Das Bauerngut auf dem Fäggenhubel

Zwischen Brüttelen und Treiten fährt man an einem rechts der Strasse sich erhebenden niedrigen Moränenhügel vorbei, welcher noch im 17. Jahrhundert mit Eichenwald besetzt war. Dieser Wald ist natürlich längst verschwunden, und aus dem Grün einiger Bäume grüsst ein Rieghaus die Vorüberziehenden, das Bauerngut Fäggen.
Auf diesem Hof hat General Johannes Weber, im Dorfe als Kirchmeiers Häus bekannt, im Kreise von 6 Geschwistern seine Jugendjahre zugebracht. Die Familie Weber, Kirchmeiers, war nicht nur im Dorfe wohlangesehen, sondern auch bei den Gnädigen Herren in Bern. Vater Abraham Weber und Johanns Bruder, ebenfalls ein Abraham, nahmen Handgeld in bernischen Regimentern in französischen oder holländischen Diensten. Häus aber verdingete sich vorerst bei einem Herrn von Graffenried, Landvogt zu Erlach und half dessen Rebgut in Ins bewirtschaften.
Aber der Karst wollte sich ihm nicht recht in die Hand schicken, ein Säbelgriff wäre ihm lieber gewesen. Mit guten Empfehlungen seines Patrons ausgerüstet reiste er zu Fuss, fast noch ein Knabe, nach den Niederlanden und nahm Handgeld beim Bernerregiment May. Hier arbeitete er sich durch seine Tüchtigkeit, seine hohe Begabung, vom Soldaten bis zum Range eines Brigademajors und Generalquartiermeisters empor und sammelte auf den Feldzügen von 1794 und 1795 grosse kriegerische Erfahrungen.
Es reizt mich, einige Sätze über sein Verhältnis zur Mannschaft zu zitieren, welche ich in Friedlis „Ins“ gefunden habe. Der Offizier Johannes Weber wäre nämlich unter den heutigen viel belächelten langhaarigen Offizieren überhaupt nicht aufgefallen, wenn man ihn in eine Schweizeruniform heutiger Ordonnanz hätte stecken können. Wir lesen mit einem leisen Schmunzeln:

«Sie hei Respäkt vor ihm ubercho. Aer isch sträng gsy u scharpf mit ne u het sie la Spiesruete lauffe, wen ers het nöötig gfunde. Aber dernäbe het er si gwunne dür si Unparteilichkeit. U wen er de so i sie ganze schöne Gstalt cherzegrad vorne gstanden isch, mit dene länge schöne Chruselhaar, wo ner ganz apartig guet darzue gluegt het, de hei si nid anders chönne, weder ne gärn haa. Aer het als der schönst Maa i sim Regimänt g'gulte, un e Franzos het ihm un fin Matou gseit.»

Nach dem Falle Hollands kehrte er ins väterliche Heim zurück und lebte dort von der kärglichen Pension, welche das Haus Oranien den gewesenen Offizieren ausrichtete, bis sein Vaterland vom nämlichen Schicksal bedroht wurde wie seinerzeit Holland. Der Oberbefehlshaber der bernischen Truppen im Abwehrkampf gegen Frankreich, General von Erlach, berief unsern Johannes Weber als Generaladjutant in den Generalstab. Doch gesundheitlich gerade auf der Höhe war er zu dieser Zeit nicht. Oberstquartiermeister von Graffenried musste dem General melden: «Herr Weber leidet an Hypochondrie und erträgt die Anstrengung nicht.»
Das war Mitte Februar 1798 so, besserte sich aber sehr rasch, sonst hätte der zum Verteidiger von Neuenegg gewählte von Grafenried nicht ausgerechnet ihn als  Adjutanten genommen. So vollständig muss die Heilung gewesen sein, die Tatkraft so ungeschwächt wieder vorhanden, dass es nach Feller noch heute umstritten ist, welchem von beiden das Verdienst der eigentlichen Führung im siegreichen Kampf um Neuenegg eigentlich zufällt. Für unsern Schulmeister war es schon vor Jahrzehnten eindeutig klar, dass nur der Seeländer den Kampf entschieden, Weber als Sieger von Neuenegg zu gelten habe.Nachdem aus der alten Eidgenossenschaft die helvetische Republik erstanden war, stellte Weber seine Fähigkeiten als Offizier der obersten Landesbehörde, dem Direktorium, zur Verfügung. Sicher tat er das nicht ohne grosse Bedenken, denn er sah voraus, dass er nun mit den Franzosen werde zu marschieren haben, jenen Franzosen, gegen welche er in seiner ganzen bisherigen Laufbahn gekämpft hatte, sowohl in Holland als auch in Verteidigung des Heimatlandes. Was er vorausgesehen, traf nur zu rasch ein. Die Plünderung des bernischen Staatsschatzes hatte Napoleon die nötigen Mittel verschafft für sein ägyptisches Abenteuer. Sobald er Europa den Rücken gekehrt hatte, erklärte Österreich den Franzosen den Krieg.


