Twann Kirche
Wehrhaft und erhaben
Twann ist mehr als eine Reise Wert. Zumindest sollte eine auf «Schusters Rappen››, eine mit «fahrbarem Untersatz» oder mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel zur Durchführung gelangen, um die herrliche Landschaft - von welcher Jean-Jacques Rousseau einst schwärmte, während und nach seinem Besuch der St. Petersinsel – unter verschiedensten Aspekten kennenzulernen. Stellen wir uns vor, unser Motorboot nimmt jetzt Kurs auf die Schiffländti. Unser Blick schweift vom Chapfgut zur Chanzel und erfasst am Fusse des Jura-Steilhanges den Kern des alten und wunderschönen Winzerdorfes am Bielersee. Unser Reiseziel ist seine Kirche. Diese überragt die doppelzeilige Häuserfront wie eine wachsame Glucke ihre Kücklein. Wir streifen durch die Dorfgasse. Weder Blumenschmuck noch künstlerisch gestaltete Steinmetzarbeiten an Türen und Toren entgehen unseren Blicken. Wir passieren den romantischen Winkel zwischen Burgweg und Bärenländti. Gespannt sind wir auf den Anblick der Kirche aus der Perspektive der Dorfgasse. Nach wenigen Schritten empfangen wir ihren freundlichen Anblick. Am Fusse ihrer steinernen Einfriedung angelangt, wirkt sie Wehrhaft und erhaben auf uns. Ob sie ursprünglich zu den Wehrkirchen des Seelandes gehörte, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Blumenrabatten und Grünpflanzen verleihen ihr nunmehr einen Hauch von Festlichkeit und Sonntagsfeier. Nachdem wir durch das Seitenportal Zugang gefunden haben, werden wir überrascht von der Nüchternheit grosser weisser Wandflächen, welche den warmen bis kernigen Farben ihrer Innenaustattung zu korrespondieren scheinen. Wir nehmen freundliche Erklärungen entgegen: Der erste Abschnitt der Innenrenovierung sei am 1. November 1977 eingeleitet worden und im Herbst 1978 zum Abschluss gekommen. Die provisorische Abstützung der Orgelempore erinnere an Bauvorhaben, welche im Laufe des Jahres 1980 fortgesetzt wurden. Dann sei in der Tat ein weiterer Besuch fällig, um die Neugestaltung der Orgelempore, der Orgel, des Turmeinganges und nicht zuletzt des ehemaligen Beinhauses und späteren Archivraumes zu bewundern.
Verändertes Aussehen
Wenden wir uns nun Kirchenschiff und Chorraum zu. Wie zumeist alle alten Kirchen, so ist auch die Twanner Kirche geostet. Das heisst, die Achse der Gebäudeformation vom Turm und Kirchenschiff zum Chorraurn wurde in westlich-östliche Ausrichtung gelegt. Seit den österlichen Berichten des Neuen Testamentes spielt die Himmelsrichtung des Sonnenaufganges im christlichen Kirchenbau eine wesentliche Rolle. Eine Teilnehmerin unserer Exkursion bricht das schweigsame Forschen, indem sie unvermittelt ruft: «Das ist nicht mehr meine Kirche, in welcher ich getauft, konfirmiert und getraut worden bin! Seinerzeit waren Kanzel und Schalldeckel in ihrer Südwand befestigt, jetzt sind sie an der Nordwand zu sehen. Früher war die Kanzeltreppe aus Steinstufen gebildet, heute ist sie aus Holz gefertigt und mit einer hölzernen Wandung versehen. Sogar der Taufstein hat einen anderen Platz bekommen. Damals stand der Taufstein fast in der Mitte des Chorraumes und ersetzte - wie in so vielen anderen bernischen Kirchen auch - den Altartisch. Wie kann man sich in dieser Kirche noch heimisch fühlen?›› - Diese Frage, so berechtigt sie ist, wird von den meisten Gliedern der Kirchgemeinde Twann jedoch positiv beantwortet. Denn Taufstein, Kanzel und Schalldeckel haben lediglich ihren ursprünglichen Standort bekommen. Hier erhalten sie ihre spezifische Bedeutung und kommen ausserdem noch besser zur Geltung als früher. Andererseits sind diese rechtfertigenden Feststellungen noch keine klärende Begründung für grundlegende Veränderungen in den Gotteshäusern. Wir können hier nur allgemein und mit einem Anflug von Bedauern feststellen, dass jede Epoche sich der grossen Versuchung ausgesetzt gesehen haben mag, ihren Zeitgeschmack durch bauliche Veränderungen auch den Kirchen aufzuprägen. Was dabei herauskommt, sehen wir an den verschiedensten Stilelementen von der Spätgotik über die Renaissance- und Barockzeit bis zur Neugotik, welche nebeneinander auch in der Twanner Kirche ihr Dasein behaupten. Angesichts dieser Tatsache müsste man sich vor jeder baulichen Veränderung die Frage vorlegen: Wollen wir die bauliche Substanz erhalten und zwar so wie sie vorhanden ist, oder wollen wir historisierend renovieren? Bei einer historisierenden Renovation entsteht die Frage: Welcher Stilepoche die Priorität zugestanden werden soll und muss. Bei der Einführung der neugotischen Stilelemente war man sich zumindest bewusst, dass dem gotischen Stil in der Gesamtanlage Rechnung getragen werden müsse.
