Der Name Bellmund oder Belmont?

Nach der bernischen Verfassung gibt es drei französischsprachige Amtsbezirke, nämlich Courtelary, Moutier und La Neuveville. Biel/Bienne ist als einziger Bezirk zweisprachig, die übrigen 23 Amtsbezirke gehören zum deutschen Kantonsteil, so auch Nidau. Amtssprache unserer Gemeinde ist also das Deutsche. Woher kommt es denn, dass unsere Gemeinde bis ins 20. Jahrhundert hinein neben dem uns vertrauten «Bellmund» auch mit dem französisch klingenden «Belmont›› bezeichnet wurde? lm «Geographischen Lexikon der Schweiz» von 1902 finden wir unsere Gemeinde unter dem Stichwort «Belmund oder Belmont».

Die historischen Namensformen

Werfen wir zuerst einen Blick auf die aus Urkunden bekannten Namensformen. Am 13.August 1107 verschenkte Graf Wilhelm lll. von Burgund seine Besitzungen im Seeland an die Abtei Cluny, darunter auch Güter «apud bellum montem». Das ist die erste urkundliche Erwähnung unserer Gemeinde. Es handelt sich dabei nicht etwa um die Urform des Ortsnamens, sondern um eine Latinisierung, also sozusagen um eine Übersetzung ins damals gebräuchliche Latein der Kirche.

Verschiedene Namensformen finden sich in den Urkunden, die in den «Fontes Rerum Bernensium - Berns Geschichtsquellen» gesammelt wurden. 1228 finden wir «Belmont», 1239 «Belmunt», 1285 «de Bellomonte», 1291 «de Belmont», 1335 «ze Belmont», 1348 «de Belmunt», 1382 «Pelmunt», 1384 «ze Belmunt» und 1398 «Bellmund». 1671 heisst es in der Spitalvogtsrechnung im Burgerarchiv Nidau «Bellmondt», ähnlich in einer Erkanntnis der deutschen Appellationskammer vom 27.Januar 1735: «Belmondt». Der Nidauer Landschreiber Abraham Pagan gibt 1761 die Doppelform «Bellmund-Belemont». Auf dem Müller-Plan von 1812 heisst es «Bellmund»_ Die Dufourkarte von 1845 schreibt «Belmund», die Erstausgabe des Siegfried-Atlas von 1876 und die folgenden Ausgaben bis 1916 zeigen «Belmund» und «Belmont», nachher wird in den amtlichen Kartenwerken nur noch «Bellmund» gebraucht. Hingegen verwendet der Grundbuchübersichtsplan von 1884 den Ortsnamen «Belmont», genau gleich wie ein lnserat des Männerchors von 1903 . Als am 3.Juli 1860 der 19-jährige Johann Hauser von der «Central-Polizei-Direktion» in Bern sein Wanderbuch ausgestellt erhielt, stand auf der 1.Seite deutschsprachig «Bellmund», auf der folgenden Seite mit den Personalien in Französisch selbstverständlich «Belmont». Die heutige offizielle Namensform soll nach der Erinnerung älterer Bellmunder im Jahr 1904 durch den damaligen Gemeindeschreiber Rudolf Herzog festgelegt worden sein. Das klingt glaubwürdig. Herzog war 34 Jahre Lehrer gewesen, nachher noch 10 Jahre Gemeindeschreiber und hielt als dörfliche Respektsperson die Fäden in der Hand. Die Gemeinderatsprotokolle sagen nichts über die Namensfestlegung. Es fällt auf, dass wir es historisch mit 2 Namensformen zu tun haben. Die ältere lautet auf «mont» und ist romanisch, die jüngere deutsche Form lautet auf «-munt».

Nach Prof. Peter Glatthard liegt dem Namen das romanische «bel-mont» zugrunde, was «Schön(er) Berg» bedeutet. Die Mundartformen lauten «Bäumung» und «Bämung» mit Betonung auf der zweiten Silbe. Diese Zweitbetonung ist typisch für romanische Namensformen. Um diese beiden nebeneinander gebrauchten Formen zu erklären, müssen wir uns der Besiedlungsgeschichte des Frühmittelalters zuwenden.

