Grossaffoltern

Alte Fundamente

Sind die ältesten Dokumente auch spärlich, so weiss man doch mit Sicherheit, dass hier vor dem Jahr 1261 schon ein Leutpriester amtierte; demnach gab es schon eine Kirche vor unserer heutigen spätgotisch-barocken. Tatsächlich haben die Grabungen, unter der Leitung von Dr. Luc Mojon, Bern, die Fundamente von zwei früheren Kirchen zutage gebracht: eine kleine Kirche mit viereckigem Chor aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, und ein zweiter Grundriss lässt auf einen spätern Aufbau mit erweitertem Schiff schliessen. Eine Rundmauer deutet eventuell sogar auf einen noch früheren Bau mit einer Apsis hin. Ganz sicher war auch das Dorf Affoltern schon 1206 eine blühende Siedlung, also bereits vor den Städtegründungen von Bern, Freiburg und Aarberg. In alten Dokumenten wird 1341 Rudolf von Seedorf als «Kirchherr» namentlich aufgeführt. 1383 schenkte die Gräfin Anna von Neuenburg-Nidau die Kirche Grossaffoltern samt dem dazugehörigen Kirchensatz dem Frauenkloster Klingenthal bei Basel. 1416 wurde das Kloster Frienisberg «Kirchherr» und blieb es auch bis in die Reformationszeit anfangs des 16. Jahrhunderts.

Leibeigenschaft und Frondienst

Aus der anfänglichen Freiheit der Siedlungen in diesem Gebiet wurde eine immer grösser werdende Abhängigkeit von despotischen Feudalherren. Es mussten Zehnten und andere Abgaben geleistet werden. Auch die Fronarbeit war nicht unbekannt. Nach der Ermordung des letzten Nachkommen «derer von Oltigen», schloss sich die Gemeinde dem Staate Bern an. Da keiner der gnädigen Herren von Bern in der näheren Umgebung ansässig war, genoss man in der Verwaltung bald eine beträchtliche Freiheit.

Unter der Anleitung der Mönche des Klosters «Aurora» vom Frienisberg erwarben die Bauern Kenntnisse von neuen landwirtschaftlichen Methoden. In jener Zeit wurde die heutige Kirche fertig erstellt. Ein Zimmermann hatte das Abschlussjahr in einen Balken eingeschnitzt: Anno Domini 1513. Auch eine Glocke trug dieses Datum. Sie blieb im Turm bis 1894, als das alte Geläute durch ein neues ersetzt wurde.

Nach der Reformation

Kurz darauf begann die Reformationszeit. Die Kirche Grossaffoltern überstand sie ohne Schaden. Alexander Pur, der damalige Leutpriester, trat zum neuen Glauben über und blieb seiner Gemeinde und der Kirche treu. Dadurch blieben die kostbaren Glasgemälde und andere Kunstschätze erhalten. 1692 wurde vom Steinmetz Zinsmeister die prächtige achteckige Sandsteinkanzel und der Taufstein geschaffen, beides einzigartige Werke barocker Baukunst. Von Steinmetz Zinsmeister stammt auch die neuentdeckte Grabplatte für Pfarrer Jakob Weiss, der 1689, nach bloss achtjähriger Tätigkeit in der Gemeinde, im Alter von 36 Jahren starb. 1766/67 musste die Kirche renoviert werden. Heute neu entdeckte und restaurierte Malereien stammen aus jener Zeit. Damals diente der Chor dem Chorgericht, und wir lesen an der einen Wand: «Ihr Richter Richtet Recht, denn Gott ist der Meister und wir sind Knecht.›› Der Spruch scheint seine Wirkung gehabt zu haben, denn eine Notiz aus jenen Tagen sagt aus: «ln Affoltern sind gescheitere Chorrichter, die einem nicht verleiden, als in . _ _» Düsterer mutet der Bericht über eine «Hexe» in der Gegend an, die im Jahre 1652 in Aarberg verbrannt wurde.

