Ins Kirche

Ein stattliches Dorf

Ein Dorfchronist schrieb 1904 im «Hinkenden Bot››: Ins (Anestra 1009) ist wohl das stattlichste Dorf des bernischen Seelandes. Von aussichtsreicher Höhe aus beherrscht dasselbe das ganze obere Seeland mit dem Grossen Moos, welch letzteres mit Ausnahme des Wistenlacherberges wohl von keinem andern Aussichtspunkt der Art als imposante stundenweite Fläche erscheint wie von hier aus. Ins zählt gegenwärtig in ungefähr 200 Häusern bei 1540 Einwohnern, welche meist von Ackerbau, Viehzucht und Rebbau leben. Nördlich von der hochgelegenen altertümlichen Kirche und dem mit Giebeldach und gekuppelten Rundbogenfenstern versehenen Kirchturm erhebt sich ein zweiter Hügel, St.Jodel genannt; es mag dort eine Kapelle des heiligen Jodocus gestanden haben. Im Walde gegen Vinelz zu sind im Jahre 1848 15 Vorrömische Grabhügel abgedeckt worden. Unterhalb des Dorfes fanden sich auch Spuren römischen Bauwerkes, was angesichts des nahen Wiflisburg und der herrlichen Lage der Ortschaft nicht zu verwundern ist.

Etwas versteckt

Als ein ortsunkundiger Gast nach der Kirche fragte, bekam er zur Antwort: «Dihr göht allem a nid viel z‘Predigt, dass der nid emal wüsset, wo d‘Chilchen isch!» Tatsächlich verkündet die Kirchgemeinde ihren Glauben nicht mit einem hohen Turm weit über die Lande. Verborgen zwischen uralten Linden und Akazien steht das Gotteshaus auf seinem Hügel im Oberdorf, wo sich vermutlich schon in vorchristlicher Zeit eine Kultstätte befunden hat.

Aus dem 10. Jahrhundert

erstmals erwähnt wird die Kirche am 22. Juni 1225, als Graf Ulrich von Neuenburg das Lehen des Zehnten von Gals dem Kloster St.Johannsen schenkte; unter den Zeugen des Schenkungsvertrages wird unter andern Kuno, Priester von Ins, genannt. Die Kirche muss aber wesentlich älter sein, wobei ihre Gründung frühestens Ende des 10., spätestens Mitte des 12.Jahrhunderts erfolgte. Sie war der Gottesmutter Maria geweiht und stand unter der Oberhoheit des Bistums Lausanne. Die kirchenrechtlichen Verhältnisse waren eng mit den Geschicken der Herrschaft Erlach und also der Grafschaft Neuenburg-Nidau verbunden.
Im August 1497 bestätigte Papst Alexander VI. die zwölf Jahre zuvor erfolgte Einverleibung der Pfarrei Ins in das St.Vinzenzstift zu Bern. Nach der Einführung der Reformation kam der Kirchensatz von Ins im Zuge der Säkularisation der Klostergüter an den Staat und somit unter die Aufsicht des Landvogts von Erlach,

Reformation

Ganz ohne Widerstand scheinen die sonst regierungstreuen Seeländer den neuen Glauben nicht angenommen zu haben, übermittelt doch Andres Moser in seiner «Geschichte der Kirche zu Ins» (erschienen im Inser Kirchgemeindeblatt) die Notiz: «Rudi Jenni von Ins und sin mitgsell, so botten und anhenger der uf früw, für gricht gestellt worden. Meyer von Ins. Dem Weybell von Ins ein kronen von sins gutten dienste wegen, das er die uffrurigen puren gewendt.» Immerhin begannen Regierung und Kirche dann gemeinsam gegen die sittliche Verkommenheit, gegen Armut und Unwissenheit zu kämpfen. Und damit wurde der Grundstein eines vernünftigen Zusammengehens von Staat und Kirche gelegt, was sich bis zum heutigen Tag in manchen Fällen zum Wohle der Bevölkerung ausgewirkt hat.