Wir möchten nicht näher auf das kriegerische Geschehen eintreten. Johannes Weber stand mit seiner helvetischen Legion in der vordersten Vorpostenlinie bei Frauenfeld, um den ersten Stoss der Österreicher aufzufangen. Auf einem Rekognoszierungsritt schlug ein unerbittliches Schicksal zu. Einem tirolischen Scharfschützen soll der flotte Reiter in die Augen gestochen haben. Er legte mit seinem zweiläufigen Stutzer hinter einem Baum hervor auf Weber an, doch fehlte der erste Schuss, der zweite aber traf Johannes hinter dem rechten Ohr und blieb im Kopf stecken. Der schwer Verletzte stürzte und konnte nicht mehr sprechen. Das Liegen verursachte ihm fürchterliche Schmerzen, weshalb er, von zwei Soldaten unter den Armen gestützt, aufrecht fast eine halbe Stunde weit nach Frauenfeld gebracht wurde. Man legte den Verwundeten in das Bett und machte sich auf die Suche nach einem Arzt, doch konnte keiner gefunden werden. Ohne Verband, ohne weitere Pfiege und immer bei vollem Bewusstsein kämpfte er seinen fast unerträglich schmerzhaften letzten Kampf. Wir möchten unsern Bericht mit einem Abschnitt in Brütteler Mundart schliessen, in welchem Friedli des Todes von General Weber mit folgenden Worten gedenkt:

«Im Huus vom Statthalter, wo man ihm b‘bettet het, het er ei lute Schrei nam anderen uusglaa. Zu sine Schmärze isch no der Lärm vom Gfächt choo. Drei Stund lang het er müesse liide. bis er sich äntlig, äntlig under heftigem Zucke innerlech verblüetet het. Wo ner gstorben isch, - am 25. Meie 1799 namittag am drüü - hei d'Oestrícher Frauefäld gnoo. Aber nach par Stand het der Massena (der franzäsische General) si vertribe. Un jetz het me hurti e Tootebaum zwäg zimmeret u der Wäber no warm z'Frauefäld vergrabt. Ds schönst Dänkmal het ihm. . . . . ds helvetisch Direktorium gstiftet. Am Tag vor Wäbers Tod (aber ohní, das äär öppis dra dänkt hätt) hets ne zum General vo allne helvetische Truppe gmacht - am Platz vom Solothurner Augustin Keller, wo die französische Bífählshaber us Frankrích hei la choo ghaa.

Da het du äntlig, was isch zspaat gsii, di chrützlahmí schwizerischi Regierig e chlei ds Mannli gmacht und anerchennt, was ds Vaterland a däm Wäber Häus vo Brüttele für ne Maa gha het un iez erst no hätt chönne haa."

Auf dem katholischen Friedhof von Frauenfeld endigte der Lebenslauf des Brüttelen Burgers Johannes Weber, welcher auf dem Fäggenhubel seinen Anfang genommen hatte. Dank seiner angeborenen Talente und eines kräftigen Willens war der Bauernbub hoch hinauf gestiegen, aber leider fern der Heimat in ein vorzeitiges Grab gesunken. Der französische Marschall Soult zollt ihm in seinen Memoiren hohe Anerkennung als einem «officier d'un rare mérite».

 

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