Von der neuen Verfassung und dem Abstimmungskampf
Ein vom Volk gewählter Rat von 111 Mitgliedern beriet die neue Staatsordnung. Ihre wichtigsten Grundsätze waren: Nicht eine Anzahl einzelner Geschlechter, sondern die Gesamtheit des Volkes regiert den Staat. Zu diesem Zwecke wählt es Stellvertreter, den Großen Rat. Er „führt die Oberaufsicht über die vollziehenden und die gerichtlichen Behörden; auch übt er das Begnadigungsrecht aus“. Er bestand aus 240 Mitgliedern. 200 wurden indirekt durch Wahlmännergewählt. Um gewählt werden zu können, mußte einer ein gewisses Vermögen besitzen. Die 200 indirekt Gewählten ergänzten sich auf 240. Mit dieser Bestimmung wollte der Verfassungsrat dafür sorgen, daß gebildete Leute in den Großen Rat gewählt werden konnten, die dem Volk weniger bekannt waren. Viele Liberale freute diese Selbstergänzung nicht. - Die vollziehende Gewalt wurde von der richterlichen getrennt. Die Sitzungen des Großen Rates und des Obergerichtes waren in der Regel öffentlich. Die Staatsrechnung und ein jährlicher Bericht über die Arbeit - der Regierung sollten im Druck erscheinen. Die meisten lebenslänglichen Beamtungen wurden abgeschafft.
« Art. 7. Alle Staatsbürger sind gleich vor dem Gesetze.Art. 9. Der Staat anerkennt keine Vorrechte des Orts, der Geburt, der Personen und der Familien.Art. 11, 13, 16, 17: Glaubens-, Preß-, Niederlassungsfreiheit und Petitionsrecht sind zugesichert.Art. 23. Wenn zur Bestreitung der Staatsausgaben die bestehenden Einkünfte nicht genügen, so sollen die nötigen Steuern möglichst gleichmäßig auf Vermögen, Einkommen oder Erwerb gelegt werden.Art. 28. Es sollen in Zukunft keine Soldverträge mit einem fremden Staate abgeschlossen werden.Art. 12. Niemand darf die seiner Obhut anvertraute Jugend ohne den Unterricht lassen, der für die untern Schulen vorgeschrieben ist. - Der Staat soll die öffentlichen Schul - und Bildungsanstalten unterstützen und fördern.Art. 96. Nach Verlauf von sechs Jahren kann die Verfassung abgeändert werden.»
Vor der Abstimmung über diese Verfassung kämpften ihre Freunde in Versammlungen, Zeitungen und Flugschriften eifrig für Annahme und die Gegner ebenso eifrig für Verwerfung. Die Konservativenwarfen den Liberalen immer vor: Es haben nur wenige Ehrgeizige in den Wirtshäusern all die neuen Forderungen aufgebracht. Gerne stellten sie in ihren Flugschriften dar, wie der konservative „Nydlen -Peter“ den liberalen „Tinten-Sami“ im Wortkampf besiegte.
Am letzten Juli 1831, genau ein Jahr nachdem Louis Philipp Statthalter von Frankreich geworden war, wurde sie vom Volk mit großer Mehrheit angenommen. Für sie stimmten rund 27 800 Bürger, gegen sie 2150. Zwei Drittel der politisch Berechtigten waren zu Hause geblieben.
Das Ergebnis der Abstimmung feierte man vielerorts mit Kanonen- und Böllerschüssen, Höhenfeuern und Festlichkeiten.
In den neuen Großen Rat wurde auch eine Anzahl Patrizier gewählt. Aber nur etwa die Hälfte der Gewählten nahm das Amt an. Die politischen Ereignisse der letzten Zeit hatten sie zu tief gekränkt.Im stillen hofften sie übrigens, das Volk werde bald einsehen, daß es ohne das bisherige Patrizierregiment nicht gehe. In dieser Hoffnung täuschten sie sich. Doch mußte die siegreiche Partei erfahren, daß die Regierungsgeschäfte schwieriger und weitläufiger waren, als sie sich vorgestellt hatte.