Wirtschaften und Wirte
Wirtschaften in alter Zeit
Die öffentlichen Wirtshäuser spielten im Zusammenleben der Stadt» und Landbevölkerung in unsererGegend schon immer eine recht gewichtige Rolle. Ln seinen «Briefen aus der Schweiz» gibt uns Christoph Meiners, der 1782 als Feriengast in Nidau weilte, eine lebendige Schilderung des Wirtschaftsbetriebes in unserer Gegend.Wann in unserm Dorfe, neben den Bauernhäusern oder in einem derselben, das erste öffentliche Lokal entstand, wissen wir nicht. Das Nidauer Burgerarchiv erwähnt schon 1779 einen Bendicht Gnägi, Wirt zu Bellmund. Es ist aber unklar, ob er in Nidau, Bellmund oder St. Niklaus wirtete. Das Nidauer Urbar von 1812 nennt einen Jakob Schmalz als Wirt. Er war ein armer Mann, besass er dochnur 11 Aren Ackerland und 4,6 Aren Mattland. Einen weitern Namen nennt ein Dokument in unserm Burgerarchiv 1843 im Zusammenhang mit einem Brandfall:Samuel Nobs, Pintenwirt zu Bellmund. 1856 ersuchte die Direktion des Innern des Kantons Bern denGemeinderat von Bellmund um Auskunft, ob der Betrieb einer Wirtschaft im Dorf als notwendig erachtet werde. Der Rat verneinte dies, delegierte jedoch trotzdem zwei Mitglieder an die Gespräche um Wirtschafts-Patente an das Regierungsstatthalteramt in Nidau. 1864 und 1869 wurden Notwendigkeit und Wünschbarkeit wieder in Abrede gestellt.
Kampf um ein Wirtepatent
lm Oktober 1872 teilte Abraham Maurer dem Gemeinderat seinen Plan mit, eine Wirtschaft zu eröffnen und bat um Unterstützung seines Gesuches mit dem Versprechen, «wenn er später eine Gefälligkeit erweisen könne, es ihn freue und zum Dank werde er dem Gemeinderat einen freudigen Abend verschaffen» Das half nichts, weder Notwendigkeit noch Wünschbarkeit waren vorhanden, «da beinahe in sämtlichen Haushaltungen Wein eigenen Gewächses vorhanden, überdies für Sonntag und Unterhaltung an den in der Nähe befindlichen Wirtschaften genügend gesorgt sei,und 2. die Errichtung einer Wirtschaft in Mitte des Dorfes gegen das Interesse der Bevölkerung im allgemeinen sei» Nun schaltete Abraham Maurer Fürsprech Schwab von Nidau ein, doch auch diesem gegenüber blieben die Ratsmänner hart. Zu den bereits bekannten Argumenten kam zum Beispiel: Der Gesuchsteller besitze kein Vermögen, ausser einem Grundstück im Schätzungswert von 12'620 Franken und dieses sei mit der ganzen Kaufsumme von 13'000 Franken belehnt.
Dazu eigne sich sein Haus gar nicht für eine Wirtschaft. 1873 wurde der Regierung gegenüber Bedürfnis und Wünschbarkeit einer Wirtschaft verneint, wenn auch nur noch mit 4 gegen 1 Stimme. Abraham Maurer kämpfte weiter. Bereits am 30.August 1873 wurde zu Protokoll gegeben, die Direktion des lnnern habe für den hiesigen Gemeindebezirk zwei «Pintenwirthschaftspatente» bewilligt. Dafür interessierten sich Elisabeth Zesiger, Wirtin zu St. Niklaus, die ihren Betrieb weiterführen wollte, Johannes Hauser, Abraham Maurer und Johannes Hartmann. Sämtliche Bewerber waren Kantonsbürger, ehrenfähig und eigenen Rechts, hatten nie Armenunterstützung genossen, waren gut beleumdet, waren nicht dem Trunke ergeben, besassen wenigstens den vierfachen Betrag der Patentgebühr, wollten die Wirtschaft auf eigene Rechnung und nicht durch gemietete Leute führen lassen, verfügten über den reglementarischen Bestimmungen entsprechende Lokale und standen in gutem Rufe. Elisabeth Zesiger und Abraham Maurer erhielten je 4 Stimmen. Die Wirtschaft in St. Niklaus konnte demnach weitergeführt, diejenige in Bellmund eingerichtet werden.
