1. Was die Neugesinnten an der bestehenden Landesordnung tadelten
Es fehlt eine Hauptstadt und eine ständige schweizerische Regierung.
Der Bundesvertrag bestimmte Bern, Zürich und Luzern abwechslungsweise zu Vororten. Die Regierung des betreffenden Kantons bildete für je zwei Jahre zugleich die Regierung der Eidgenossenschaft, wenn die Tagsatzung nicht gerade versammelt war. Das behagte den Neugesinnten nicht. Sie klagten: Es ist eine Schmach, daß zeitweise ein einzelner Ort die Männer bezeichnet, welche die eidgenössischen Angelegenheiten zu führen haben. Der Vorort wird so zu einem Vogt der Eidgenossenschaft. Auch ist es sehr lästig, daß es keine eigentliche Hauptstadt gibt und daß der Kanzler, der oberste eidgenössische Schriftführer, deshalb mit seinen Schreibern und den amtlichen Schriftstücken, Verträgen, Rechnungen, Briefen usw. alle zwei Jahre umziehen muß.
Der eidgenössische Zügeltag
Der Sohn eines Kanzlers erzählt: «Während in allen Häusern sonst die Neujahrswoche eine Zeit des Friedens, der Freude und des Familienlebens war, wurde sie uns und besonders unserer guten Mutter, die den Umzug 16 mal mitmachen mußte, eine wahre Marterzeit. Es war nämlich (schon seit 1803) Sitte, daß der Kanzler am 1. Januar, den Dreispitz unter dem Arm und den Degen an der Seite,mit dem ganzen Kanzleipersonal dem Schultheißen oder Bürgermeister des neuen Vorortes seine Aufwartung machte. Das wie eine Lawine anwachsende eidgenössische Archiv (die amtlichen Schriftstücke) verlangte zu seinem Transporte nicht weniger als drei sechsspännige Frachtwagen, wie man sie jetzt (1895) gar nicht mehr kennt. Der Haushalt des Kanzlers und der ständigen Schreiber brauchte vier weitere Wagen. So entstand ein gewaltiger Zug von sieben Frachtwagen. Dazu kamen erst noch einige drei- oder vier- spännige Personenkutschen, die in der Regel später aufbrachen.
Zur Besorgung der weitläufigen Verpackung ließ man einen gewissen Stegmann, einen wahren Künstler in seinem Fache, mit vier Gesellen von Bern kommen. Es war ein kleiner, stämmiger Mann mit mächtiger Nase und kurzen grünen Hosen. Er besaß ein besonderes Geschick, die großen Kisten zu füllen, sie auf die Wagen zu laden und diesen mit Stroh und einem übergespannten Segeltuch zu einem runden, großen Elephanten zu gestalten. Das alles spielte sich in der Regel in der grimmigsten Winterkälte bei fußhohem Schnee ab.»
Einmal blieb der lange Wagenzug einen ganzen Tag im Schnee stecken, weil die Ladung für die Öffnung der Mellingerbrücke zu hoch war. Man mußte teilweise ab- und jenseits wieder aufladen.