Der Auszug

Mit Kisten, Säcken und Bündeln brachen die Auswanderer auf, zuweilen mit der Post oder mit sonstigen Fuhrwerken, manchmal auch zu Fuß, mit kleinen Karren, auf denen sie ihre Habseligkeiten vor sich herschoben; später mit der Bahn. Die einen schlugen den Landweg nach Havre ein. Wohl die meisten fuhren mit Schiffen die Aare und den Rhein hinunter nach Dortrecht oder Amsterdam. In den Ausschiffungshäfen erging es dem Reisenden übel. Wirte und Krämer forderten übersetzte Preise und lieferten oft schlechte Waren: Zwieback, hart wie Ziegelsteine, Schinken voll Würmer und ranzige Butter. Bis nach Mitte des Jahrhunderts sorgten die Auswanderer auf den Schiffen selbst für ihr Essen und dessen Zubereitung. Es war schwer, Zutritt zu der kleinen Küche zu erhalten, und wenn Sturm eintrat, so durfte man kein Feuer machen. So konnte es vorkommen, daß die Auswanderer vier bis fünf Tage nichts Warmes erhielten.

Die Agenten verkauften zu teure oder auch ungültige Reisebillets, die Geldwechsler gaben falsches Geld, die Zollbeamten bezogen zu hohe Zölle. Alle leitete der Gedanke: Diese Vögel kann man nur einmal rupfen. In Zeiten großen Menschenandranges waren die Schiffe überfüllt; darunter litten die Passagiere. Dazu lauerten Gauner und Diebe beständig auf einen günstigen Augenblick. . _ . Im Ausschiffungshafen ging es ähnlich wie in Havre oder Amsterdam. Agenten, Wirte, Reisebureaux und Landverkäufergesellschaften suchten die Ankömmlinge zu prellen. Sie vermittelten für teures Geld Fahrkarten ins Innere des Landes, die nur für einen Teil der Strecke gültig waren, und verkauften wertloses Land oder solches, das nirgends existierte oder nicht ihnen gehörte. Vielen ging infolge dieser Betrügereien im Landungsorte das Geld aus. „Ich habe solche Leute in New-York wie unsinnig heulen sehen, wenn sie an die alte Heimat zurück dachten“, bemerkt ein Augenzeuge. Ein beträchtlicher Teil der Auswanderer erreichte das Ziel seiner Reise nicht, sondern fiel irgend welchen großen Unternehmern in die Hände. In deren Diensten sind Hunderttausende verdorben und verschollen. Hunderttausende sind aber auch zu Wohlstand, Ehre und Ansehen gelangt. Ihre Erfahrungen und ihr Tatendrang haben in der alten Heimat neuen Mut und Unternehmungslust verbreitet. Heute dürfen sich zur Auswanderung nur solche Menschen entschließen, die zur schwersten Arbeit und härtesten Entbehrung Wille und Kraft haben.

 

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