Kostbares Erbgut
Die zwei kleinen gotischen Fenster, welche unter Putz und Mauerwerk freigelegt wurden, geben der Südwand eine ansprechende Auflockerung im Kontrast zu der mehr geschlossen wirkenden Wand im Norden. Darüber hinaus geben sie uns Veranlassung, über die Anfänge des christlichen Kirchenbaus in Twann nachzudenken, zumal die Südwand besonders auch in diesem Abschnitt noch zum architektonischen Urbestand des Gotteshauses gehören dürfte. Die Hinzugewinnung dieser beiden Fenster verleiht der Kirche gewiss eine neue Note. Der aufmerksame Beobachter ist fast geneigt, die Entstehungszeit der beiden Fenster in einen Zusammenhang mit der archaischen Form der Gotik zu bringen. Ob im weiteren Verlauf der Renovierungsarbeiten im Turmraum, an der Empore und bei Erstellung einer neuen Orgel in angemessener Weise an der Tradition des Ursprungs festgehalten werden Wird? Beginnen wir mit dem Chorgestühl aus der Werkstatt des Kaspar Keller, welches mit reichem Schnitzwerk versehen ist und die Jahreszahl 1666 trägt, wobei zunächst an die äussere Sitzreihe zu denken ist. Die innere Sitzreihe dürfte etwas später hinzugekommen sein. Die Sitzplätze waren früher durch kleine Hauswappenschilder gekennzeichnet und somit für die Honoratioren reserviert. Das Chorgestühl wird von jedem Zeitgenossen als kostbares historisches Erbe betrachtet und ist aus dem Chorraum nicht wegzudenken. Diese Einschätzung ist zweifellos richtig und wichtig. Wenn wir aber wissen wollen, wie unsere Kirche um das Jahr 1528 oder noch früher ausgesehen haben mag, müssen wir zugestehen, dass der Chor ganz anders gestaltet war und die seinerzeit vorhandenen Einrichtungsgegenstände, obwohl sie, kunsthistorisch betrachtet, nicht nur älter waren, sondern auch einer anderen Stilepoche angehörten, dennoch weichen mussten. Ein Schmuckstück besonderer Art ist nun auch die Kanzel. Ihre korbartige Wandverankerung ist aus dem gelblich leuchtenden Neuenburger Gestein angefertigt und neben reichen Verzierungen mit dem Signum der Produktionsstätte und der Jahrzahl 1623 versehen. Ihr hölzerner Aufbau trägt von Fläche zu Fläche den Zierrat geschmackvoller Einlegearbeit. Wenn wir nun auf den Schalldeckel oder Kanzelhut zu sprechen kommen, müssen wir feststellen, dass er zur Kanzel ursprünglich nicht angefertigt worden ist. Umfang, Schmuckwerk und Stil gehören einem jüngeren Zeitgeschmack an. Allerdings ist der Schalldeckel kein ästhetisches Beiwerk zur Kanzel. Er soll diese nicht nur nach oben geschmackvoll abschliessen. Seine besondere Funktion besteht darin, den Schall der Wortverkündigung den Hörern im Kirchenschiff zuzuwenden. Ob die akustischen Probleme in der Twanner Kirche auch mit der unverhältnismässig hohen Position des Schalldeckels zusammenhängen, sollte einer speziellen Untersuchung wert sein. Der Taufstein steht zwar wieder in seiner alten Bodenverankerung aber seine ursprüngliche Gestalt und Schönheit hat er weitgehend durch handwerkliche Veränderungen früherer Generationen eingebüsst. Dennoch ist er von Bedeutung, weil er scheinbar zu den ältesten Einrichtungsgegenständen der Kirche gehört.
