Der preußisch-österreichische Krieg (1866)
Schon als Gesandter am deutschen Bundestag faßte Bismarck den Gedanken: Gegenüber Österreich soll Preußen nicht länger nachgiebig sein. Es muß, im Gegenteil, die Führung in Deutschland erringen, wenn nötig mit Waffengewalt; denn „nicht durch Reden und Mehrheitsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden, sondern durch Eisen und Blut“. So erklärte er bei seinem Amtsantritt. Durch Eisen und Blut wollte er auch die innere Spannung zwischen Preußen und Österreich entscheiden. Bismarck wünschte Krieg. Ein Anlaß fand sich leicht. Allein der König, seine Angehörigen und Verwandten, die verschiedensten Behörden, ja fast das gesamte preußische Volk betrachteten einen solchen Kampf als Bruderkrieg und verabscheuten ihn. Bismarck stand damals beinahe allein und war überall verhaßt. Man nannte ihn einen gewissenlosen, waghalsigen Frevler. Nach zähem Ringen gelang es ihm aber schließlich doch. den König für seine Pläne zu gewinnen. So stark kann ein einzelner Mann das geschichtliche Geschehen lenken.
Bismarck wußte, daß der Krieg für Preußen eine große Gefahr bedeutete. Er schaute sich darum nach Hilfe um. Neben Preußen gab es in Europa noch ein Land, das eine Niederlage Österreichs wünschte. Das war Italien. Es konnte seine Einigung nur dann vollenden, wenn die Österreicher ganz von seinem Boden vertrieben wurden.
Ein Anfang hierzu war schon gemacht. im Jahre 1858 hatte Cavour, der Minister des Königs von Sardinien-Piemont, den damaligen Kaiser von Frankreich, Napoleon III. (einen Neffen Napoleons I.), zum Bundesgenossen gegen Österreich gewonnen. Im folgenden Jahr eröffneten Frankreich und Sardinien-Piemont gemeinsam den Krieg und schlugen das österreichische Heer in der blutigen Schlacht von Solferino in der Poebene. Darauf mußte Österreich die Lombardei an Sardinien-Piemont abtreten. Dieses aber überließ an Napoleon III. als Lohn für seine Hilfe Nizza und Savoyen.
Bald wurden auch die übrigen Fürsten der verschiedenen italienischen Staaten verdrängt. In großen Volksabstimmungen erklärten ihre Untertanen mit Jubel und gewaltigem Mehr ihren Wunsch, dem einigen Italien anzugehören. Zu seinem König wurde der bisherige Herrscher von Sardinien-Piemont ausgerufen. Ums Jahr 1866 fehlte dem neuen Staatswesen noch Rom mit seiner Umgebung und Venezien. In Rom behauptete der Papst seine Herrschaft. In Venezien regierte Österreich. Bismarck schloß nun im Jahre 1866 mit Italien einen Vertrag. Dieses versprach, Preußen beizustehen, wenn es zwischen ihm und Österreich zu einem Waffengang komme. Im Juni des gleichen Jahres brach der Krieg aus. Bismarck bemerkte: „Wenn wir geschlagen werden, kehre ich nicht zurück. Ich werde beim letzten Angriff fallen“. Er wußte, was er gewagt hatte und was auf dem „Spiele“ stand.
Die wichtigste Entscheidung fiel in Böhmen (bei Königgrätz). Die Preußen siegten. Die Heerführer wünschten nun, triumphierend mit flatternden Fahnen in Wien einzuziehen, und der König gedachte, um jeden Preis österreichische Gebiete wegzunehmen. Auch Bayern, das besonders eifrig zu Österreich gehalten hatte, wollte er zu Landabtretungen zwingen. Bismarck kämpfte hiegegen aufs heftigste„ zu Zeiten förmlich verzweifelt.
Er wollte Österreich nur aus dem deutschen Bunde hinausdrängen, im übrigen aber schonen, um es nicht dauernd zum Feinde zu machen. Und die süddeutschen Staaten (Bayern, Württemberg und Baden) wollte er nicht verletzen, damit sie sich früher oder später als Glieder des geeinigten deutschen Reiches gewinnen ließen. Gefährlich für Preußen war, daß Napoleon sich jetzt einmischte. Er wollte vermitteln und verlangte als Lohn hierfür einige deutsche Gebiete. Bismarck willigte nicht ein und mußte darum fürchten, mit dem abgewiesenen Frankreich werden sich Österreich und die süddeutschen Staaten gegen Preußen verbinden, falls es ihnen einen harten Frieden auferlegte.
So drohte dem Unternehmen Bismarcks eine schwere Niederlage. Er beschwor darum den König, nicht zu viel zu fordern. Nach einer Sitzung des Kriegsrates, der Bismarcks Vorschläge abzulehnen schien, begab sich dieser voll Verzweiflung in sein Zimmer und brach in ein krampfhaftes Schluchzen aus. Es kam ihn die Versuchung an, sich aus einem offen stehenden Fenster des vierten Stockes hinunterzustürzen. In diesem Augenblick trat der Kronprinz ins Gemach, legte ihm die Hand auf die Schulter und versprach, bei seinem Vater Bismarcks Meinung zu vertreten. Der König gab schließlich nach, indem er bissig bemerkte:
„Da mein erster Minister mich vor dem Feinde im Stiche läßt und mein Sohn ihm beipflichtet, sehe ich mich zu meinem Schmerze gezwungen, nach so glänzenden Siegen der Armee in diesen sauren Apfel zu beißen und einen derart schmachvollen Frieden anzunehmen“. - So große Gewalt übte Bismarck über seinen Herrn aus. Österreich und die süddeutschen Staaten mußten an Preußen nur Kriegsentschädigungen bezahlen. Hingegen verlor Österreich Venezien an das Königreich Italien. Im Jahre 1870 eroberte dieses noch Rom und erlangte damit seine Einheit. Preußen verleibte seinem Gebiet einige deutsche Staaten ein, die auf der Gegenseite gekämpft hatten. Bei der italienischen Einigung konnte die Bevölkerung der kleinen Staaten abstimmen; hier durfte sie‘s nicht. Sie hätte sich sonst zum größten Teil gegen den Anschluß an Preußen ausgesprochen. – Wo Bismarck die Gewalt besaß, kümmerte er sich eben nicht lange um die Wünsche des Volkes. Die Freiheit galt ihm nichts, die Größe und die Macht Preußens waren ihm alles. - Mit den andern norddeutschen Staaten vereinbarte er einen Zusammenschluß zu einem Bund.
Die völlige Einigung verhinderte Frankreich zunächst, weil es verlangte, daß die süddeutschen Staaten jenem Bunde nicht beitreten. Es wünschte kein mächtiges einiges Deutschland.