Die alte Kirche
Die heutige Kirche trägt die Jahrzahl 1607. Sie ist jedoch nicht das erste Gotteshaus, das Kallnach besitzt beziehungsweise besass. Es gibt dafür verschiedene Belege. Einmal musste schon im Jahre 1540 «dem Pfarrer zu Kallnach ein Baumgarten» hergerichtet werden. Darüber hinaus ist Kallnach 1530, also unmittelbar nach der Reformation, kirchlich selbständig geworden. Es existiert ein Verzeichnis der Pfarrer, die alle in Kallnach gewirkt haben. Dieses beginnt mit dem Jahre 1530. 1547 kaufte die Regierung in Bern für den Pfarrer Haus und Hof. Wenn also mindestens seit 1530 ein Pfarrer an Ort und Stelle gewesen war, so wird es auch einmal einen Ort gegeben haben, wo sich die Gemeinde jeweils versammelt hat.
Aber es gibt noch ein älteres Dokument dafür, dass früher hier schon ein Gotteshaus bestanden hat. Die Pfarrkirchen sind oft von adligen Familien gestiftet worden. Die Adligen stifteten den sogenannten Kirchensatz, der drei Dinge umfasste: Ein Vermögen, aus dem der Pfarrer seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte, ein Grundeigentum, das zum Unterhalt der Kirche diente und das Recht, den Pfarrer zu wählen beziehungsweise vorzuschlagen. Dieser Kirchensatz befand sich nicht immer in den gleichen Händen. Er konnte übertragen werden. Über den Kirchensatz von Kallnach ist uns eine Nachricht erhalten, die aus dem Jahre 1230 datiert.
Ein gewisser Gottfried von Oltigen vergabte damals den Kirchensatz von Kallnach dem Bistum Lausanne. Nach diesem Beleg muss 1230 eine Kapelle oder eine Kirche in Kallnach bestanden haben. Die Stiftung des Kirchensatzes hatte zur Folge, dass die kirchlichen Angelegenheiten von Kallnach während rund zweihundert Jahren dem Bischof von Lausanne unterstellt waren. Der Bischof von Lausanne hatte seinerseits die Aufsicht über Kallnach dem Dekan von Wiflisburg (Avenches) übertragen. Auch Bargen und Kappelen gehörten damals kirchlich zu Wiflisburg. Der Priester jener Zeit segnete Feld und Flur, Haus und Hof. Und wenn er nicht in der Gemeinde war, wusste sich das Dorf dem Schutz der Patronin Margaretha unterstellt.
Altes und neues Geläute
Bis heute fehlen die steinernen Zeugen der ersten kirchlichen Zeit von Kallnach. Aber die Kallnacher besitzen doch noch eine kleine Kostbarkeit. Neben der Kirche befindet sich seit 1973 ein ebenerdiger Glockenstuhl, in dem die beiden früher benützten Glocken hängen. Die eine Glocke trägt die Jahrzahl 1487 und in gotischen Minuskeln die Aufschrift:
«Ich bin ein glog vein gesamlet von einer ganzen gemein/ Ave Maria gracia plena dominum tecum/ Lukas 1,28.»
Ob diese Glocke seit ihrem Herstellungsjahr in Kallnach geläutet hat, wissen wir nicht genau. Vermutlich hing sie früher einmal im Kloster Frienisberg. Wir wissen nur mit Sicherheit, dass der Staat Bern am 8. Dezember 1529 beschlossen hat, «denen von Kallnach ein gloglin» zu schenken. Es könnte die Glocke von 1487 gewesen sein. Jedenfalls ist die Glocke rund fünf Jahrhunderte lang benützt worden, manchmal auch zu Unzeiten. Nach der Reformation untersagte ein Verbot das Wetterläuten zur Vertreibung von Gewittern. Bald darauf verschwand auch das Ave-Maria-Läuten. Auch zu Ehren der Toten durfte nicht mehr geläutet werden. Als dieses Verbot einmal nicht eingehalten wurde, verhängte die Obrigkeit den Verantwortlichen eine empfindliche Busse von zehn Pfund, was damals ungefähr dem Wert eines halben Ochsen entsprach.
Die zweite Glocke, die im kleinen Glockenstuhl hängt, wurde 1691 bei Abraham Gerber in Bern gegossen. Sie ist geschmückt mit prächtigen Blumengirlanden und schön herausgearbeiteten Berner Wappen. Verewigt sind darauf auch die Namen der damaligen Dorfgrössen, des Pfarrers und des Landvogtes von Aarberg.
Diese beiden Glocken läuteten an Ostern 1973 zum letzten Male und hängen seither im separaten Glockenstuhl. Heute rufen drei Glocken aus der Giesserei Rüetschi, Aarau, zum Wort Gottes. Zwei Glocken sind Spenden der Burgergemeinden Kallnach und Niederried. Die Glocken werden heute elektrisch geläutet. Aber der Zweck ist der gleiche geblieben. Zweimal täglich erinnern sie - wie es auf einer Glocke heisst: «Ich ruf dich aus der Arbeit fort; halt ein, um Gottes Wort zu preisen.»
