicht.

Bismarck hatte eben den Kriegsminister und den Generalstabschef Moltke bei sich zum Essen eingeladen. Alle drei waren sehr niedergeschlagen darüber, daß der Prinz auf den spanischen Thron verzichtet hatte. Sie betrachteten das als eine schwere Schlappe Deutschlands. Bismarck dachte daran, von seinem Amte zurückzutreten. Da traf das Telegramm des Königs ein. Bismarck las es seinen Gästen vor. Sie wurden noch stiller und kleinlauter und mochten weder essen noch trinken. Indessen durchging Bismarck das Schriftstück mehrmals, prüfte es und verweilte insbesondere beim Schluß. Dann stellte er einige Fragen an Moltke, wie es mit den Rüstungen stehe, was für ein Vertrauen er in sie habe und wie rasch man ins Feld rücken könnte. Moltke erklärte, ein schneller Kriegsausbruch sei günstiger als ein verschleppter.

Darauf griff Bismarck zu einem Stift, kürzte die eben angekommene Depesche, brauchte da und dort etwas andere Worte und las sie wieder vor, worauf Moltke bemerkte: „So hat das einen andern Klang; es tönt nun wie eine Fanfare“. Bismarck wußte: Wenn er die so gefaßte Nachricht von der Abweisung des französischen Botschafters veröffentlichte, reizte das die Franzosen dermaßen, daß sie den Krieg erklärten. Das aber wünschte er gerade. „Es ist wichtig, daß wir die Angegriffenen seien“, so bemerkte er zu seinen Gästen. Diese wurden plötzlich sehr lebhaft. Der sonst so gemessene Moltke schlug sich mit der Hand vor die Brust und gestand, daß es sein höchster Wunsch sei, in einem solchen Kriege die deutschen Heere zu führen. - Am andern Tage konnte man in allen großen Zeitungen Europas Bismarcks Zeilen lesen. Wie vorausgesehen, übergab Frankreich die Kriegserklärung. In den Herzen der Nord- und der Süddeutschen flammte Begeisterung.

Darauf hatte Bismarck gewartet. Bald rückten sie Schulter an Schulter ins Feld. Alles war gut vorbereitet, während bei den Franzosen größte Unordnung herrschte. Die deutschen Armeen errangen sogleich eine Reihe von Siegen. In Sedan umzingelten sie ein französisches Heer von über 100 000 Mann. Bei ihm befand sich auch Kaiser Napoleon. Er schrieb an Wilhelm I.: „Da ich nicht in der Mitte meiner Armee sterben konnte, so lege ich meinen Degen in die Hände Eurer Majestät“, und traf am 2. September, begleitet von einem kleinen Gefolge, persönlich mit Bismarck und dem König zusammen. Moltke und Bismarck unterhandelten mit dem französischen General, der an Napoleons Stelle den Oberbefehl führte. Das ganze eingeschlossene Heer hatte sich gefangen zu geben. Nach zwei Tagen brach in Paris die Revolution aus: Napoleon wurde abgesetzt. Eine provisorische Regierung ergriff das Ruder.

Nach der Schlacht bei Sedan drangen die deutschen Heere gegen Paris vor und schlossen die gewaltige Festung ein. Ein Mitglied der neuen französischen Regierung, der junge tatenlustige Gambetta, verließ in einem Luftballon die Stadt und versuchte, das ganze Volk zum Widerstand gegen den Feind aufzurufen und Ersatzarmeen gegen Paris zu führen. Er ordnete Rekrutenaushebungen an, schrieb Kriegssteuern aus und schreckte die Säumigen durch Strafandrohungen. Allein all diese Anstrengungen hatten keinen dauernden Erfolg. Ein französisches Heer nach dem andern wurde geschlagen. Das letzte, auf das Frankreich seine Hoffnung setzte, mußte unter General Bourbaki im Februar 1871 in Not und Elend auf Schweizerboden entfliehen, nachdem es an der Grenze die Waffen abgeliefert hatte. Am 1. März zogen deutsche Truppen in Paris ein. Da und dort stieß die herbeigeströmte Volksmenge zornige Verwünschungen aus. Wien war der Einmarsch der Sieger erspart worden.


In dieser Zeit kam ein Vorfriede zustande, der dann später in Frankfurt bestätigt wurde. Bei den Verhandlungen betonte Bismarck: Unser Volk hat den Krieg nicht gewollt; Frankreich hat ihn erzwungen; wir begehren aber künftig, in Ruhe und Frieden leben zu können. Darum muß uns der Angreifer Sicherheiten - Garantien - geben. Er sprach ungefähr so, wie die Franzosen nach dem Weltkrieg gegenüber Deutschland gesprochen haben. Frankreich mußte eine bedeutende Kriegsentschädigung entrichten und das Elsaß und einen Teil von Lothringen mit den wichtigen Festungen Straßburg, Metz und Diedenhofen abtreten. Das Gebiet umfaßte einen Flächenraum von etwas mehr als einem Drittel der Schweiz und zählte damals 1 ½ Millionen Einwohner. Die französischen Politiker haben diese Niederlage nie verwunden. Sie legte den Grund zu einer dauernden Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich, die zum Ausbruch des Weltkrieges viel beigetragen hat.

Lange vor dem Friedensschluß, als das Blut auf den Schlachtfeldern rauchte und das ganze deutsche Volk sich in einer außergewöhnlichen Geistesverfassung befand, begann Bismarck mit den süddeutschen Staaten über die Gründung eines geeinigten deutschen Kaiserreiches zu verhandeln. Am 18.Januar 1871 wurde es im Spiegelsaal zu Versailles ausgerufen, in Anwesenheit zahlreicher Fürsten und Offiziere aller Grade. Ein Geistlicher leitete die Feier ein. Dann verlas Bismarck eine Erklärung Wilhelms I., er übernehme fortan nach dem Willen der Fürsten die Kaiserwürde. Der Großherzog von Baden brachte ein Hoch auf „Kaiser Wilhelm“ aus. Die Versammlung stimmte begeistert ein. - In der Ferne hörte man Kanonen donnern.

Im neuen Bunde führte Preußen das erste Wort. Ohne seine Zustimmung konnte z. B. die von Bismarck entworfene Reichsverfassung nicht abgeändert werden, und Post-, Heer- und Zollwesen wurden zum größten Teil nach preußischem Muster geordnet. All das hatte zur Folge, daß im deutschen Reiche überhaupt die preußische Geistesart, das Streben nach militärischer und politischer Macht, sehr stark zur Geltung kam.

 

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