Bald Tausendjährig
Dieser Hinweis legt uns die Frage nach Alter und Entstehung der Twanner Kirche in den Mund. Wir werden es kaum fassen können, dass sie zu den ältesten Kirchbauten des Seelandes gehört. Leider ist ihre Geschichte von den allerersten Anfängen nicht greifbar, dass wir über weite Strecken auf Vermutungen angewiesen sind. Einige wichtige Notizen gehen auf das Jahr 1299 zurück, wo von der Einweihung einer neuen Kirche berichtet wird. Vermutlich werden am gleichen Ort zuvor bereits ältere Kultbauten gestanden haben, dass etwaige Anfänge des christlichen Kirchenbaus hier bis in das ausgehende erste nachchristliche Jahrtausend zurückreichen. Die Freiherren von Twann sind mit grosser Wahrscheinlichkeit als Stifter und Gründer der ersten christlichen Kirchbauten am Ort zu betrachten, denn der Kirchensatz lag zunächst in den Händen der Freiherren von Twann. Aber bereits im Jahre 1237 übereignete der Freiherr Cuno von Twann den Kirchensatz und alle damit verbundenen Rechte und Pflichten dem Johanniter-Kloster von Münchenbuchsee in der Form einer Schenkung. In einer Urkunde von 1225 etwa nennt er sich: , . . Cuno, advocatus Ecclesiae et domimıs de Tuamz. Übersetzt lautet das etwa so: Cuno, Anwalt der Kirche und Herr von Twann. Die ersten Pfarrherren nach dieser Schenkung sind also aus der Johanniter-Bruderschaft zu Münchenbuchsee hervorgegangen.
Der Kirchenpatron
Nun wird allgemein angenommen, dass die Kirche von Twann anfänglich dem heiligen Martin von Tours zu Ehren geweiht worden sei. Es gibt einige Hinweise, welche diese Vermutung verstärken. Martin von Tours wurde relativ früh zum Nationalheiligen des gallo-fränkischen Reiches erhoben. Sein Name wird an einigen Stellen wiederholt erwähnt. Das geht aus den Altarweihen vom Jahre 1482 hervor, zwar erst aus relativ jüngeren Urkunden, aber immerhin des Aufmerkens wert. Johannes und Martin ist damals der Hauptaltar, Antonius und Urbanus der rechte Seitenaltar und der Jungfrau Maria allein der linke Seitenaltar geweiht worden. Daraus ist zu schliessen, dass Twann als Kultort von verschiedenen kirchlichen Traditionen bereits geprägt war, dass es schon schwierig wird, eindeutige Beweise für Prioritäten zu erbringen. Seinerzeit mag bereits die Marienverehrung im Vordergrund gestanden haben; und Urbanus, dem Schutzheiligen der Winzer und des Rebbaus, wird auch keine geringere Bedeutung zugemessen worden sein.