Das «Lamm»
Abraham Maurer liess die Wirtschaft nach seinem Namen nennen. Dieses Schild, ein schlichtes Holzbrett von ca. 4 Metern Länge, wurde beim Umbau 1990 noch gefunden! Das Lamm, wahrschein-lich eine Schmiedearbeit, tauchte leider nicht wieder auf. Unter dem Vergrösserungsglas betrachtet, steht dieses Lamm recht traurig da. Man soll die Wirtschaft früher «der stoubig Esu» genannt haben, was durchaus vom Wirtshausschild abgeleitet sein könnte. Abraham Maurer verdiente aber trotz der Namensänderung nicht genug. Er gewann als Nebenerwerb Ton aus der Grube am Hohlenweg und transportierte diesen nach Nidau in die Ziegelei Wannenmacher. Daneben half er den Bauern der Umgebung. Als bei der Einmündung des Rebenweges 1896 eine Linde gepflanzt wurde, hatte er eine Idee. Unter der jungen Linde versteckte er eine Flasche mit einem Dokument.
Zum Glück erinnerte sich Willy Kessi, als um 1950 die Linde der Kettensäge zum Opfer fiel, an diese «Sage», suchte, und fand tatsächlich das Dokument.Auch unter Fritz Gnägi, einem Schwiegersohn Abraham Maurers, blieb das «Lamm» ein halber Bauernbetrieb. im hintern Teil standen damals an die 12 Kühe, und gekocht wurde «wenn Zyt isch»_ Man schlachtete auch selbst und verkaufte das Fleisch zum grossen Teil nach Biel.Hans Aeschbacher richtete dann das Stübli ein, um die essenden Gäste besser bedienen zu können. Er war gelernter Metzger, verwertete seine vier bis sechs Tiere selber und brachte so den Betrieb in Schwung.
1929 baute er den Stall um, und die Vereine konnten in diesem ersten und einzigen grossen Saal üben und ihre Anlässe durchführen. Daneben gab es unter dem ehrwürdigen und heute gschützten Kastanienbaum eine offene Kegelbahn. Bei diesem französischen Modell bestand die Bahn aus einem ca. 30 cm breiten Holzbrett, das immer wieder Wassergusse brauchte, damit die Kugel glitt. Die Kegel stellten die Dorfkinder für einen Franken pro Halbtag.Jakob Hürzeler führte die Wirtschaft als Pächter. Der Pachtvertrag lautete auf 6 Jahre.
Nach einem guten Jahr zog es die Familie wieder in den Jura nach Welschenrohr.Der Pachtvertrag wurde von Hans Aeschbachers Schwiegersohn Walter Fankhauser übernommen, der eben in dieser Zeit in Merzligen Hanni Aeschbacher heiratete und mit ihr 1953 die Wirtschaft übernahm.Damals kannte man noch keine Ferien und keinen Wirtesonntag. Erst ab 1960 schloss das «Lamm» nach dem Neujahrsball im Saal jeweils für eine Woche. Der Feierabend war immer geregelt. Die Polizei musste aber von Nidau zu Fuss kommen, und die heimkehrenden Gäste sagten dann irgendwo an der Hueb, der Wirt hätte schon geschlossen, worauf die Landjäger meistens umkehrten.
lm «Lamm» verkaufte der Wirt in den 50er Jahren die grösste Menge Bielerseewein aller seeländischen Wirtschaften. Pro Jahr dürften es um die 4000 Liter gewesen sein. 1990, nach fast 40 Jahren als Wirtepaar, verkauften sie den Betrieb an Anton Egli. Das Dorf wartete gespannt ab, was nun aus dem «Lamm» wohl werde. Nach einer Renovation übernahmen es Lorenz und Erna Kocher, die ehemaligen Besitzer und Wirte des «Romantica» in Port. Heute wird in der Gaststube wieder gejasst und vieles beredet, im Säli gut gegessen, und für Familien- und Vereinsanlässe steht der Saal zur Verfügung.