Burgunder und Alemannen

Seit 58 v.Ch. gehörte das ganze Gebiet der heutigen Schweiz zum Römischen Reich. Erstmals in der Geschichte wurde das später schweizerische Territorium von ein und derselben Staatsmacht verwaltet, die das Land organisierte, verkehrsmässig erschloss, militärisch schützte, die Verschmelzung der ansässigen keltischen Bevölkerung mit römischen Ansiedlern förderte und durch die lateinische Verwaltungs- und Bildungssprache das Land an den mittelmeerisch-antiken Kulturkreis anschloss. 300 Jahre dauerte diese Epoche, bis im 3.Jahrhundert eine Krise über das Reich hereinbrach. Perser im Osten und Germanen im Westen griffen an. 260 musste das römische Heer Süddeutschland räumen, was das Eindringen von Alemannenscharen ins schweizerische Mittelland erleichterte, wo sie Städte und Dörfer plünderten und zerstörten. Es begann eine lange Zeit der Unsicherheit. Zwar gelang es, die Lage zu stabilisieren und zwischen Basel und dem Bodensee bis 365 eine neue Befestigungslinie aufzubauen. Aber im Jahr 401 musste auch diese Linie geräumt werden. So legte man das Ende der römischen Schweiz auf dieses Datum. Heute nimmt man an, dass der Übergang von der Welt der Spätantike in die Welt des frühen Mittelalters nur allmählich und anscheinend gewaltlos erfolgte und dass die Zeitgenossen sich dieses Wandels gar nicht bewusst wurden. Einen Germanensturm um 400 gab es nicht. Wichtig war, dass die Ereignisse seit 260 einen Auswanderungsstrom Richtung Italien ausgelöst hatten. Ein grosser Teil der römischen Gutshöfe wurde aufgegeben, die Bevölkerungsdichte sank. Die neue germanische Bevölkerung sickerte langsam ein, sie suchte nicht Beute, sondern aufgegebenes Siedlungsland.

Die ersten, die kamen, waren die Burgunder. Sie hatten 406/7 mit andern germanischen Stämmen den Rhein überschritten und in der Landschaft, die heute noch «Burgund» heisst, ein kurzlebiges Reich gebildet. 436 jedoch wurde dieses Reich in den Kämpfen zwischen dem römischen Feldherrn Aetius und den aus Ungarn eingedrungenen Hunnen aufgerieben. Die Reste der Burgunder wurden von Aetius 443 im Raum Genf und am nördlichen Genferseeufer bis Lausanne als römische Hilfstruppen angesiedelt. Sie machten höchstens einen Viertel der einheimischen gallo-römischen Bevölkerung aus, welche nach dem Ansiedlungsgesetz von 398 ihren Grundbesitz mit den Neuankömmlingen zu teilen hatte. Das war die römische Lösung des Asylantenproblems. Die Burgunder assimilierten sich rasch und nahmen die Sprache der Gallo-Römer an. Rund 100 Jahre später wurde das Burgunderreich dem stärkeren fränkischen Reich der Merowinger eingegliedert.

Die Alemannen kamen später. Sie waren nach 260 ans rechte Rheinufer vorgerückt. Von dort aus versuchten sie, ihr Siedlungsgebiet nach Osten, in den Raum der oberen Donau, nach Westen ins Elsass und schliesslich an den Niederrhein auszuweiten. Bei diesem letzten Versuch erlitten sie gegen die Franken 496/7 eine Niederlage. Mit ihr wird die Einwanderung der Alemannen in den Raum südlich des Rheins zusammengebracht.

Der Flüchtlingsstrom ergoss sich in das nur noch dünn cbesiedelte Kulturland. Die Neuankömmlinge vermieden die Konfrontation mit den romanischen Siedlungskernen, und nur allmählich kam es zu einer Assimilation, die zugunsten der an Zahl zunehmenden Alemannen verlief. Ablesbar ist ihr Vordringen nach Westen an den Siedlungsnamen. Der Raum des Seelandes bildete die Grenzzone. Hier entstand die Sprachgrenze, welche allerdings noch jahrhundertelang veränderlich blieb. Die zwei nebeneinander bestehenden Namensformen Bellmund/Belmont erinnern also an jene geschichtlichen Ereignisse, die im Gebiet unseres Landes eine viersprachige Nation entstehen liessen.

Es gibt mehr als ein Bellmund

Der Ortsname «Belmont» ist recht verbreitet. lm Kanton Bern kommt er vor in der Gemeinde Safnern in der Abart «Blämung» und in der Gemeinde Saanen: «uf em Permunt», 1321 belmont, 1659 Bellmund. Beide Örtlichkeiten liegen in der sprachlichen Grenzzone. Dasselbe gilt für die Lokalität «Belmont›› bei Bex im waadtländischen Bezirk Aigle, wo einst eine Kirche stand. Der Ort tritt in einer Urkunde von 1228 als «Belmunt» auf.

