Walperswil

Auf dem Hügel

Der Hügel, auf dem das Dorf und die Kirche von Walperswil stehen, ist weithin sichtbar. Diese Weite und Offenheit der Landschaft haben die Bewohner des Dorfes geprägt. Und doch ist dies nur die eine Seite. Die andere erfährt, wer in das Dorf einzieht und sich hier niederlässt. Schon bald spürt er, dass da noch eine andere Seite sich auftut. Die Bewohner sind durch einen ausgeprägten Zusammenhalt miteinander verbunden. Eine Gemeinschaft wird sichtbar, deren Stärke wohl nur durch eine ganz besondere Verwurzelung mit diesem Hügel zu erklären ist. ln Erinnerungen und Erzählungen wird sichtbar, wie noch Spuren aus der ganz alten Zeit bei den heute Lebenden nachwirken. Bestimmt könnten Ausgrabungen noch manch ein Geheimnis lüften und da und dort eine Vermutung bestätigen. Und doch macht vielleicht gerade das die Besonderheit und die Eigenart von Walperswil aus: Hier verbindet sich das offen Zugängliche mit dem lebendigen Ahnen, das sichtbar Einfache mit dem verwoben Verborgenen. Mit nur wenig Phantasie kann man sich vorstellen, wie zur Zeit der Römer von diesem Hügel aus der überblickbare Abschnitt der Strasse von Aventicum nach Petinesca überwacht und gesichert wurde. Um die vermutete Militärstation der Römer liessen sich bald einmal keltische Ureinwohner und Helvetier nieder, Bauern und Handwerker, die Schutz und Einkommen zugleich fanden. Der Lauf der Zeit veränderte nur leicht das Bild dieser Siedlung mit ihren eng beieinander stehenden Häusern.

Erste Kapelle

Nach dem Untergang des römischen Reiches und den Wirren der Völkerwanderung liess sich ein Ritter in Walperswil nieder und baute sich hier sein festes Haus. Er wird die Kräfte der Dorfbewohner zu seinem Nutzen beansprucht und ihnen dafür den Schutz ihres Lebens gegen aussen gesichert haben. Kennzeichen des Mittelalters war das Wissen darum, dass nicht nur der irdische Schutz notwendig, dass ein Dorf auch des himmlischen Schutzes gewärtig sein muss. So kam es zum Bau einer Kapelle, dem Grundstein zu unserer heutigen Kirche von Walperswil. Drei Heilige sind die Schutzpatrone dieser Kapelle: Andreas, Margaretha und Petronella. Nach der Legende war der Apostel Andreas ein tüchtiger Missionar und eifriger Erbauer von Kirchen. Von ihm heisst es «er war schön in seinem Leben, antwortend in seiner Lehre und männlich im Leiden». Von Margaretha, einer schönen christlichen Jungfrau aus Antiochia heisst es, dass sie ihren Namen nach einem kostbaren Edelstein trug, der weiss, klein und voller Kräfte war. Darum galt von ihr «dass sie Weiss war durch ihre Reinheit, klein durch die Demut und voller Kräfte, durch die Wunder, die sie Wirkte» Als eigentliche Nothelferin wurde sie angerufen «um den Fluss des Blutes zu stillen, die Leiden des Herzens zu heilen und den Geist zu stärken» Über Petronella schliesslich berichtet die Legende, dass sie von besonderer Schönheit und als Tochter des Apostels Petrus mit eindrücklicher Stärke des Gebetes begabt gewesen sei.

Viel Geschichte

In einem alten Dokument findet sich die Bezeichnung «Vabrevilla, 10. Juni 888». Es handelt sich um eine Schenkungsurkunde, mit der der König Rudolf I. von Burgund seiner Schwester die Abtei Romainmôtier übergab. Auch dieses Dokument gleicht nur einem einzelnen Mosaikstein. Es zeigt, was für verschiedene geschichtliche Fäden über diesen Hügel liefen und hier sich verknüpft haben. Man kann nur ahnen und sich ausmalen, Wer alles hier in diesem Dorfe zu Gast gewesen ist.

Zerfall und Wiederaufbau

Im Jahre 1309 starb das alte Rittergeschlecht, das über lange Zeit Leben und Geschick dieses Dorfes bestimmt hatte, aus. Das Kloster St. Johannsen übernahm die Verantwortung über die Pfrund. Wie wenig fürsorglich diese Betreuung war, zeigt das Verhalten der Betreuer. Offenbar führten die eingesetzten Pfarrer und Priester ein herrliches Leben. Für die geistlichen Aufgaben hielten sie sich einen Vikar, dem sie einen Hungerlohn ausrichteten. Sie selber hatten genug zu tun bei der Verwaltung ihrer Güter und der Besorgung von weltlichen Geschäften. Der Pfrundherr residierte auswärts, der hungernde Vikar hielt sich an den Dörflern schadlos - ein misslicher Zustand. Im Visitationsbericht des Bischofs von Lausanne aus dem Jahre 1453 kommt es darum zu Rügen und Vorwürfen. Festgehalten wird, dass Kirche und Pfarrhaus in vernachlässigtem Zustand seien. Festgehalten wird aber auch, dass die Walperswiler als nicht besonders kirchenfreundlich galten. Das aber ist vielleicht doch nicht so verwunderlich. In der Folge wurde versucht, wie zu der Zeit in vielen seeländischen Kirchen, das gottesdienstliche Leben neu zu ordnen. In Walperswil geschah dies mit wenig Erfolg. Gegenseitige Vorwürfe zeigen, zwischen Pfarrer und Gemeinde waren tiefe und unüberwindliche Gräben. Die Zeit war reif für die Reformation.