Vier Kirchen

Im Zuge der 1973/74 durchgeführten Aussenrestaurierung des Kirchengebäudes wurden interessante Bestätigungen von Vermutungen oder der anlässlich der Innenrenovation von 1954 gemachten Feststellungen zur Baugeschichte gefunden. Die erste Kirche wurde im romanischen Stil erbaut. Aus jener Zeit stammt der Hauptteil der bestehenden Südmauer, worin die wiedergefundenen Rundbogenfenster sichtbar gemacht wurden. Die zweite Kirche wird in das 15. Jahrhundert, also in die Zeit der Spätgotik datiert und erfuhr die Umwandlung der halbrunden Apsis in einen Viereckigen Chor. Zeugen dieser zweiten Bauphase sind das Fenster über dem heutigen Choreingang und daneben das alte Türgericht mit Spitzbogen aus Tuffstein. Wie aus den Berner Ratsmanualen ersichtlich ist, geschah die Neuerrichtung des Turmes in der Zeit dieser zweiten Kirche, wurde doch von staatlicher Seite ein Beitrag an die Baukosten geleistet. Das Datum ist jetzt bestätigt durch die in unmittelbarer Nähe des Zifferblattes unter dem alten Verputz aufgefundene Inschrifttafel deren gut entzifferbare zweite Zeile die Wörter «von Prismell» und die Jahrzahl 1541 preisgibt. Die Prismeller waren damals bekannte Bauleute, deutschsprachige Walser aus Premosella im Val Sesia. Nach der Reformation im 16. Jahrhundert wurde um 1650 die Kirche nach Norden hin verbreitert und mit drei hochgelegenen Fenstern zur Beleuchtung der an der Seitenwand hin verlängerten Empore versehen.
Auch diese Zeugen der dritten Kirche sind durch die jetzige Restaurierung zutage getreten. 1667/68 wurde der alte Chor abgebrochen und erhielt durch einen Neubau die heutige, der Hallenkirche angepasste Form mit dem entsprechenden Chorgestühl und einer prächtigen Kanzel.
1902/03 unterzog man Chor und Turm einer abermaligen Erneuerung. 1910 wurde die steinerne Empore erstellt. Seither ist diese vierte Kirche unverändert erhalten geblieben.

Geschichte der Orgel

1776/77 erhielt die Kirche eine Orgel. Sie stammte aus der damals bekannten Werkstatt des Freiburgers Joseph Anton Moser. Das zierliche Orgelgehäuse von Moser schmückt die Kirche noch

heute.
1909 baute der Orgelbauer Jakob Zimmermann aus Basel ein neues Werk mit 16 Registern ins alte Gehäuse am alten Standort.

1954 erhielt die Kirche abermals ein neues Werk, eine Orgel der Firma Kuhn aus Männedorf. Das alte Gehäuse wurde weiterhin verwendet, musste jedoch seitwärts und nach hinten aufgebrochen werden, damit das Werk Platz fand. Die neue Orgel wurde auf die Westempore gestellt.

Chorfenster

Im Zuge der Innenrenovation von 1954 wurde die prächtige Trilogie der Chorfenster eingesetzt. Das Mittelfenster stellt die Auferstehung Christi dar, mit den am Grab eingeschlafenen Wächtern, und der Baum über dem Grabhügel versinnbildlicht die Verheissung, dass es keinen Tod, sondern nur Verwandlung gibt. Der mit diesem Fenster geschaffene beherrschende Blickfang des Kirchenraumes wird links und rechts eingerahmt durch Fenster, die mit ihrer Feldereinteilung an die mittelalterlichen Wandmalereien in vielen Gotteshäusern erinnern, an die «Bilderbibel›› unserer Vorfahren. Im linken Fenster werden die Weihnachtsverkündigungen, die Taufe Jesu, sein heilendes Wirken und die Verklärung dargestellt, eingefasst durch verschiedene Prophetengestalten. lm rechten Fenster sind vier Stationen aus der Passionsgeschichte zu sehen, begleitet von deren Verkündigern, den Evangelisten und den Aposteln Petrus und Paulus.
Wir wollen für diesen künstlerisch ausserordentlich gutgelungenen Schmuck der Kirche dankbar sein, dient er doch sowohl der religiösen Versenkung im feierlichen Raum, als auch der Verkündigung, wie es Wort und Musik ebenfalls tun. Auf solche Weise hat die protestantische Christenheit, wenn auch auf langem, oft mühseligem Weg, die ersten Schritte zur Überwindung der Bildfeindlichkeit der Reformatoren getan. Sie hat erkannt, dass das religiöse Erleben nicht bloss an die Verstandesmässigen Pfade gebunden werden darf, sondern durch Berücksichtigung der Gemütskräfte und vor allem auch durch künstlerische Aussagen ein weites Feld der Hilfen vorfindet.

