Königliche Versprechungen - Zwei Schüsse - Die Mütze ab!
In der Nacht vom 17. auf den 18. März, nach einer langen Beratung mit seinen Ministern, verfaßte König Friedrich Wilhelm IV. einen Erlaß, in dem er unter anderem erklärte: Preußen soll Preßefreiheit und eine Verfassung erhalten. Am 18. März vormittags vernahmen die Berliner von diesem Entschlusse und gerieten in einen Freudentaumel :
«Um die Mittagszeit sammelten sich etwa 2000 Bürger im Schloßhof und riefen dem König ein Lebehoch nach dem andern. Gegen halb zwei Uhr traten der König und ein Minister auf den Balkon und wiederholten dem Volke die Versprechungen. Stürmischer Jubel antwortete ihm. Es strömten immer mehr Menschen herbei, die riefen : Wir wollen unserm geliebten König auch ein Lebehoch bringen.»
Wenige Minuten nach diesen Jubelrufen brach heftigster Kampf aus. Infolge eines Ungeschicks hatten sich - bei der Räumung eines Platzes durch Kavallerie - zwei Soldatengewehre entladen. Die Kugeln gingen in die Luft; niemand wurde verwundet. Allein das Volk glaubte an Vorbedacht und Verrat. So baute es ganz gleich wie in Paris Barrikaden und kämpfte an ihnen. In den folgenden Tagen ließ der König die Truppen aus Berlin entfernen. Unter den Offizieren herrschte hierüber große Erbitterung. Die Bewohner Berlins aber beruhigten sich allmählich. - Vom 19. März:
«Ein Wagen mit sechs oder sieben furchtbar entstellten Leichen war in den innern Schloßplatz gelangt. Die Wut und der Schmerz des Volkes waren bei diesem Anblick unermeßlich und unbeschreiblich. Alle riefen nach dem König. Er erschien in der innern Galerie über der Wendeltreppe. Die Mütze ab! schrie einer hinauf mit drohender Gebärde. Der König gehorchte. Die Leichen wurden ihm und der Königin an seinem Arm entgegengehalten. Ein Mann in meiner Nähe murmelte: Herr Gott, wenn jetzt einer auf ihn schießt! Diese Angst war bei der leidenschaftlichen Erregung der Massen nicht unbegründet. Da stimmte ein versöhnlicher Mann „Jesus meine Zuversicht“ an. Hofleute und Diener fielen ein. Aus der Masse im Schloßhof sangen erst einige, dann viele mit, und so verschlang der mächtige Choral alles Lärmen und Toben.»
Am 22. März bewegte sich unter Glockengeläute ein gewaltiger Trauerzug hinter den 183 Särgen der Gefallenen durch die Straßen Berlins. Der König erwies vom Balkon seines Schlosses aus inmitten seiner Minister mit abgezogenem Helm den Toten die letzte Ehre. Im Mai begann in Berlin eine große Versammlung, die vom König versprochene Verfassung für Preußen zu beraten. Allein im Christmonat schickte der König diese Versammlung nach Hause und arbeitete mit seinen Ministern selbst eine Verfassung aus. Sie wurde auch eingeführt. Etwas Ähnliches geschah einige Monate später in Österreich. Die Abgeordneten, welche die versprochene Verfassung aufstellen sollten. wurden vom Militär an der weiteren Beratung verhindert und heimgesandt. Die Regierung erließ dann ebenfalls von sich aus eine Verfassung.