Bürglen
Aus alter Zeit
Hier stand wohl seit uralter Zeit eine Kirche, deren erster Bau wahrscheinlich aus römischen Trümmern (wahrscheinlich vom nahe gelegenen römischen Tempelbezirk Petinesca) erstellt worden war. Der Ort wird bereits 817 in einer Urkunde erwähnt. Es heisst hier, dass Kaiser Ludwig, Karls des Grossen Sohn, der Kirche der heiligen Maria in Lausanne den Fischfang in der Zihl im Orte Burgulione geschenkt habe. lm Jahre 1216 amtierte ein Kaplan namens Cono an der Kirche Burgulon. 1228 findet man den Namen Burgvilun im Cartular von Lausanne unter den Pfarreien des Dekanats Solothurn.Das Patronatsrecht gehörte den Grafen von Neuenburg. Graf Rudolf I. von Neuenburg-Nidau besass es als Lehen des Bischofs von Lausanne; er schenkte es nebst jenem von Kappelen den Prämonstratensern zur Gründung der Abtei Gottstatt im Jahre 1247 oder 1248.In der Schenkungsurkunde findet sich der Name Bürgelon.Diese Schenkung wurde 1255 vom Grafen wiederholt und 1270 als vom Bischof von Lausanne bestätigt erklärt. Anno 1270 schreibt sich der Ort Burgullyon.Der Pfarrer von Bürglen musste 1285 eine Steuer für den Kreuzzugszehnten im Betrage von 12 solidi entrichten.Ein Konventuale (Klostermitglied) von Gottstatt versah den Gottesdienst. Patronin (Kirchenheilige) scheint die heilige Maria gewesen zu sein (1453: die kilchen unserer frouwen).
Es fehlt die Kusstafel . .»
Visitations- (lnspektions-) Berichten entnehmen Wir folgende interessante Angaben:18. Mai 1417: Kollator (Instanz, welche den Pfarrer einsetzt, Anm.) ist der Abt von Gottstatt; zirka 60 Feuerstätten; Pfarrer der Prämonstratenser P. Fabri (= Schmid) - Die Sakramentalien waren in guter Ordnung. Dagegen fehlte das Tüchlein zum Taufstein und die Kusstafel. (Die Kusstafel wurde zumKüssen dargeboten als Zeichen des Friedens.) Das Missalbuch war zu reparieren.1453: Pfrundeinkommen ungefähr 60 Pfund. Pfarrer Johannes Mynst, Chorherr von Gottstatt; rund 40 Feuerstätten (Misswachs und Teuerung und in deren Gefolge wohl grosse Sterblichkeit, vielleicht auch Seuchen waren die Gründe für den Bevölkerungsrückgan.)Es soll angeschafft werden ein Behälter (Tabernakel) für den Leib des Herrn. Das ewige Licht in der Ampel vor dem heiligen Kruzifix soll inskünftig Tag und Nacht brennen. Die Mauern des Chores sollen an den schadhaften Stellen geweisst, darob aber keine Fackeln mehr ausgelöscht werden; dies soll mittelst eines Horntrichters oder anderswie geschehen.Im Schiff und Chor sollen die Glasfenster ausgebessert oder neu gemacht und mit eisernen Gittern versehen werden. Der schadhafte Teller zum Kelch soll ausgebessert und eine Albe (weisses liturgisches Kleid) angeschafft werden. Die Kirche und der Turm sollen an den schadhaften Stellen neu gedeckt werden. An den vier Ecken des Friedhofes soll je ein mannshohes hölzernes Kreuz errichtet und der Friedhof stets abgeschlossen werden.
Ein Huhn für den Pfarrer
In der Kirche befindet sich auch ein Altar zu Ehren des heiligen Antonius und der heiligen Katharina,der aber nicht dotiert, sondern mit der Kirche selbst verbunden ist. Die Kirche Nidau war bis 1482 eine Filiale von Bürglen. Mit der Reformation kam der Kirchensatz Bürglen an Bern. Pfarrer Peter Siglin erlebte im Jahre 1528 den Wechsel vom katholischen Priester zum reformierten Pfarrer.In einem alten Urbar des Staatsarchivs in Bern habe ich folgende, leider undatierte Eintragung aus vorreformatorischer Zeit gefunden: «Ein jeder, Arm und Reich, so in der Kirchhori Bürglen feur und licht braucht, soll der Pfrund allda, zuhanden eines Herrn Pfarrers auf jede Fassnacht ausrichten ein alt währschaft Hun. Erkennt und globt in Gezeugsame, wie auch Jahrs und tags vorgemeldt; und im nahmen der Gemeind Worben globte Hans Kocher.»