Begräbnissitten
Anfänglich gab es im Kirchenschiff kein Gestühl. Die Gläuigen standen oder knieten auf dem gestampften Lehmboden, welcher recht uneben gewesen sein muss, zumal die Honoratioren des öffentlichen und kirchlichen Lebens ein Recht auf Bestattung im Innenraum der Kirche, und zwar möglichst in der Nähe der geweihten Altäre beanspruchten. Die übrigen Gemeindeglieder erhielten je nach Stand, Rang und Namen ihren Ruheplatz auf dem Friedhof neben der Kirche, welchen wir uns nicht so eben wie heute, sondern mit Gefälle nach Süden vorstellen müssen. Selbstmörder und Kriminelle wurden oftmals nur an der Friedhofsmauer - also auf weiteste Distanz vom geweihten Heiligtum beigesetzt. Archäologische Grabungen, welche zu Beginn des Jahres 1978 in der Kirche zu Twann im Rahmen der ersten Bauetappe eingeleitet wurden, brachten mehr als 40 Grabstellen zum Vorschein, welche sowohl im Chorraum als auch im Kirchenschiff und sogar im Turmraum anzutreffen waren. Wie es scheint, wurde diese Sitte, Angehörige in der Kirche zu bestatten, sogar bis in die nachreformatorische Zeit fortgesetzt. Somit ist die Wertschätzung des Gotteshauses unter der Bevölkerung zu Twann offenkundig. Dennoch werden wir uns die Kirche in ihren ersten Anfängen als kleinen schlichten Versammlungsraum vorzustellen haben. Das Kirchenschiff war durch eine einfache Schranke vom Chor getrennt, soweit der Triumphbogen diese Unterscheidung nicht bereits deutlich sichtbar machte. Innerhalb des Triumphbogens stand oder hing das Kruzifix.
Wie es war
In die nördliche Chorwand wurde früher zumeist das Sakramentsschränkchen eingebaut, welches der Aufbewahrung von Hostie und Monstranz dienen sollte (auch Tabernakel genannt). Das Tabernakel konnte aber auch als Sakramentshäuschen einen gesonderten Platz im Chorraum einnehmen. Damit die gottesdienstliche Gemeinde den Aufbewahrungsort immer vor Auge habe, wurde dem sogenannten Ewigen Licht die Funktion eines demonstrativen Signals zugewiesen. Die Fensteröffnungen waren ganz früher weitaus enger und kleiner als heute; ohnehin war ihre Verglasung damals auch schon ein aufwendiges Unternehmen, so dass man sie notgedrungen mit Tüchern versah. In den Jahren 1666-1668 wurden an der Kirche grundlegende innen- und aussenarchitektonische Veränderungen vollzogen mit dem fragwürdigen Ziel, die vorreformatorische Form der Anlage durch einen einheitlichen Predigtraum zu ersetzen. Dabei wurde die Trennlinie zwischen Chor und Schiff durch Entfernung des Triumphbogens aufgehoben. Ferner wurde der von seiner ursprünglichen Grundfläche sich ausdehnende polygonale Chorraum ganz der Nordwand des Kirchenschiffes angepasst. Der Chorraum verlor somit seine spezifische Eigenständigkeit; das zugunsten des Kirchenschiffes, welches durch Integration des Chores die jetzt noch vorfindliche Geschlossenheit gewann. Auch die Kirchenfenster wurden verändert und verloren dabei ihre Masswerke. Damals ist auch die Kanzel von der Nordseite auf die Südwand versetzt worden, ein Umstand, welcher in der ersten Renovierungsphase von 1977-1978 zu der Überlegung veranlasste, der Kanzel ihren alten angestammten Platz wieder zurückzugeben. Alle seit 1668 von Zeit zu Zeit notwendigen Renovationen haben der Kirche über lnventarerneuerung oder -versetzung hinaus keine wesentlichen Veränderungen mehr eingebracht. Die Anpassung an unsere modernen Lebens- Voraussetzungen ist vollzogen. Vorangehende Innenrenovierungen der Jahre 1902 und 1930 haben dazu den Weg bereitet. Das äussere Gewand der Kirche, so wie wir es heute betrachten können, ist in den Jahren von 1951 -1953 gestaltet worden. Nach dieser Exkursion in die fernere und nähere Geschichte werden wir durch den Anblick der schönen Buntglasfenster in die Gegenwart zurückgerufen.
