Das Feuer von Paris zündet in Wien

Ein Sachse in Wien berichtet an seine Mutter:
«Wie ein Donnerschlag hat die Nachricht von der Pariser Revolution gewirkt. Die Vorstädte sollen in einem sehr gereizten Zustande sein. Die unheilvollsten Gerüchte gehen um. Die Kaffeehäuser sind mit Neugierigen gefüllt. Die Zeitungen mit den Pariser Nachrichten werden Gruppen von 20 bis 30 Personen vorgelesen. Dann wird geredet und gestritten. Die Mißstimmung ist allgemein.»

Mancherorts schlossen sich die Unzufriedenen zusammen und legten in Bittschriften ihre Wünsche dar: Preßefreiheit, Lehrfreiheit, Glaubensfreiheit, Vereinsfreiheit, öffentliche Gerichte und vor allem eine Verfassung.

Sonntag morgen, den 12. März, versammelten sich Massen von Studenten in der Hochschule. um ein Gesuch an den Kaiser abzusenden. Professoren überbrachten es.

Augenzeugen schildern die Ereignisse vom Montag:

«Ein Volkshaufen rottet sich vor der Staatskanzlei zusammen und verlangt Fürst Metternichs Entlassung. Ein anderer dringt in das Ständehaus ein und zerbricht dort Fensterscheiben und Hausgeräte.
Um vier Uhr entbrennt ein heftiger Straßenkampf. Die Gassen in der Nähe des Zeughauses werden mit Barrikaden gesperrt. Das Militär wirft die Volksmenge zurück und rettet das Zeughaus. Bei Einbruch der Nacht durchzieht der Pöbel in dichten Massen die Straßen. In den Vorstädten geraten die alleruntersten Klassen in wilden Aufruhr. Brandstifter, Räuber und Plünderer treten auf. Aus mehreren Fabriken lodern Flammen empor.
Um halb neun Uhr gibt Fürst Metternich seine Entlassung. Um neun Uhr läuft diese Kunde durch die Stadt. Einzelne Patrouillen sagen sie in jedem Hause förmlich an. Die innere Stadt illuminiert sich. In den Vorstädten tost und flammt es weiter.»

Am Dienstag erfolgen neue Zusammenrottungen, Umzüge, Gewalttaten, Reden und Bittgesuche. Abends um sechs Uhr verläßt Metternich mit seiner Familie die Stadt. Mittwoch, den 15. März, verspricht der Kaiser: Von jetzt an besteht Preßefreiheit, und nächstens soll eine Verfassung ausgearbeitet werden. Wilde Begeisterung erfaßt die Wiener. Weiße Fahnen flattern. Blumen fliegen aus den Fenstern. Menschen, die sich fremd sind, umarmen einander. Alles jubelt und jauchzt.

 

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