Das Glockenspiel

In der alten Pflästerung vor der Kirche wusste der Sigrist auf einen wesentlich vertieften Stein zu weisen. Da trug ein Glockenschwengel die Schuld, der sich einst beim Einläuten selbständig gemacht hatte und von der Glockenstube herab haarscharf am Kopf eines Predigtgängers vorbeisauste. Das ist zwar nicht die Art der Glocken, die Leute zum Predigtgang zu rufen und an die Ewigkeit zu mahnen. Sie tun es nach gebräuchlichem Gang auf harmonische Weise.

Fünf Glocken läuten den Sonntag und die Gottesdienste ein.
Die grosse Glocke mit ihren 1730 Kilo
gramm Gewicht auf «cis» gestimmt, wurde 1964 gegossen und trägt den Spruch: «Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden.» 
Die zweitgrösste Glocke ist die Seniorin aus dem Jahr 1640. Sie ist 1000 Kilogramm schwer und klingt auf dem Ton «e››. «Gott allein die Ehre» ist ihr Wahrspruch. Und darunter ist zu lesen: «Auf meinen Klang, o frommer Christ, mit Fleiss dich zu der Kirchen rüft, daselbst zu hören Gottes Wort, dins Herzens Trost und edler Hort» Dazu trägt sie das Berner Wappen und sechs geflügelte Engelsköpfchen, jedes von zwei Fischen umfasst.
Die dritte Glocke ist eine Altersgenossin der grossen und erklingt mit ihren 770 Kilogramm auf dem Ton «fis». Sie fordert auf: Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.»
Die vierte Glocke wurde zur Kirchenrenovation von 1910 gegossen. Sie wiegt 550 Kilogramm und erklingt auf dem Ton «gis». Ihre Inschrift lautet: «Hell und rein sei stets mein Klang, treu und brav, o Mensch, dein Gang»
Gleich alt ist die kleinste unserer Glocken, «h» ist ihr Ton und 350 Kilogramm das Gewicht. Auch sie erhebt die Stimme «Soli Deo Gloria». Und zur Erläuterung dazu wurde noch der Spruch mitgegeben: «Zu Gottes Ehr und Lobgesang, ruft meiner Stimme hoher 
Klang. Wer Gott von Herzen liebt und ehrt, folgt freudig mir, wenn er mich hört.»
Beredtes Zeugnis über das Können des Glockengiesshandwerks gibt die Glocke aus dem Jahre 1822, die auf der Südseite der Kirche auf einem Sockel ruht. Unter anderem zeigt ihre filigranfeine Verzierung ein Jägemotiv. Gestiftet wurde sie von Pfarrer Franz Lüthardt, Amtsstatthalter Jakob Probst und den Kirchmeiern Samuel Probst und Peter Hämmerli. Sie trägt die Inschrift: «Des Herren Wort bleibet in Ewigkeit.»

Ein ehrwürdiges Baudenkmal

Die Kirche steht als ehrwürdiges Baudenkmal, aber auch als gut besuchtes Gotteshaus in ihrem geschmackvoll hergerichteten Garten. Bauleitung und Handwerksleute haben in Zusammenarbeit mit dem Kirchgemeinderat mit viel Einfühlungsvermögen und Verantwortung den Intentionen der Erbauer zu entsprechen versucht. Die Absicht, das historische werden des Gebäudes sichtbar zu machen, dieses aber auch in den zweckmässigen Dienst der Gegenwart zu stellen, hat sich gut verwirklichen lassen. Nun dreht sich auch noch ein Turmhahn nach den Winden. Auf den Menschen bezogen wäre allerdings eine «Wetterfahne» kein rühmliches Symbol, Der Hahn dreht sich aus andern Gründen. Er ruft in alle Windrichtungen und eben gegen alle Winde: «Wachet und betet !» Er soll die Menschenherzen frühzeitig aufwecken, damit, wenn der Herr kommt, er die Seinen nicht schlafend findet. Es geht dem Turmhahn um einen Geländegewinn für das Reich Gottes. Und zur Ehre des Herrn dieses Reiches bemüht sich eine Gemeinde auch um ein schönes Gotteshaus.