Wie Luzern und andere Sonderbundskantone liberal werden
Als die Mitglieder der luzernischen Regierung geflohen waren, tauchte in den Straßen Luzerns plötzlich allerlei bis dahin unbekanntes Gesindel auf, brach in die Häuser ein und begann zu rauben.
Beim Einzug der eidgenössischen Truppen in die Stadt liefen viele Soldaten ihren Offizieren und Kolonnen davon und machten mit jenen schlechten Menschen gemeinsame Sache. Sie rannten Zimmer- und Schranktüren ein und nahmen, was sie gerade fanden. Doch gelang es Oberst Ziegler am zweiten Tage, unter den Soldaten wieder Ordnung zu schaffen.
Da es in Luzern in jenen Tagen keine kantonale Regierung gab, berief der Stadtrat einige liberale Männer vom Lande zu sich und erklärte: Wir bilden zusammen eine vorläufige Regierung. Die so entstandene Behörde beschloß, einen neuen Großen Rat wählen zu lassen. Damit dieser sich mehrheitlich aus Liberalen zusammensetze, verordnete die vorläufige Regierung: Der Ruswilerverein ist aufzulösen. Dadurch verloren die Konservativen gerade vor den Wahlen den innern Zusammenhang. Es war ihnen nun nicht möglich, Vereinsversammlungen einzuberufen und zur eifrigen Wahlbeteiligung aufzufordern. Weiter gab die vorläufige Regierung Befehl, über den Wahltag eine größere Anzahl von konservativen Führern zu verhaften, in Sempach zum Beispiel ungefähr zwanzig. Nach den Wahlen wurden diese ohne Verhör entlassen. Im Wahlkreis Sursee wurden etwa dreißig eingekerkert; zehn erhielten Hausarrest und Schildwachen vor ihre Häuser.
Segesser:
« In der Stadt Luzern war keine Gewalt erforderlich, um radikale Wahlen zu erzielen. Sie hatten da ohnehin die Mehrheit. Im Wahlkreis Habsburg hatten die Radikalen von 8-900 Stimmfähigen ungefähr 300 für sich. Die Wahlversammlung tagte, wie es da üblich war, unter freiem Himmel, rings von eidgenössischen Truppen umgeben. Da legte ein radikaler Beamter dar, wenn nicht eidgenössisch (liberal) gewählt werde, so erhalte der Bezirk Straftruppen, was viele Bürger erschreckte. Doch erhielt der erste vorgeschlagene Radikale kaum 300 Stimmen. Das Gegenmehr wurde verlangt; aber der Präsident gestattete keine weitere Stimmabgabe; der Stimmenzähler erklärte den Vorgeschlagenen für gewählt.
In Rothenburg wurde geheime Abstimmung verlangt. Die Radikalen setzten aber durch Tumult ohne die gesetzliche Stimmenmehrheit offene Wahl durch. Jede Abzählung der Stimmen wurde verweigert; die radikalen Vorschläge wurden einfach von den Stimmenzählern als angenommen erklärt. Darauf zogen sich die Konservativen zurück.
Von 100 Großratsmitgliedern, die unter diesen Verhältnissen gewählt wurden, war ein einziger konservativ. Die Erwählten nannte man im Volksmund die Bajonettsratsherren.»
Auf ähnliche Art wurden die neuen Behörden in Freiburg und Wallis bestellt.
Die Tagsatzung erklärte: Die Sonderbundskantone müssen die Kriegskosten bezahlen; sie betrugen über sechs Millionen alte Schweizerfranken. Die Regierungen durften die ehemaligen Führer und die Klöster verantwortlich machen. Das hatte zur Folge, daß die früheren politischen Leiter in Luzern, Freiburg und Wallis auf eine ungemein rücksichtslose Weise zum Zahlen gezwungen wurden. Auch klagte man viele des Hochverrats an. So entstanden eine Menge von langwierigen, wüsten Prozessen. Die Bundesversammlung hat 1852 den Restbetrag der Schuldsumme, über 3‘300‘000 Franken, erlassen. Alfred Escher war mit diesem Beschluß nicht einverstanden; Dufour hingegen hatte für ihn im Nationalrat gearbeitet.