Aus der Chronik
Einige stichwortartige Angaben aus nachreformatorischer Zeit: 1558: Einbau cler ersten Turmuhr20. Mai 1621: Ein Erdbeben erschütterte den Kirchturm, er fiel am 31. Juli; den Glocken geschah nach dem Pfarrbericht nichts. «Den Gloggen geschah allerdings nüt.>› Die jetzt im Turm befindlichen Glocken sind alle neueren Datums. Ein Glockenprotokoll aus dem Jahre 1882 hält fest, dass in der Kirche folgende drei Glocken hängen:Die grosse Glocke mit den Namen des Pfarrers Jost und der Giesserei, der Gebrüder Kaiser in Solothurn (1839). Die mittlere Glocke mit den Namen der elf damaligen Chorrichter und den Inschriften:«Us dem Für ich flos, / Abraham Gerber in Bern mich gos / einer ehrenden Gemeind zu Bürglen den 31 Dag Meig 1687.» «Herr regier den Glocken Cklang, / Das dein Volk gern zum Wort Gottes gang»Die kleine Glocke: «Ja selig sind, die das Wort Gottes hören. 1624. Abraham Zender zu Bern gos mich»1622: Wiederaufbau des Kirchturms und Wahrscheinlich auch der ganzen Kirche in ihrer heutigen Gestalt.1830: Neubau des Pfarrhauses Bürglen.1840 / 44: Abraham Rihs, der Mechanikus und Orgelbauer von Orpund, baut zusammen mit seinem Sohn Friedrich in Bürglen die erste nachreformatorische Orgel. Es handelt sich um ein 10-Register Werk. (Vater Rihs baute auch die Orgel von Gottstatt und sein Sohn diejenige von Walperswil.)1910: Die alte Rihs-Orgel wird gegen eine neue von Orgelbauer Zimmermann aus Basel ausgewechselt (19 Register).1939: Renovation der Kirche; die Orgel erhält eine neue Fassade.1. Hälfte der sechziger Jahre: Renovation des Pfarrhauses Bürglen und der Pfrundscheune. (Die grosse Pfrundscheune dient heute als Zivilschutzmateriallager des Kantons und als Drucksachenlager des Bundes.)1962: Die Firma Wälti, Giimligen, liefert das neueste Orgel-Instrument (mit 21 Registern). Bemerkenswert daran ist unter anderem, dass der Hauptwerkprospekt eine der alten Rihs-Orgeln von 1840 ähnliche Gliederung aufweist.1965: Einweihung des Kirchgemeindehauses in Brügg.1969: Letzte umfassende Innenrenovation der Kirche Bürglen.1970/71: Bau eines Pfarrhauses in Brügg.1972: Renovation des Pfarrstöcklis in Bürglen. Erstellung eines Parkplatzes bei der Kirche Bürglen. Einbau einer Orgel im Kirchgemeindehaus Brügg.
Bürglen heute
Zur Kirchgemeinde Bürglen gehören die sieben politischen Gemeinden Aegerten, Brügg, Jens, Merzligen, Schwadernau, Studen und Worben. Die zirka 8000 Reformierten werden von drei Pfarrern betreut. Die ihren Wohnsitz in Aegerten, Worben und Brügg haben.Gottesdienste finden allsonntäglich in der Kirche Bürglen, periodisch in der Kapelle des Seelandheimes Worben, in den Schulhäusern von Jens und Merzligen und im Kirchgemeindehaus inBrügg statt. Die welschen Mitchristen werden einmal im Monat zu einem französischen Gottesdienst ins Kirchgemeindehaus Brügg eingeladen.
Das Kirchgemeindehaus
Seit 1965 ist die Kirchgemeinde stolze Besitzerin eines eigenen Mehrzweckgebäudes. Es befindet sich an der Industriegasse, «hinter›> der Eisenbahnlinie Brügg-Biel.Das Haus, ein Werk des Architekten Walter Sommer aus Biel-Madretsch, fasst in seinem grossen, unterteilbaren Saal mit einer beachtlichen Empore rund sechshundert Besucher. Unter dem gleichen Dache vereint finden wir zwei Unterrichtszimmer, ein Pfarrzimmer, verschiedene Arbeitsräume, eineAbwartwohnung, ein geräumiger Zivilschutzkeller (der als Bastelraum verwendet wird), eine Leichenhalle mit vier Aufbahrungsstellen und verschiedene kleinere Räume.Auf der Empore steht seit 1972 eine Orgel. Es handelt sich um ein 17-Register Werk der Firma Wälti aus Gümligen. Gegenüber der Orgel hängt an der Südwand ein einfaches Kreuz. Das spitzwinklige Dach, dessen mächtige Eisenträger sichtbar sind, hängt auf der Westseite tief hinunter. So verbleibt für die in Beton gefassten Farbfenster nur noch wenig Fläche übrig.lm einfachen Glockenturm läuten drei Glocken aus der Giesserei Rüetschi in Aarau (c-, es- und f-Glocken). Das Kirchgemeindehaus, dessen Projektierung und Ausführung sich über fünf Jahre dahinzog, kostete die Erbauer etwas mehr als eine Million Franken. Es wurde am 28, Februar 1965 eingeweiht.