lm Waadtland finden wir ferner die Gemeinde Belmont im Bezirk Lausanne, in prächtiger Aussichtslage auf 640 m Meereshöhe über Pully gelegen, dann Belmont bei Yverdon mit den Überresten einer Burg. Je einmal kommt Belmont im Kanton Freiburg und im Kanton Neuenburg vor. Der freiburgische Weiler Belmont liegt 5 km südwestlich von Avenches im Bezirk Broye an einem Ausläufer des Jorat und war ebenfalls Standort einer Burg. Das neuenburgische Belmont ist ein Weiler der Gemeinde Boudry im gleichnamigen Bezirk. Blicken wir über die Grenze, so finden wir in der Franche-Comté gleich noch einmal vier Geschwister unserer Gemeinde. lm Département Doubs gibt es ein Belmont bei Orsans, 5 km westlich von Vercel, und die Ortschaft Bermont, historisch ebenfalls als Belmont nachgewiesen. lm Département Haute -Saöne liegt Belmont 12 km nördlich von Lure und ist bereits 1228 aktenkundig. Die vierte Ortschaft dieses Namens liegt im Département Jura zwischen Dole und Salins am Nordhang des Loue-Tales. Ein befestigter Platz schützte die römische Strasse, die dort die Loue überschritt.

Historische Namensformen: Ecclesia Belli-Montis, Balli-Montis, de Belmonte, Balmont, Bermont und Bellemont. Allen vier Belmont-Orten ist gemeinsam, dass sie auf erhöhtem Punkt über einem Tal oder einer Senke erbaut wurden, dass sie an einer alten Strasse, einer keltischen oder mittelalterlichen Salzroute, einer Römerstrasse liegen und dass sie mit einer Burg oder mindestens mit einem Turm bewehrt waren. Wenn wir an die Knebelburg, die Lage unserer Gemeinde und an eine mögliche Römerstrasse durch unsere Gemeindegemarkungen denken, dann passt unser Bellmund sehr gut zu den Geschwistern.

Natürlich ist die Namenstorm «Belmont›› noch weiter verbreitet, zum Beispiel als «Belmonte» im italienischen und spanisch-portugisischen Sprachbereich. 500 km südlich von Salvador in Brasilien fliesst der Rio Belmonte bei der gleichnamigen Stadt in den Atlantik. Das südafrikanische Belmont liegt 50 km südlich der Diamantenstadt Kimberley. ln den Vereinigten Staaten kommt Belmont gleich fünfmal vor: in Massachusetts als Stadtteil von Boston, am Mississippi 40 km südlich von Cairo im Staat Missouri, in Nevada 300 km östlich vom Lake Tahoe, als Stadtteil von New York 10 km nördlich von Manhattan und im gleichen Staat 150 km südöstlich von Buffalo am Erie-See. Ob eine der Siedlungen gar aus ausgewanderte Bellmunder zurückgeht, muss offen bleiben.

Eine andere Deutung und ein Wappen

Wappen sind Glückssache. An der Landesausstellung in Zürich von 1939 sollte jede der dreitausend schweizerischen Gemeinden auf dem Höhenweg mit ihrem Wappentuch vertreten sein. Ein historisches Bellmunder Wappen, Zurückgehend beispielsweise auf eine Adelsfamilie, gab es nicht. Das bernische Staatsarchiv machte deshalb den Gemeinden, die ein Wappen benötigten, Vorschläge, aus denen die Gemeinderäte ein passendes Wappenbild auswählen konnten. lm «Wappenbuch des Kantons Bern», 1981 zum Jubiläum der Verfassung von 1831 herausgegeben, lesen wir die folgende heraldisch korrekte Beschreibung unseres Gemeindewappens: «Geviert von Rot und Silber, überdeckt von einem rechtsschräg gestellten silbernen Krummstab, begleitet in Zwei und Drei von zwei roten Sonnen» lnteressant ist nun der Kommentar: «Die Vierteilung erinert daran, dass Bellmund einer der 12 «Viertel» des Landgerichts Nidau war. Die Sonne nimmt Bezug auf den Namen, der angeblich von einem keltischen Sonnengott Belenus herkommt. Der Krummstab weist darauf hin, dass Bellmund im 12. Jahrhundert Sitz eines Cluniazenserpriorats war. Die Gemeinde führt das Wappen seit 1941. Die letzte Information wird bestätigt durch einen im Gemeinderatsprotokoll festgehaltenen Beschluss. Mit den 12 «Vierteln» wird man etwas Mühe haben, man darf das Wort «Viertel» nicht zu wörtlich nehmen, sondern muss es ersetzen durch «Abteilung» oder «Gerichtsbezirk». Mit dem Priorat hat es seine Richtigkeit, Hingegen können wir den Belenus getrost den Bielern überlassen zur Erklärung des Stadtnamens. Die Sonnen hingegen werden im Bellmunder Wappen bleiben als Beweis dafür, dass man sich auch im bernischen Staatsarchiv irren kann. Friedrich Ludwig Haller leitete in seinem Werk «Helvetien unter den Römern» (ll 301)den Namen Bellmunds von «Beli mons» _ «Berg des Bel oder Belenus» ab_ Von dort gelangte die Deutung in die «Heimathkunde des Kantons Bern» von Egbert Friedrich von Mülinen.