1. Das Gold lockt
Als Kolumbus im Oktober 1492 auf einer Insel der neuen Welt landete, da waren die Ankömmlinge entzückt über die herrliche, frischgrüne Hügellandschaft und - über den goldenen Schmuck, den die nackten, braunen Einwohner in ihren Nasen trugen. Wo findet man dieses Gold? fragten die Spanier. Die harmlosen Indianer wiesen mit der Hand in irgend einer Richtung und nannten einen Namen. Darauf machten sich die Spanier eilends auf den Weg. So begann eine jahrzehntelange, tolle Jagd nach den Schätzen der eben entdeckten Welt.
Immer neue Abenteurer zogen aus. In Hast und fieberhafter Spannung durchirrten sie oft jahrelang unerforschte Gebiete, durchwateten endlose Moräste, schleppten sich durch glutheiße Steppen, überstiegen gewaltige, vereiste Bergketten, froren, hungerten und dürsteten, alles um des erhofften Reichtums willen. Überall, wo sie in Dorf oder Stadt eintrafen, wiederholten sie keuchend die Frage: Wo habt ihr euer Gold? Sie entdeckten und gewannen es auch. Edelsteine, Gold und kostbare Gefäße in Menge tauschten sie gegen Schnüre, Glasperlen, Nadeln und Scheren ein. Vergeblich ließ ihnen der König von Mexiko reiche Geschenke übersenden: Unter anderem aus purem Gold eine Scheibe von der Größe eines Wagenrades, die Sonne vorstellend, und eine noch größere Silberscheibe, die den Mond nachbildete. Die Beutegierigen gaben sich damit nicht zufrieden; sie drangen in die Hauptstadt ein, erbrachen die geheime Schatzkammer und raubten sie aus. Der gefangen genommene König des lnkastammes in Peru mußte ihnen als Lösegeld ein Zimmer mit Gold anfüllenbis zu einem weißen Strich, den man neun Fuß hoch an der Wand ringsum zog. Er entnahm die Summe dem Schatze eines Sonnentempels, der mit Goldplatten gedeckt war. Der Gefangene wurde aber doch nicht frei gelassen, sondern wider das gegebene Versprechen hingerichtet.
Nicht selten geschah es, daß der Abenteurer in dem Augenblick, da er sich in nächster Nähe der gesuchten Schätze glaubte, erkennen mußte: Es ist mir ein anderer Europäer zuvorgekommen; der Abdruck von Pferdehufen auf dem Wege verriet es; das Pferd war in Amerika nämlich nicht heimisch. Gier und Wut packten den Enttäuschten. Heiß drang es ihm ins Herz: Ich oder du; der eine vonuns muß weichen. Bald kam es dann zu offenem Kampf und Totschlag oder zu hinterhältigen Verträgen, Treubrüchen, plötzlichen Verhaftungen und Meuchelmorden. Auch bisherige Freunde und Genossen, die gemeinsame Beutezüge und Eroberungen unternommen hatten, gerieten eines Tages in Streit. Auch sie begingen Verrat aneinander, Raub und Mord.
Im ganzen bedeuteten diese Fahrten nach dem Golde ein Wettrennen mit dem Tode. Sehr oft gewann der Tod. Von den wichtigsten Kampf- und Beutezügen der spanischen Eroberer kehrte gewöhnlich kaum ein Drittel der Ausgezogenen zurück. Die andern erlitten Schiffbruch, starben an den Fiebern oder blieben in irgend einem Winkel der neuen Welt erstochen, verhungert oder verdurstet liegen.