Die Sonderbundsführer flüchten
Bernhard Meyer: « Wir waren den ganzen Tag ohne Nachrichtvom Kampfplatz in Gislikon geblieben und wußten bis in den späten Nachmittag nicht das geringste von der Wendung des Kampfes, während man deutlich den Kanonendonner hören konnte. Ich sah mich in der Stadt nach einem berittenen, zuverlässigen Mann um und gab ihm den Auftrag, sich an Ort und Stelle über den Ausgang des Gefechtes zu erkundigen und uns darüber sofort zu berichten.
Nach ungefähr einer Stunde kam der Bote mit der Meldung, unsere Truppen seien im Rückzuge; den General Salis-Soglio habe er verwundet im Dorfe Ebikon angetroffen, etwa eine Stunde von Luzern. Diese Nachrichten wirkten niederschmetternd auf die Mitglieder des Kriegsrates. Sie beschlossen zu fliehen.
Es war schon dunkle Nacht, als der Dampfer, auf dem sich der Kriegsrat, die Regierung, die Jesuitenpater und mehrere Klosterfrauen befanden, vom Ufer abstieß. Ich war bis zum letzten Augenblick auf meiner Kanzlei im Regierungsgebäude geblieben und hatte die wichtigeren Schriftstücke eingepackt.
Eben ertönte das Signal zur Abfahrt, als ich in meinen abgetragenen Kanzleikleidern, nur mit einem guten Mantel versehen, das Schiff erreichte. Das Bild dieser Fahrt schwebt mir noch jetzt lebhaft vorAugen. Auf dem Schiffe Jammer, mitunter lautes Weinen, Bestürzung auf allen Gesichtern. Auf der Seite, wo am Tage die Gefechte bei Gislikon und Meierskappel stattgefunden hatten, war der Himmelmit einer gräßlichen Flammenröte bedeckt, die den nächtlichen Seespiegel blutig rot färbte. Dieses furchtbare Schauspiel, der Gedanke an die Flucht von Vaterland und Heimat, an die Entfernung vonWeib und Kindern bedrängten mich derart, daß ich noch heute (1875) an diese Überfahrt nicht zurückdenken kann, ohne daß meine Seele tief erschüttert wird.»
In Flüelen zögerte Meyer zwei Tage, die Flucht fortzusetzen. Allein alle Mitglieder des Kriegsrates waren abgereist, unter ihnen auch Siegwart mit Frau und Tochter und zwei Mitgliedern der Regierung von Luzern. So trat Meyer die Weiterreise ebenfalls an, durch das Reußtal und dann über Furka und Simplon. Am 5. Dezember traf er mit andern in Mailand ein. Am 16. wartete seiner hiereine große Überraschung. Ein Mitflüchtender kam an diesem Morgen voller Wut auf sein Zimmer und erzählte ihm, Herr Siegwart sei mit seiner Familie nach Innsbruck abgereist, im besten Humor und mit dem Bemerken, für ihn sei gesorgt. - Meyer reiste dann nach Wien, wo er später eine Beamtung in österreichischen Diensten erhielt.