Inzwischen wurde das Lamm abgerissen und ein Wohnblock erstellt, womit Bellmund wieder ohne Wirtshaus dasteht.
Die Wirtschaft St. Niklaus
Es ist anzunehmen, dass auf der «Passhöhe›› der alten Hauptstrasse Biel-Bern schon seit langer Zeit eine Gaststätte bestand. Der Bedarf scheint recht gross gewesen zu sein, gab es doch dort oben zeitweise sogar drei Wirtschaften!ln der Kurve unterhalb St. Niklaus in Richtung Merzligen wurde im heutigen Landwirtschaftsbetrieb bis 1897 eine Pintenwirtschaft unterhalten. Der heute noch vorhandene, in der alten Bogenform 1828 gebaute Keller, dürfte die Basis des Unternehmens gewesen sein. Direkt davor angebaut war die Gaststube und hinter dem Haus der Schopf. Diesen funktionierte der Wirt durch AusIegen einiger Bretter zum Tanzlokal um. Man tanzte in Holzschuhen und «glismete Strümpf». Feudal war es nicht, aber nach der Überlieferung immer lustig. Das Haus verbrannte 1897, und der Landwirt Möri baute es als reines Bauernhaus, vom Keller etwas vorversetzt, wieder auf.
Eine zweite Pinte betrieb ein Howald bis etwa 1895 im dritten Haus nach der heutigen Wirtschaft. Dort tranken vorallem die Merzliger ihren Schnaps, am liebsten Sonntag vormittags, verbunden mit einem Jass. Sie hatten im Dorf keine Wirtschaft, das erste Patent erhielten sie 1900.Die Wirtschaft auf der Höhe bestand wahrscheinlich schon lange. Aktenkundig wurde sie 1873, als Elisabeth Zesiger das Patent zu ihrer Weiterführung erhielt. Das Säli im Obergeschoss bestandschon und war gross genug, um den Kaffeetrinket der Frauen, den Katerbummel von Vereinen und auch die Examensfeier der Bellmunder Schule durchzuführen.
Nach Alfred Mosimanns Tod führten seine Frau und später seine Tochter Emma den Betrieb weiter. Kari Künzi kaufte dann um 1930 die Wirtschaft Mosimann und nannte sie fortan «Sternen St. Niklaus». Am Anfang blieb es eine Schnapspinte. Die Arbeiter von Merzligen bis Walperswil stärkten sich schon frühmorgens mit einem Einerli Bätzi, das man damals «es Bacceli» (wie Bocalino) nannte.
Bei der Rückkehr am Abend, zu Fuss notabene, brauchten sie dann meist ein Zweierli; zur Erholung vom Weg und zur Stärkung für den noch zurückzulegenden. Der Betrieb rentierte kaum, oft hatte es am Abend nur um die zwanzig Franken in der Kasse. Erst nach dem Krieg kam ein Aufschwung. Karl Künzi löste das Jagdpatent, und seine Frau wurde in der Umgebung berühmt für ihren Rehpfeffer. So bildete der «Sternen» Treffpunkt aller Jäger, vermehrt noch 1951 nach der Ernennung von Karl Künzi junior zum Wildhüter. 1964 kaufte Werner Brenzikofer die Liegenschaft und verschiedene Pächter führten die Wirtschaft unter dem gleichen Namen mit wechselndem Erfolg,
bis 1972 Hans Friedli den Pachtvertrag übernahm und ihr den Namen «Waldschenke» gab. Nach umfangreichen Umbauten entwickelte sich die «Waldschenke» zu einem der besten Restaurants der Gegend. Trotzdem fanden auch die Stammgäste aus dem Dorf immer ihren Platz in der Gaststube. Diese gelungene Verbindung von Speiserestaurant und Dorfwirtschaft prägte das Bild der damaligen «Waldschenke». 1987 kaufte Henri Scheibli, in dritter Generation Besitzer und Wirt des «De la Gare- Provençal» in Biel, die Besitzung. Er machte aus dem Landgasthof ein gemütliches und gediegenes provençalisches Speiserestaurant.
Liebhaber dieser besonderen Gastronomie kommen von weit her in die «Waldschenke».