5. Der Kern der Streitfragen.
(Muß sich an der Tagsatzung eine Minderheit immer der Mehrheit fügen?)
Bernhard Meyer: « Mein Kanton ordnete mich als Gesandten auf die Tagsatzung des Jahres 1847 ab. Ich fühlte nur zu gut die furchtbare Verantwortlichkeit, die ich übernahm. So reiste ich mit schwerem Herzen nach Bern.In den Sitzungen vom 19. und 20. Heumonat kam die Sonderbunds-Angelegenheit zur Sprache. In meiner Rede legte ich folgendes dar: Man hat die Lehre erfunden, daß eine Mehrheit von zwölf Ständen das Recht habe, alles zu beschließen, was ihr gelüstet. Eine Minderheit müßte also einer Zwölf-Stände-Mehrheit unbedingten Gehorsam leisten. Das ist eine schlimme Despotie.
Was haben Euch die sieben Kantone und ihr Schutzbündnis Leides getan, daß ihr so gegen sie auftretet und man das schauerliche Wort Bürgerkrieg schon wieder hört? Haben sie Euren Frieden, Eure Ruhe gestört? Sind sie es, welche mit Waffen gegen Euch zogen und Landfriedensbruch gepredigt haben?
Wie durfte die Gesandtschaft von St.Gallen gestern erklären, eine Mehrheit von Ständen habe das Recht zu einer zweckmäßigen Umänderung des Bundesvertrages?
Allerdings bestimmt der Bund, daß in allen Verfügungen, die er der Tagsatzung übertragen hat, die absolute Mehrheit entscheide. Allein das bedeutet nicht, daß die Mehrheit alles zur Bundessache erklären kann, was ihr beliebt. Der Bund bestimmt, daß zur Entscheidung über Krieg und Frieden 3/4; sämtlicher Stände notwendig sind. Und für die erste und wichtigste Angelegenheit, die Veränderung des Bundes, sollte eine einfache Mehrheit genügen? Nein, eine Mehrheit von Ständen kann den Bund nicht ändern. Hierzu ist Einstimmigkeit notwendig.»
Die Tagsatzungsmehrheit beschloß: Der Sonderbund ist unvereinbar mit dem Bundesvertrag und darum aufzuheben. Es soll ferner eine neue Bundesverfassung aufgestellt werden, und die Kantone
Luzern, Schwyz, Freiburg und Wallis sind eingeladen, die Jesuiten auszuweisen. Ausdrücklich wurde untersagt, künftig Mitglieder dieses Ordens in der Schweiz aufzunehmen. Am 9. September beschloß die Tagsatzung, auseinanderzugehen und am 18. Oktober sich wieder zu versammeln. Beide Parteien begannen eifrig zu rüsten.