Erzählende Farbfenster
Sie wurden in einer gottesdienstlichen Feier am 4. März 1979 ihrer Bestimmung übergeben. Der Künstler, Max Brunner aus Unterramsern, hat seine Aufgabe, nach vorgelegten biblischen Themen ein figürliches Erzählband zu schaffen, hervorragend und wegweisend gelöst. Jedes Fenster trägt ein mehr oder weniger in sich geschlossenes Thema. Nacheinander kunden sie von dem grossen Heilsgeschehen Gottes an seinem Bundesvolk des Alten und Neuen Testamentes. In ihrer Gesamtausführung sind die Buntglasfenster mit einer wertvollen Perlenschnur zu vergleichen, auf welcher in einer bewegten Bildersprache dem bildgesteuerten Zeitgenossen biblische Wahrheiten aufleuchten und ins Bewusstsein gehoben werden. Beginnen wir mit der Deutung des Bildschmuckes bei dem Versöhnungsfenster, auf der Nordseite des Kirchenschiffes. Es erzählt von der Errettung Noahs und der Geborgenheit des menschlichen und tierischen Lebens in der Arche. Nach Gottes Versöhnungsplan ist inmitten der zerstörerischen Sintflut für Mensch und Tier eine Hoffnung auf Zukunft gesetzt, lhm folgt das Exodusfenster mit Gottes Zusage an Moses beim Auszug der Kinder Israel aus Ägypten. Gottes Bote steht zwischen Moses und dem kriegerisch heraufziehenden Pharao. Er lenkt nicht nur das Rad der Geschichte, sondern veranlasst auch den Jubelruf: «Mit Mann und Ross und Wagen hat sie der Herr geschlagen!›› Das sogenannte Weihnachtsfenster erzählt die Geburtsgeschichte des verheissenen Gottessohnes. Unter die anbetenden Hirten hat der Künstler eine Frau gestellt mit folgenden Attributen: Fischnetz und Rebenkorb. Unter einer fein empfundenen Vorstellung wird die Weihnachtsgeschichte aktualisiert. Zum Inhalt des Abendmahlsfensters gehören drei Einzelthemen: Jesu Abendmahl mit den Jüngern; der Verrat des Judas um 30 Silberlinge; die Fusswaschung des Petrus. Im Passionsfenster rechts daneben wird der Höhepunkt des Leidensweges Jesu auch in drei Szenen nachempfunden: Petri Verleugnung, Geisselung und Kreuzabnahme Jesu. Danach folgt das Osterfenster mit den zwei Frauen und dem Gottesboten am leeren Grab.
Das Missionsfenster ist das siebente in dieser Reihenfolge. In starken Symbolen werden Missionsbefehl und Herrschaftsanspruch des auferstandenen Christus zur Sprache gebracht: «Gehet hin in alle Welt und machet zu Jungern alle Völker. Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden . . .»
Das Pfingstfenster beschliesst zunächst den Themenkranz mit dem Bericht von der Ausgiessung des Heiligen Geistes auf die Jüngergemeinde nach Darstellung des Arztes Lukas im 2. Kapitel der Apostelgeschichte. In den weiteren beiden Fenstern könnte das biblische Erzählband fortgesetzt werden nach erfolgreichem Abschluss der zweiten Renovationsphase. Bis dahin finden Glasbilder in ihnen einen Ehrenplatz. Es handelt sich um Schenkungen aus verschiedenen Epochen. Zunächst finden wir eine Darstellung mit Huldrych Zwingli, dem Reformator der deutschen Schweiz; daneben ist Jeremias Gotthelf, der Schriftsteller und Pfarrer Albert Bitzius, dargestellt. Die Wappenscheiben im Emporenfenster sind dem Andenken zweier Persönlichkeiten gewidmet, die sich Verdienste um die Kirche erworben haben. Die erstere erinnert an den Künstler Karl Hänny (1933), die zweite trägt die Inschrift: H. Daniel Müller - Diener des Wort Gottes zu Twan - Camerarius des Erwürdigen Capituls Nidauw – 1667 und erinnert nicht zuletzt an die gravierenden baulichen Veränderungen an der Kirche in den Jahren 1666-1668.
Reich geschmückteGlocken
Nun wollen wir die Kirche wieder verlassen, nachdem wir uns in ihr intensiv umgesehen und informiert haben, und wenden uns abschliessend dem Kirchturm zu, welcher von Anfang an unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Unter seinem Zeltdach finden drei Glocken aus Vorreformatorischer Zeit nebeneinander Platz. Diese sind nicht nur hörenswert, sondern auch sehenswert. Zum Chorraum vom Turmeingang hin betrachtet, hängt in mittlerer Position die grosse Zeitglocke, links neben ihr die mittelgrosse Unwetterglocke und rechts von der grossen Zeitglocke die kleine Unser-Vater-Glocke. Diese Bezeichnungen sind nach Installation des elektrischen Geläutewerkes nicht mehr zutreffend, weil sowohl die mittlere als auch die kleine bei Zeitangaben abwechselnd ertönen. Ferner ertönt das volle Geläut zu den gottesdienstlichen Feiern. Früher wurde während des Herrngebetes zu den sieben Bitten die kleine Glocke jeweils einmal angeschlagen, was heute aus rein technischen Gründen in diesem Sinne nicht mehr möglich ist.