Gleichzeitig mit der Elektrifizierung des Geläutes wurde auch die alte Turmuhr aus der Turmuhrenfabrik Andelfingen durch eine neue, elektrisch angetriebene aus der Fabrik J. G. Bär aus Sumiswald ersetzt.
Die heutige Kirche
Die jetzige Kirche besteht aus einem einschiffigen Langhaus. Sie wirkt einfach und schlicht. Ihr Bau ist nur sehr langsam vorangeschritten. Nach einer in Stein eingelassenen Tafel wurde der Chor 1607 erstellt. «Zu der Zyt was hie Praedicant Abraham Bosshard von Bern genampt.» Der Chorbogen trägt die eingemeisselte Jahrzahl 1627. Genau vierzig Jahre später ist der Taufstein dazugekommen und 1663 die sehr schöne, aus verschiedenen Hölzern verfertigte Kanzel. Es hat also mehr als zwei Generationen gedauert, bis die Kirche vollständig ausgerüstet gewesen ist.
Für die Fenster im Chor sind spezielle Glasgemälde hergestellt worden: Zwei hübsche Berner Wappen mit dem Reichsadler und den Jahreszahlen 1608 und 1627 - und je ein Bannerträger mit den Wappen der Stadt Büren und der Stadt Nidau. Alle vier Scheiben hat die Kirchgemeinde 1879 der Eigenössischen Kunstdenkmälerkommission für das Landesmuseum in Zürich verkauft - zum Preise von 2000 Franken! Mit dem Erlös kaufte die Kirchgemeinde dem Staate den Chor ab und erstand die beiden Fenster im Chor: Der sinkende Petrus und die Rückkehr des verlorenen Sohnes. (Diese beiden Fenster wurden später für einige Jahrzehnte durch eine im Chor aufgestellte Orgel halb verdeckt.) Anlässlich der Renovation von 1949/50 wurde versucht, die verkauften Glasfenster zurück zu erwerben. Aber ohne Erfolg.
Die Renovationen von 1949/ 50 und 1973
Zu Beginn unseres Jahrhunderts wurde die Kirche mehr als einmal «renoviert›>. Es wurden ohne grosse Fachkenntnisse neue Fenster eingesetzt - und trotzdem blieb der Raum dunkel, nicht zuletzt wegen der immer rauchenden Öfen ...
1945 beschloss die Kirchgemeinde eine grosse Renovation. Der Berner Münsterbaumeister Peter lndermühle übernahm den Auftrag, einen Plan vorzulegen. Das Unmögliche gelang ihm. 1949/ 50 wurde die Erneuerung durchgeführt - und so entstand der heutige helle und freundliche Raum, belichtet durch drei neue gotische Fenster. Es wurde versucht, möglichst den ursprünglichen Zustand der Kirche wieder herzustellen. Zementplatten wurden durch Sandstein ersetzt. Die gestrichenen Bänke mit den hässlichen gusseisernen Füssen mussten Währschaften Holzbänken weichen. Die unschöne Gipsdecke wurde herausgerissen. Heute ist eine erstklassige Zimmermannsarbeit aus Weisstanne zu bewundern. Die Orgel wurde vom Chor auf die Empore versetzt. Und schliesslich gewann der Raum in seiner Akustik.
1973 wurde die erste grosse Renovation-Restauration mit dem Umbau des Dachreiters abgeschlossen, dieser bekam wieder die ursprüngliche Gestalt wie er auf einem alten Weibel-Stich aus dem Jahre 1824 zu sehen ist.
Orgel unerwünscht
Die erste Orgel erhielt die Kirche erst ein Jahr vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, 1913. Es handelte sich um ein neunregistriges Goll-Instrument. Es wurde im Chor aufgestellt. Noch wenige Jahre zuvor, 1900. schrieb der damalige Pfarrer Mäder auf eine entsprechende Umfrage des Synodalrates: «Kallnach besitzt in der Kirche kein Instrument und wünscht sich auch keines solange es möglich ist, einen guten Kirchenchor am Leben zu erhalten»
Da nach der Renovation-Restauration der Jahre 1949/50 noch etwas Geld übrigblieb, wagte es die Kirchgemeinde, eine neue Orgel anzuschaffen. Ihr Einbau bereitete einige Schwierigkeiten.
Man wollte sie nicht mehr im Chor und auf der Empore bot sich sehr wenig Platz. Schliesslich aber meisterten der Orgelexperte E. Schiess aus Bern und die Orgelbaufirma Kuhn, Männedorf, das Problem. Heute steht - seit 1952 - eine 16-Register-Orgel hinten auf der Empore. Aus Platzgründen hat sie keinen Prospekt.