2. Jakob Stämpfli, ein hervorragender Liberaler
Hervorragende Verfechter und Anhänger solcher Gedanken gab es in einer Reihe von Kantonen. Im Thurgau kämpfte z. B. der eben erwähnte Pfarrer Thomas Bornhauser für sie, im Tessin der Lehrer Franscini, in Zürich der Fürsprech Jonas Furrer. – Sein Vater, ein Schlossermeister in Winterthur, war der Nachbar des Messinggießers Sulzer. Johann Jakob Sulzer und Jonas Furrer wuchsen als Spielgefährten miteinander auf. - In Bern errang früh großes Ansehen der Bauernsohn Jakob Stämpfli aus Janzenhausen bei Büren.
Seine Eltern, ehrbare Landleute, Eigentümer eines mittelgroßen Bauerngutes, gewöhnten ihn zeitig an harte Arbeit. Dabei lernte er früh auf eigenen Füßen stehen. Mit zwölf Jahren sandte man ihn mit einer Summe Geldes mutterseelen allein nach Lausanne auf den Pferdemarkt, damit er dort ein Roß erhandle.
Noch als Knabe kam er eine Zeitlang in die französisch sprechende Schweiz zu Bauersleuten, um bei ihnen die fremde Sprache zu erlernen. In der Unterweisung fiel er dem Pfarrer durch seine Gaben auf. Sobald er admittiert war, trat er als Lehrling in die Amtsschreiberei Büren ein. Der Gerichtspräsident des Ortes riet ihm, das Rechtswesen zu studieren. Stämpfli, der eine Primarschule besucht hatte, begann sogleich an seiner Fortbildung zu arbeiten. Sommer und Winter stand er Tag um Tag spätestens um vier Uhr auf und las und lernte drei Stunden vor Beginn der Bureauarbeit.
Mit zwanzig Jahren zog er nach Bern an die Hochschule. Dort studierte er mit eisernem Fleiß bei dem freisinnigen Professor Wilhelm Snell, einem Bruder jenes Dr. Ludwig Snell, der zur Zeit der Zürcher Regeneration die Denkschrift von Küßnacht abgefaßt hatte. Zweimal errang Stämpfli einen ersten Preis für die Lösung von Preisaufgaben. 1844 bestand er mit Auszeichnung das bernische Fürsprecher Examen.
Noch im gleichen Jahre gründete er ein freisinniges Blatt, die Berner Zeitung. In ihrer ersten Nummer schrieb Stämpfli: Eine größere Einigung der Eidgenossenschaft ist notwendig; darum müssen die Neugesinnten in den verschiedenen Kantonen sich fest miteinander verbinden. Zu dieser Verbindung und inneren Stärkung hat die Berner Zeitung viel beigetragen. Wenn der Postbote sie brachte, ermutigte das die liberalen Leser so, als ob soeben ein Brief von guten Freunden eingetroffen wäre.
1846 wurde der ehemalige Bauernknabe bernischer Regierungs- und später eidgenössischer Bundesrat. Zu diesem ungewöhnlichen Aufstieg haben ihm glänzende Gaben und eine gewaltige Willens- und Arbeitskraft verholfen. Müßig sah man ihn selten; selbst in den Ratssälen las und schrieb er beständig. Überdies war er eine geborene Herrschernatur. Einem preußischen Gesandten, der ihm einst darlegte, das und das wolle sein König, entgegnete er kurz: „Aber mir wei's nid !“ - Lebenslang blieb er ein völlig einfacher Mann.