Vom Schiff aus gesehen an der linken Chorwand ist zu lesen: «Ihr sollet nicht das Angesicht erkennen im Gericht, sondern sollet so wohl den Kleinen hören als den Grossen. lhr sollet nicht scheuwen für jemands Angesicht, dan das Gericht ist Gottes»

Bauliche Änderungen

1840 wurde anstelle des «Chäsbissen-Daches» ein Turm mit Helm errichtet. Ein Kreuz und eine Wetterfahne wurden weithin sichtbar angebracht. In der Turmkugel fanden sich Dokumente über die damaligen Behörden und über die am Ausbau beteiligten Handwerker. 1860-1862 wurden weitere, leider weniger glückliche «Verbesserungen» durchgeführt. In jener nüchternen Zeit wurde zum Beispiel die unbequeme, den Predigtgang verleidende Bestuhlung eingebaut. Die schon erwähnte Grabplatte bedeckte man mit Asphalt, die Wandmalereien wurden übertüncht, was sie wenigstens vor anderem Schaden bewahrte. 1892-1894 erhielt die Kirchgemeinde eine neue Orgel und ein mehrstimmiges Geläute. 1911, am 23. Dezember, warf ein heftiger Sturm das Kreuz vom Turm herab, glücklicherweise ohne jemanden zu verletzen. Im folgenden Jahr wurde der Helm repariert. Noch etliche Dorfbewohner erinnern sich genau jener Tage.

Neueste Renovationen

Im Jahre 1963 wurde eine weitere Renovation durchgeführt. Eine moderne, harmonisch in das Kirchenschiff eingefügte Bestuhlung, bei neuer und wirksamer Heizung, verschönert seither den Predigtbesuch. Der Chor und seine Wandmalereien wurden restauriert. Eine neue Orgel wurde eingebaut. 1972/73 wurde auch der Turm und seine Bedachung einer gründlichen Auffrischung unterzogen.

Glasmalerei – Kostbarkeiten

Dem Besucher der Kirche fallen wohl als erstes die alten Glasmalereien auf. Mit Ausnahme der Scheibe für den Armenvater Bendicht Loder, den heiligen Martin darstellend (1907 gestiftet), stammen die Chorfenster aus dem 16. Jahrhundert, genau aus dem Jahre 1524, also aus der Zeit kurz vor der Reformation. Eine Scheibe stellt einen Bischof, Wahrscheinlich den heiligen Benedikt dar, der von den Zisterziensermönchen von Frienisberg sehr verehrt wurde, Ein anderes, leuchtendes Bild zeigt Maria mit dem Kind. Vom Chorherrenstift des Münsters wurde das Fenster des heiligen Vinzens mit dem Palmzweig geschenkt und vom Staate Bern eine Wappenscheibe. Eine weitere Scheibe stellt den Märtyrer Mauritius der thebäischen Legion dar. Die beiden Glasmalereien im Schiff sind sogar noch älter. Eine zeigt das Aarberger Wappen, die andere einen unbekannten Heiligen. Ist jede einzelne dieser leuchtenden Scheiben ein Zeugnis des Kunstsinns jener Zeit, stellen sie gesamthaft eine unschätzbare Kostbarkeit dar. Anlässlich der jüngsten Renovation wurde eine weitere Scheibe eingelassen. Diese wurde von einer ortsansässigen Familie gestiftet.

Hohe Barockkunst

Die Barockkanzel verdient ebenfalls eine besondere Erwähnung. Am 14. März 1692 wurde sie eingeweiht. Der Steinmetz Zinsmeister hatte eine achteckige Komposition mit eingelassenen Reliefs aus Sandstein gemeisselt. Auch sie besticht durch ihre Schlichtheit und harmonische Form.

Orgel statt Feuerspritze

Die erste Orgel erhielt die Kirchgemeinde 1791. In der Chronik lesen wir, dass zuerst dafür die Feuerspritze verkauft werden sollte, um die fehlenden Mittel beschaffen zu können. Die Obrigkeit aber war strikte dagegen. Der Plan wurde fallen gelassen. Die Orgel konnte letztlich doch in Auftrag gegeben werden. Kaufgeld: 70 Dublonen und ein Trinkgeld. Orgelbauer Speissegger aus Schaffhausen schuf ein Kunstwerk mit elf Registern. Per Schiff reiste die neue Orgel bis nach Büren an der Aare und wurde von dort hergebracht. Heinrich Speissegger versprach, «er wolle sein Lebtag gut sein für die Orgel, wenn sie nicht gewalttätig verderbt würde, und er werde auf eigene Kosten herkommen und sie putzen und stimmen».

