Die Regierung will hören, und das Volk spricht
J. L. Schnell:
« Es war nun meine Aufgabe, den Antrag einzureichen und zu begründen. Dies machte mir sehr bange; denn seitdem ich die Amtsschreiberstelle angenommen hatte, war ich ganz außer Übung gekommen, öffentlich zu reden. Wie froh war ich daher, als die Regierung selbst den gleichen Antrag stellte und meine Begründung nun wegfiel.»
Der Große Rat faßte den Beschluß: Das Volk ist eingeladen, der Regierung seine Wünsche mitzuteilen. Eine besondere Kommission wurde eingesetzt, um diese entgegenzunehmen, zu ordnen und über sie zu berichten. Viele Gemeinden wußten nicht recht, was für Punkte sie erwähnen und wie sie die Bittschriften ablassen sollten. Sie sandten darum Boten nach Burgdorf ins Sommerhaus zu Karl Schnell. Der Landsitz wurde zu einem förmlichen Wallfahrtsort. Der um Rat gebetene Doktor stellte 18 Forderungen zusammen und ließ sie drucken und durch Anhänger im ganzen Lande verbreiten. Sie wurden bei der Aufstellung der Bittschriften an vielen Orten benutzt.Auf geheime Anweisung der Patrizier suchten die Oberamtmänner das zu verhindern. Sie sprachen freundlich mit den Leitern der Gemeinden und suchten sie überhaupt dafür zu gewinnen, möglichstwenig oder nichts zu wünschen.
Bis zu Neujahr erhielt jene Kommission 592 Eingaben. Eine kleine Gruppe wollte bei der bisherigen Regierungsweise bleiben. Weitaus die Großzahl aber verlangte wichtige politische und wirtschaftliche Neuerungen.
Die Gemeinde Ober- und Unteralchenstorf (im Amt Burgdorf) zum Beispiel wünscht:«daß als oberster Grundsatz der neuen Verfassung anerkannt werden möge: Es liege die höchste Gewalt bei der Gesamtheit der Kantonsbürger, und die Regierung sei der Stellvertreter dieser Gesamtheit. »
Ähnlich äußerten sich einzelne oder auch ganze Reihen von Gemeinden in den Ämtern Aarwangen, Bern, Büren, Courtelary, Fraubrunnen, Interlaken, Konolfingen, Laupen, Nidau, Oberhasli, Schwarzenburg, Signau, Niedersimmenthal, Thun, Trachselwald, Wangen.Ober- und Unteralchenstorf fährt weiter:
« Aus der Oberherrlichkeit des gesamten Volkes folgt, daß es keine Vorrechte des Orts, der Geburt oder der Familien geben darf. Es muß vollkommene politische Rechtsgleichheit bestehen, und zwar in der Tat und nicht auf dem Papier. »(Auch hier stimmen viele Gemeinden, zum größten Teil derselben Ämter, zu.)
« Die Mitglieder des Großen Rates sollen je nach der Bevölkerung und der Steuersumme gewählt werden. Wenigstens zwei Drittel sollen Landabgeordnete sein. »(Die gleiche Forderung erheben Gemeinden der Ämter Aarberg, Burgdorf, Delsberg, Erlach, Konolfingen, Münster, Nidau, Oherhasli, Seftigen, Thun.)
«Eine lange Dauer der Stellen im gesetzgebenden Rate ist den Volksfreiheiten gefährlich. Die Amtszeit soll höchstens sechs Jahre betragen. Dann muß eine neue Wahl vorgenommen werden. Dasbisherige Mitglied kann wieder gewählt werden, wenn es das Vertrauen der Wähler noch besitzt. »(Ähnliche Stimmen vernimmt man aus 27 Ämtern.)« Unerläßlich ist ferner, daß die Regierung Rechnung über den Staatshaushalt ablege und durch Druck bekannt mache. Die Verhandlungen des Großen Rates und des Obergerichtes sollen öffentlich sein.»