Die heutige Kirche

Anlässlich der Aussenrenovation der Kirche zeigte sich, dass die Walperswiler doch an ihrer Kirche gehangen haben müssen. lm fünfzehnten Jahrhundert ging man nämlich an einen Neubau der Kirche, der die alte Kapelle zu ersetzen hatte. Die ersten Steine über dem Fundament zeigen grosse und sorgfältig behauene Steine. Ganz offensichtlich hatte man Grosses im Sinn. Aber bald einmal harzte es beim Bau. Die Geldmittel fehlten. Walperswil erhielt die Erlaubnis, bei den umliegenden Gemeinden mit Bettelbriefen zusätzliche Finanzmittel zu beschaffen. Aber es blieb harzig. So baute man von 1484 - 1492. Die Mittel flossen wohl nur spärlich, die Gemeinde war überfordert.

Immerhin, ein Resultat aus dieser Bauzeit war auch die Errichtung des heutigen Kirchturmes. Vorerst wurde nur eine einzige Glocke in diesen Turm gehängt. Nach einer alten Überlieferung soll es die Glocke sein, die ursprünglich im Dachreiter der Kapelle hing, dieselbe auch, die noch bis vor kurzem der Gemeinde als Feuerglocke diente und noch heute zuoberst in der Glockenstube zu finden ist. Im Jahre 1586 scheint eine zweite Glocke dazu gekommen zu sein. Diese ist heute im Kirchenraum unter der Kanzel zu finden - sie trägt ausser der Jahrzahl auch den Spruch «Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit››. 1678 wurde die Kirche erweitert. Auf der Turmseite wurde das Schiff in seiner ganzen Länge um etwa zwei Meter nach aussen verbreitert. Da der First bei diesem Umbau seinen Platz behielt, zeigt von da an das Kirchendach zwei verschiedene Neigungen. Weiteren Raum gewann man durch die Errichtung der alten Portlaube, die erst 1956 - anlässlich der Innenrenovation der Kirche - abgebrochen und durch die Gestaltung der heutigen Portlaube ersetzt wurde.

Kostbarkeiten

Verschwunden sind leider die vier Wappenscheiben. Sie waren 1678 von der Stadt Bern, dem Deutschseckelmeister und von zwei Vennern gestiftet worden. Ihre besondere Schönheit wird nur noch in alten Urkunden festgehalten. Ebenfalls verschwunden sind die Scheiben, die 1581 der bernische Rat gestiftet haben soll. Erhalten geblieben aber ist das schöne Chorgestühl und die Kanzel. Im Kanzelhut ist in markanten Buchstaben der eindrückliche Spruch Jeremias zu lesen: «Ist nit min Wort wie ein Für und wie ein Hamer der die Felsen zerschmäteret spricht der Jerem am 23.29.»
1845 erst wurde in der Kirche eine Orgel errichtet, die 1912 ausgebaut – im wesentlichen aber bis zum Jahr 1956 unverändert blieb. lm Zuge der Innenrenovation wurde sie durch eine neue Orgel ersetzt. Die alte Orgel erhielt, nach langem Warten im Magazin, 1972 einen neuen Ehrenplatz. ln neuem Glanze ist sie in der renovierten Kapelle (der ehemaligen Siechenhauskapelle) der Waldau zu finden. Das heutige Geläute der Kirche wurde 1936 im renovierten und verstärkten Turm aufgezogen. Alle drei Glocken tragen die Inschrift «Walperswil-Bühl 1936››. Sie dokumentieren damit den Zusammenhalt der beiden Gemeinden Walperswil und Bühl zu einer Kirchgemeinde. Die am höchsten hängende Glocke trägt als einzige noch einen Spruch: «Herr„ deine Güte reicht, soweit der Himmel ist, und deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen. Psalm 36,6» Im selben Jahr wurde auch die Turmuhr und das Schlagwerk, das die vollen Stunden und die Viertel schlägt, angeschafft. Aber noch weitere zwanzig Jahre wurde vom Sigristen die Glocken von Hand geläutet.

Grosse Renovationen

1956 machte man sich, wie bereits erwähnt. an die lnnenrenovation der Kirche. Sorgfältig versuchte man das erhaltenswerte Alte mit gutem Neuen zu verbinden. Die Geborgenheit und Wärme des Innenraumes zeigen auch heute noch, dass dieses Unternehmen geglückt ist. Weitere zwanzig Jahre gingen ins Land. Wiederum begann man in Walperswil miteinander zu diskutieren und sich zusammenzutun. Diesmal ging es um die Aussenrenovation der Kirche. Mit der Umsicht des Architekten F. Mathys-Laubscher und in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege konnte die Baukonımission im Auftrag der Kirchgemeinde zügig vorangehen. Planung und Ausführung gingen reibungslos über die Bühne. Wer heute vor der renovierten Kirche und im neu gestalteten Kirchhof steht, der spürt am gelungenen Werk, mit welcher Freude und Hingabe die Handwerker gearbeitet haben. Alle kleineren und grösseren Veränderungen aufzuzählen würde wohl zu weit führen. Nur eines sei noch festgehalten und als Besonderheit erwähnt: Es sind dies die beiden alten Fenster, in deren Sturz je ein Eselsrücken zu finden ist. Diese beiden Fenster sind bei der Verputzerneuerung zum Vorschein gekommen und man hat sie nun, als Zeugen aus alter Zeit, sichtbar erhalten. Es ist durchaus denkbar, dass sie einmal sogar noch zur alten Kapelle gehört haben.

So ist die Kirche von Walperswil zu einem Schmuckstück für das ganze Dorf geworden. An uns allen wird es sein, dazu beizutragen, dass unsere Kirche ein Ort der Begegnung bleibt.