Ein Orgel-Meisterspieler war der damalige Schulmeister Roth. Er förderte in den Sommerferien auch den Nachwuchs, so dass einheimische Bauernsöhne oft als Organisten amtierten. Hundert Jahre später wurde das erste Orgelwerk ersetzt. 1892 konnte im Rahmen einer Feier die neue Orgel eingeweiht werden. Es handelt sich um ein Goll-Instrument mit zwölf Registern. Die Orgel kostete der Gemeinde 6500 Franken. 71 Jahre hat diese zweite Orgel gedient. Am Osterdienstag 1963 wurde mit ihrem Abbruch begonnen. Nach Abschluss der Renovation erhielt die Kirche ihr drittes Werk, eine 18-Register Orgel aus Genf.

Das Geläute

Zur ersten Glocke aus dem Jahre 1513 gesellte sich im Jahre 1600 eine zweite, grössere hinzu. Abraham Zehnder aus Bern hatte sie gegossen. Elf Jahre später entstand unter seinen Händen die grosse Münsterglocke zu Bern. Franz Ludwig Kaiser aus Solothurn schuf die dritte, die die Namen des Pfarrers Niklaus Freudenberger, des Kirchmeiers Jakob Affolter und des Statthalters Niklaus Bucher eingelassen trug. 1894 beschloss die Kirchgemeinde, die inzwischen zum Teil defekten Glocken zu ersetzen. Ein Geläute von fünf Glocken im Akkord c-e-g-a-c mit Gesamtgewicht gegen hundert Zentner wurde in Auftrag gegeben. Spenden und Zuwendungen brachten die erforderliche Summe zusammen. Am 19. Oktober 1894 war der grosse Tag. Die neuen Glocken erklangen das erste Mal. Dieses Geläute ist bis heute unverändert geblieben.

Die Reihe der Pfarrer der Kirchgemeinde

lässt sich bis zu Alexander Pur zurückverfolgen. Er war der erste, der als protestantischer Seelsorger hier die Gemeinde betreute. Nach ihm folgten bis heute 34, unter denen einige hervorragen. Etwa Hans Wannenmacher um 1580: «Sobald er kommt, sollen ihm die Wirtshäuseren verboten werden» 1584-1616 lebte Hans Walthart hier. Er war in jenen harten Jahren ein Mann mit grossem Herz. So trug dann ein Unbekannter neben seinen Namen in den damaligen Taufrodel ein: «Der guet Möntsch››, als welcher er noch lange in eindrücklicher Erinnerung blieb. Jakob Weiss liess die Kanzel aus Sandstein bauen, er selbst erhielt nach seinem Tode eine Grabplatte, die heute im Eingang der Kirche zu sehen ist. Daniel Vinzenz Haller übertraf als Chronist seinen Vorgänger Abraham König. Weniger Liebe trug ihm seine Sittenstrenge ein. Ihm dargebrachte «Katzenmusiken» und der wiederholt verwüstete Pfarrgarten zeugten für den Unmut seiner Gemeinde. Mit den Jahren schienen sich aber beide Seiten besser zu vertragen. Albrecht Lauterburg war kaum als Pfarrer eingezogen, als er schon als Feldprediger in den Sonderbundskrieg einrücken musste. Später wurde er ein Freund und Helfer Bendicht Loders, dem Leiter des Erziehungsheimes.

Dr. Ernst Marti, bekannt als Schriftsteller, amtierte während 39 Jahren, nämlich von 1897-1936, in der Gemeinde. Peter Müller war während dreissig Jahren in Grossaffoltern Pfarrer. Er verfasste zur Kirchenrenovation von 1963 die aufschlussreiche Schrift: «Aus der Geschichte der Kirche von Grossaffoltern.- 1968»
1968 – 1971 Adolf Kramer, 1972- 1979 Paul Berger, er wurde an das Kirchliche Amt für Drogenfragen berufen, so dass ab 1979 – 1988 Johannes Rupp seine Stelle versah, 1988 – 2012 folgte mit Marianne Lindt-Rickli die erste Frau im Pfarrhaus, 2002 – 2008 Hansueli Balmer mit einer 30 % Teilzeitstelle.
ab dieser Zeit erfolgten somit die ersten Teilzeit Anstellungen worauf 2009 René Poschung zuerst 50 danach 30 % tig 2012 Matthias Inniger in Teilzeit 50 % und ab 2013 eine weitere Frau Heidi Federici Danz als Teilzeit 70% im Pfarrhaus der Kirchgemeinde.