die Wasserversorgung von Lengnau

«Lengnau, ein wasserreiches Dorf mit vielen Quellbrünnen in Steine gefasst, im Wirtshaus ein Alaun-, Eisen- und Kupferhaltiges Gliederbad . . .» heisst es in einer Dorfbeschreibung, welche zwar nicht datiert, aber mit einiger Sicherheit dem 17. Jahrhundert zugewiesen werden kann.

Tatsächlich gab es um die letzte Jahrhundertwende etwa 28 Quellen, deren Wasser an über 60 laufende Brunnen abgegeben wurde, welche der Trinkwasserversorgung des Dorfes dienten. Diese Quellen waren Eigentum des Grundstückbesitzers. Reichte das Wasser einer Quelle für die Speisung mehrerer Brunnen aus, so verkaufte der Besitzer ab seiner Brunnstube Wasser an weitere Dorfbewohner, welche sich nun ebenfalls einen laufenden Brunnen einrichten konnten. Ein solches Brunnenrecht bezog sich auf eine Wassermenge von einigen Minutenlitern, meistens im Rahmen von 4 - 15 l per Minute. Der Inhaber eines Brunnenrechtes musste den erworbenen Anteil Wasser von der Brunnstube weg seinem Brunnen selbst zuführen. Die notwendigen, oft recht langen Leitungen wurden unter Verwendung von Holzdünkeln, Ton- oder Eisenröhren erstellt, Reste von Holzleitungen, also von der Länge nach durchbohrten Hölzern von etwa 15 cm Aussendurchmesser, wurden schon verschiedentlich bei Grabarbeiten freigelegt. Oft wurden in die defekt gewordenen Holzröhren später auf zum Teil recht langen Strecken Eisenrohre eingeführt, um so die Grabarbeiten für die Erneuerung einer Leitung zu umgehen.

Für den Minutenliter Quellwasser bezahlte man um die Jahrhundertwende (um 1900) zwischen 45.- und 90.- Fr.

Einige Quellen- und Brunnenanlagen waren auch im Besitze mehrerer Teilhaber, welche sich wasseranteilsmässig in die Kosten für die Erstellung der Anlage und für Betrieb und Unterhalt teilten.

Ausser den Brunnenrechten gab es auch ein Tränkerecht. Wer ein solches besass, konnte an einem bestimmten Brunnen eine bestimmte Anzahl Stück Vieh tränken. Mit diesem Recht, das natürlich einmal erworben werden musste, war die Pflicht verbunden, den Brunnen und seine Umgebung stets sauber zu halten. Für diese Art Wasserversorgung waren die Verhältnisse in Lengnau recht ideal. Die Quellen befanden sich meist am Hang über dem Dorfe. Die Brunnstuben, einfache Schächte oder auch Nischen in Stützmauern, wurden möglichst nahe an den Wasseraufstoss plaziert, um ein genügendes Gefälle bis zu den Brunnen zu erreichen. Die Zuleitung eines bestimmten Wasserquantums erfolgte durch Röhren einer bestimmten Grösse oder auch mit Teilstöcken. Diese Teilstöcke waren gehauene Kalksteine, in welche zwei oder auch mehrere Durchlässe verschiedener Grösse ausgemeisselt wurden.

Mit solchen Steinen liess sich die Brunnstube in verschiedene Kammern einteilen, in welche je nach Grösse des Durchlasses mehr oder weniger Wasser floss. Aus diesen Abteilungen wurde das Wasser den Brunnen zugeleitet. Natürlich mussten Brunnstuben und Wasserteiler gut überwacht werden, damit keine unrechtmässigen Manipulationen vorgenommen werden konnten. Die Qualität des Wassers war sicher im allgemeinen nicht schlecht, weil die Verschmutzungsgefahr meistens gering war. Zudem schätzte man den Wert des Wassers hoch ein, und Wasserverschmutzer wurden empfindlich gestraft.

In Lengnau gibt es noch eine Anzahl alte Brunnen. Zwar haben diese seit der Errichtung einer gemeindeeigenen Wasserversorgung nicht mehr die Bedeutung von einst und werden daher oft auch nicht mehr genügend gewürdigt und gepflegt. Dasselbe gilt für die alten Brunnstuben und für die alten Leitungen. Mit den verschärften Verordnungen über die Trinkwasserkontrolle ist eine Besserung hinsichtlich Pflege und Unterhalt dieser Anlagen zu erwarten. Anderseits ist zu befürchten, dass weitere alte Brunnen verschwinden werden, weil sich für die Besitzer der Unterhalt nicht mehr lohnt oder weil bei Strassenkorrektionen die Brunnen einfach weichen müssen. Es wäre sicher nicht abwegig, wenn sich die zuständigen Stellen dazu entschliessen könnten, wenigstens einigen dieser Brunnen an geeigneter Stelle und wenn möglich in passender Umgebung einen neuen Platz anzuweisen, eine gute Gelegenheit für heimatpflegerische Tätigkeit.

Neben diesen vorwiegend der Trinkwasserversorgung dienenden Brunnen, deren Wasser selbstverständlich auch überall in Haus und Hof verwendet wurde, spielten aber auch die Dorfbäche eine wichtige Rolle. Vor allem die Gewerbetreibenden machten sich die Wasserkraft zu Nutzen. Das letzte Wassernutzungsrecht für gewerbliche Zwecke wurde 1965 gelöscht (Turbine Ofner), im Zusammenhang mit der Erstellung neuer Abwasserkanäle. Besonders wichtig waren die Dorfbäche auch als Wasserlieferanten im Brandfall. Mit der Einführung der Elektrizität 1902 und der Erstellung einer Wasserversorgung mit Hydrantenanlage 1907 verloren die Dorfbäche an Bedeutung. Zudem wurden mit dem Wachstum des Dorfes immer mehr Abwässer in diese geleitet, die offenen Bachläufe wurden überdeckt oder in Rohre verlegt und damit zu Abwasserkanälen degradiert.