Ratsherr Joseph Leu

Constantin Siegwart-Müller, der Freund Leus, erzählt:

«Joseph Leu erblickte am ersten Brachmonat 1800 in Unterebersol das Licht der Welt. Die Familie Leu war sehr wohlhabend, ja reich. Dennoch lebte sie in aller Einfachheit und Arbeitsamkeit. Nach dem Tode des Vaters ging Joseph alle Tage in die heilige Messe. An den Sonntagen wohnte er vor und nach Mittag dem Pfarrgottesdienste bei, und beim Nachtessen erklärte er seinen Hausgenossen die Christenlehre. Alle Monate einmal ging er zur Beichte und empfing das heilige Abendmahl. Alljährlich wallfahrtete die Familie Leu nach Maria Einsiedeln, später auch zur Grabstätte des seligen Bruders Niklaus von der Flüh nach Sachseln.

Er las viel, besonders in religiösen Büchern. Aber auch die Geschichte der Schweiz war ihm nicht unbekannt. Zudem hielt er sich ein paar Zeitungen. An Sonn- und Feiertagen durften bei ihm keine Feldarbeiten verrichtet werden. Das war in seiner Familie Gesetz. Seine großen Ländereien brachten es mit sich, daß er sich auf den Ackerbau und die Viehhaltung verlegte. Mit dieser hatte er besonderes Glück. Er stand im Ruf, die größten, bestgemästeten Ochsen zu besitzen. Er trieb sie selber auf den Markt und verhandelte sie da. So sehr er es verstand, seinen Vorteil und Nutzen zu wahren, so haben doch seine vielen und grimmigen Feinde niemals auch nur mit einem Wort seine Rechtschaffenheit angezweifelt. Den Viehhandel betrieb er noch, als er schon das Haupt des Luzerner Volkes war. Seine Gegner waren so gemein, den Ratsherrn Leu in ihren Blättern deshalb den „Ochsenhändler von Ebersol“ zu nennen.

Sein Viehhandel brachte ihn auf alle Märkte des Kantons. In seinen spätern Kämpfen dienten ihm diese Gelegenheiten dazu, mit seinen Freunden politische Verabredungen zu treffen, das Volk zu belehren und seine Gesinnungen und Wünsche zu vernehmen. Da sah man ihn immer von Gruppen umgeben, die ihm zuhorchten, ihn fragten und sich mit ihm unterhielten. Er scheute sich bei diesen Anlässen auch nicht, mit seinen politischen Gegnern in Wortwechsel zu treten, mit ihnen die Begebenheiten des Tages zu erörtern und sie durch seine treffenden Antworten und seinen Mutterwitz zu beschämen. Es wurde jedesmal mit Leidwesen bemerkt, wenn der Volksmann Leu auf einem Markte nicht erschien.»

 

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