Afrikanische Neger in Amerika
Als kein bares Gold und Silber mehr zu erbeuten war, suchten die Abenteurer sich Reichtümer zu sammeln durch Anlage von Bergwerken, Zuckerrohr-, Baumwoll- und Kaffeepflanzungen (Plantagen), in Nordamerika vor allem auch durch Viehzucht und Ackerbau. Hiebei hatten die Unternehmer Arbeitskräfte nötig. Sie wußten sich zu helfen. „Diese gutartigen Menschen, die Indianer müssen ganz brauchbare Sklaven abgeben“, hatte Columbus am Tage nach der Landung in sein Tagebuch geschrieben. Seither zwang man die Eingebornen, Straßen und Häuser zu hauen, Gold zu waschen, in Bergwerken und Pflanzungen zu arbeiten. Die Indianer ertrugen aber die schwere und ungewohnte Anstrengung nicht; ihr Körper war zu zart. Dazu schwächten sie neue Krankheiten. Aus Verzweiflung über das Unheil ihrer Zeit begingen sie massenhaft Selbstmord. Wenn sie in die Wälder flüchteten, nicht arbeiteten und sich nicht zum Christentum bekehren wollten, wurden sie bekriegt. Rasch starb auf diese Weise die Urbevölkerung dahin. Im Jahre 1503 siedelten sich die ersten Spanier auf Jamaika an; nach einem guten halben Jahrhundert waren hier sämtliche Indianer verschwunden. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts gab es auch auf Kuba keine einheimische Bevölkerung mehr. Die Einwohnerzahl Perus sank in 200 Jahren um mehr als die Hälfte.
Als die Spanier sahen, daß die Eingeborenen den Frondienst nicht ertrugen, entschlossen sie sich, afrikanische Neger zu verwenden; sie sind körperlich kräftiger. Gesellschaften oder Einzelunternehmer bezahlten an den spanischen Staat gewisse Gebühren und erhielten dagegen das alleinige Recht, in die und die Bezirke der neuen Welt Negersklaven einzuführen. Nach einem großen Krieg, in dem England, Holland und das deutsche Reich gegen Frankreich und Spanien gekämpft hatten, errang sich England im Friedensschluß die Zusicherung, daß künftig nur englischen Gesellschaften dieses Recht zur Einfuhr afrikanischer Neger nach Amerika zustehe (1713).
Der Sklavenhandel war außerordentlich gewinnbringend. Er hat kaum je weniger als 50 % abgeworfen, meist aber weit mehr, in den letzten Jahren sogar bis zu 200 %. Die weißen Sklavenhändler schlossen mit Negerhäuptlingen Verträge ab, welche die Preise genau bestimmten. Sie bestanden in Branntwein, Pulver, Flinten, Gewürzen und Stoffen, besonders Leinwand. Infolge dieses Sklavenhandels entstanden zahllose Kriege in Afrika. Bald kämpfte ein schwarzer Stamm gegen einen andern, um Gefangene zu machen und sie verkaufen zu können. Bald umzingelten weiße Krieger nachts die Dörfer, steckten die strohgedeckten Hütten in Brand und ergriffen die unglücklichen Bewohner, die sich erschrocken aus den Flammen herausstürzten. Oder die Menschenjäger besetzten die Trinkwasserstellen. Die Schwarzen hielten es nicht selten eine Woche lang ohne Wasser aus. Man sah sie an der Rinde der Bäume saugen, um ein wenig Feuchtigkeit zu bekommen. Aber Tag um Tag näherten sie sich, und schließlich widerstanden Sie dem furchtbaren Durstgefühl nicht mehr, kamen und ließen sich Hand- und Fußschellen anlegen. Bei diesen Sklavenkriegen wurden unzählige Menschen hingemetzelt, vor allem die Alten und Schwachen, die zur Arbeit nicht mehr zu gebrauchen waren. Die Gefangenen, die man wegführen wollte, haben sich oft mit aller Kraft an Bäume geklammert. Oder sie preßten Weib und Kind so fest und inbrünstig an sich, daß man sie mit einem Säbel voneinander scheiden mußte.
Auf den Schiffen wurden die Sklaven in Ketten gelegt. Kapitän und Matrosen wären sonst nicht sicher gewesen. Die so Gefesselten brachte man in unglaublich enge und niedere Räume. Sie konnten hier nicht aufrecht stehen und mußten so dicht nebeneinander oder auch übereinander auf den kahlen Holzplanken liegen, daß sie sich beim Schaukeln des Schiffes gegenseitig wund scheuerten und oft die bloßen Knochen sichtbar wurden. Furchtbare Krankheiten, Ruhr, Fieber, Gestank und Hitze machten den Aufenthalt in diesen Kerkern schier unerträglich. Kein Wunder, daß oft ein Viertel, ein Drittel oder gar die starke Hälfte dieser armen Geschöpfe auf der Überfahrt elendiglich umkamen. So gingen, alles in allem, Massen von Schwarzen zugrunde. Auf je zehn Schwarze, die Brasilien oder Kuba erreichten, mußte man ungefähr fünfzehn Getötete zählen. Es ist berechnet worden, daß zu Beginn des 19. Jahrhunderts christliche Sklavenhändler jährlich ungefähr 400 000, mohammedanische 100 000 Neger aus Afrika wegführten. Von den 400 000 gingen nach diesen Schätzungen beim Transport und im ersten Jahre 280 000 zugrunde. Zur Verfügung blieben schließlich jährlich 120 000 neu Eingeführte.
Mit diesen Sklaven vermochten die Großgrundbesitzer noch immer nur einen sehr geringen Teil des vorhandenen Bodens auszunutzen. Gewaltige Gebiete blieben unangebaut. Die brach liegenden Ländereien und Wälder lockten europäische Bauern an. Von Zeit zu Zeit wanderten solche aus. Sie rodeten und pflügten da, wo bisher der, Indianer gejagt hatte. Mit jeder neuen Pflugfurche verlor dieser ein Stücklein seines Jagdgrundes, das Gewild ein Streifchen seines Nährraumes. Der Indianer erkannte: Es geht hier um mein Leben. Den eingewanderten Bauer berührte das wenig. Er dachte allein an den Gewinn von neuem Weide- und Pflugland und zweifelte keinen Augenblick an seinem Recht, schlecht ausgenutzten Boden besser zu verwerten.
Dieser Gegensatz zwischen indianischenı Jäger und europäischem Landwirt führte zu erbitterten, jahrhundertelangen Kämpfen. Sie vollzogen sich in tausend und tausend Gefechten, Überfällen, Brandstiftungen, Meuchelmorden, Raub- und Rachezügen. Schwert und Pflug siegten über Kriegsheil und Jagdbogen. Die in Nordamerika einwandernden Europäer rotteten die dortigen Indianer bis auf kleine Reste aus. Nordamerika wurde weißen Mannes Land. Das große Los zog hier und anderswo der Engländer. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts sprachen höchstens drei Millionen Menschen englisch und mehr als fünfmal so viele deutsch. 1910 sprachen 120 Millionen englisch und nur 90 Millionen deutsch.