2. Nie wieder Revolution !
Nicht alle begeisterten sich für Freiheit und nationale Einheit. Viele dachten voll Trauer: Die Französische Revolution, mit der Napoleon aufgestiegen ist, hat großes Unheil über die Welt gebracht: Schreckliche Bluttaten in Paris, Hungersnot, gewaltige Kriege, Brandschatzung, Plünderung, Seuchen in ganz Europa. Das Chaos begann damit, daß die Menschen sich einbildeten, sie könnten die Welt nach ihrem Gutfinden verbessern. Als sie es versuchten, entstand daraus die Revolution. Nun sind wir gestraft für unsern Hochmut. Gott hat uns heimgesucht. Wir erkennen jetzt: Es kommt nicht gut, wenn die unwissenden Menschen nach ihrem Belieben in der Geschichte etwas ändern wollen. Man muß alles demütig hinnehmen; das ist das beste. Vor allem darf der große Haufe, das unverständige Volk, sich nicht in die Politik einmischen, wenn es künftig nicht zu neuem Revolutionsunheil kommen soll. Es muß überhaupt möglichst beim alten Recht, beim bisher Bestehenden, bleiben. Ordnung ist die Hauptsache. Deshalb darf besonders auch in den Besitzverhältnissen nichts gewaltsam geändert werden. Am sichersten ist für diese so notwendige Ordnung gesorgt, wenn Monarchen die Völker leiten.
Menschen und Menschengruppen, die unter dem Elend und Wirrwarr der Revolutionszeit gelitten hatten, lebten zumeist ganz aufrichtig in diesen Überzeugungen. Andere hatten stille Hintergedanken. Den bevorrechteten und bemittelten Ständen paßte diese Lehre jedenfalls. Vor allem sagte sie Fürsten und führenden Staatsmännern zu. Sie konnten dann umso ungestörter nach ihrem Willen regieren. Das gilt besonders für Österreich und dessen ersten Minister, Metternich. Doch hatten die österreichischen Politiker noch einen andern, sehr wichtigen Grund, die neuen Forderungen - Freiheit und Einheit - abzulehnen.
Wenn nämlich alle diejenigen, die zum gleichen Volk gehörten, sich zu einem Staat zusammenschlossen, dann ging es Österreich übel. Denn in seinem Reiche gab es Italiener, Deutsche, Slawen und Magyaren. Entstand zum Beispiel ein einiges Italien, so verlor Österreich seine dortigen Herrschaften. Wollten die Magyaren in Ungarn sich selbständig machen, so verlor es diese Gebiete ebenfalls. Kurz, wenn der nationale Einheitsgedanke in seinem Reiche verwirklicht wurde, so bedeutete das die Zersplitterung, die Auflösung und den Untergang der Donaumonarchie. Wenn Metternich und andere österreichische Politiker ihr Reich erhalten wollten, so mußten sie mit allen Mitteln jenen Einheitsgedanken bekämpfen.
Die Politiker, die vor dem, was im Laufe der Zeiten entstanden ist, eine besonders starke Ehrfurcht empfinden, nennt man konservativ, das heißt (buchstäblich übersetzt) „erhaltend“. Sie wollen das, was ihnen am Bisherigen innerlich gut scheint, bewahren, „konservieren“.