1. Der Wiener Kongreß
Beinahe 20 Jahre lang hatte Napoleon in Europa gewaltige Kriege geführt und dabei die Grenzen zwischen den Staaten verlegt, Fürsten und Könige entthront und an ihrer Stelle seine Brüder und Generale zu Herrschern erhoben. Jetzt war er besiegt. Als die Zeitungen berichteten: Napoleon „der korsische Vielfraß“, „der Räuber“, „der Tyrann“, „das Ungeheuer“, „die Geißel der Welt'“, ist vom Throne gestürzt, jubelten die einen und klatschten in die Hände. Andere trauerten und beklagten im stillen seinen Fall.
Die siegreichen Fürsten und Könige erklärten: Nun müssen wir alles Politische neu ordnen, die Grenzen wieder regeln und die Throne nach unserem Willen besetzen. Zur Lösung dieser Aufgabe traten die europäischen Staatsmänner zu einer großen Versammlung in Wien zusammen, dem Wiener Kongreß. Er dauerte vom September 1814 bis zum Juni 1815. Ein besonders gewichtiges Wort führte auf diesem glänzenden Kongreß der erste Minister Österreichs, Fürst von Metternich.
Zeitgenossen berichten: « Ich hatte Wien oft gesehen; aber diesmal erkannte ich die Stadt kaum wieder. Die Volksmenge schien verdoppelt. Es waren die höchsten, vornehmsten Personen aus den gebildeten, reichen Klassen aller Gegenden hierher zusammengeströmt. Der Kaiserliche Hof nahm die große Anzahl seiner hohen Gäste mit ihrem gewaltigen Anhang und Gefolge aufs glänzendste auf. Es folgten Feste auf Feste. Ein alter Fürst scherzte darum: Der Kongreß tanzt und kommt nicht vorwärts. An Glanz und Geschmack ragte besonders ein vom Fürsten Metternich gegebenes Fest hervor. Er beschäftigte sich bis ins kleinste mit der Anordnung dieser Feierlichkeiten und schaute dem Tanz seiner Tochter zu„ während Castlereagh (ein Engländer) und Humboldt zu einer Konferenz auf ihn warteten . . .
0, könnte ich allen, was ich fühle, einhauchen ! Lange würde dann Europa Ruhe haben. Jetzt heißt es vergessen; keine Habsucht, kein Ehrgeiz ! Die Menschheit hat grausam gelitten; es ist Zeit, ihr wohl zu tun. Allein die Politiker zeigen sich auch hier kleinlich und gewinnsüchtig. Die kleinen Fürsten schreien wie die Raben am Bach. Alle wollen haben und nicht bloß, was sie hatten, sondern bei weitem mehr. So gleicht der Wiener Kongreß einem Jahrmarkt in einer kleinen Stadt, wo ein jeder sein Vieh hin treibt, um es zu verkaufen oder zu vertauschen. Alles, was geschieht, ist um nichts besser, als was Napoleon auch getan hat.»