Beginnen wir nun mit der Betrachtung der sogenannten Unwetterglocke. Sie trägt die Jahreszahl 1436 und ist die älteste unter ihnen. Zwei Inschriften zieren sie, am oberen und unteren Rande je eine. Ihre lateinische Inschrift am oberen Rande könnte übersetzt etwa wie folgt verstanden werden: «Siehe da, ich, die Glocke, zerstöre Eitelkeiten in der Kraft Christi, ich beklage die Verstorbenen, ich rufe das Volk, ich schleudere Blitze, ich bin vollendet worden Sankt Theodole.» Nach dem Heiligenkalender wäre das etwa der 3. Mai. Die Inschrift am unteren Glockenrande in gotischen Minuskeln lautet wie folgt: «in heren der kungklichen Muter maget marien und des heilige herren s. martis ist gossen disi gloga in ogsten do man zahlt von Xps geburt mccccXXXvI.»
Übertragen ins Hochdeutsche lautet die Inschrift etwa so: «Zu Ehren der königlichen Mutter, Magd Marien und des heiligen Herren Sankt Martin ist diese Glocke im August, da man zählt von Christi Geburt 1436, gegossen worden.» Ausserdem ist sie mit vier kleinen Reliefs oberhalb der lateinischen Inschrift geschmückt. Zwischen den Inschriften befinden sich vier grössere Darstellungen: Eine zeigt einen Bischof mit Hirtenstab und Brustkreuz auf dem Gewand unter einem spätgotischen Baldachin; zweimal ist die Kreuzigungsszene mit Maria und Johannes unter dem Kreuz zu sehen; schliesslich ist noch der Christopherus mit Blütenstab dargestellt. Die grosse Zeit- oder Feierabendglocke ist am oberen Rande ebenfalls mit einer lateinischen Inschrift in gotischen Minuskeln versehen. Die Übersetzung würde etwa lauten: «O Ehrenkönig, Christe. komm zu uns mit Frieden, Maria, Sankt Johannes, 1478.» Darunter sind zwei sich gegenüberstehende Reliefs anzutreffen, welche die uns schon bekannte Kreuzigung Jesu mit Maria und Johannes unter dem Kreuz darstellen. Die kleine Vaterunserglocke ist ohne Jahreszahl. Ein lateinisches Schriftband in gotischen Ziermajuskeln bildet den Zierrat am oberen Glockenrand. Darunter sehen wir vier kleine Reliefs mit der Mutter Maria und dern Jesuskind auf dem Arm und einem anbetenden Engel jeweils in einer Mandorla (mandelförmiger Heiligenschein). Die Übersetzung des lateinischen Schriftbandes ergibt folgenden Text: «Ich glaube an Gott, den Vater. Sei gegrüsst, Maria, voller Gnaden, der Herr sei mit dir.›› lm zweiten Satzteil begegnet uns ein Schriftzitat aus Lukas 1, 28. Der lateinische Text ist durch Vertauschung zweier Buchstaben in dem Wort «Plena›› neben kleinen Varianten in der Schreibweise im Gewand der gotischen Ziermajuskeln erschwert zu lesen: «Credo in Deoum Pater + Ave Maria Gracia <Pelna› + Dominus Tecom.»
Orgel-Neubau
Die heutige Orgel, ein 15-Register-Werk, stammt aus dem Jahre 1882. Sie wurde von einheimischen Kunsthandwerkern gebaut und ersetzte vermutlich ein Instrument aus dem Jahre 1783. Die bald hundertjährige Orgel wurde verschiedene Male um- und ausgebaut. Da sie eine sehr schwer- und zugleich störungsanfällige Mechanik besitzt, ist zur Zeit ein totaler Neubau geplant.