Gampelen
Wechselvolle Geschichte
In vorreformatorischer Zeit gehörte die Kirche Gampelen zur Diözese Lausanne und zum Solothurner Dekanat.
Urkundlich erwähnt wird sie erstmals im Jahre 1228 als «Pfarrei Champlun» und zwar im Verzeichnis des Domprobsts Cuno von Estavayer. Der Bau der Kirche geht in die Frankenzeit zurück; sie wurde dem fränkischen Nationalheiligen Martin von Tours geweiht. Wie dieses erste Gotteshaus aussah, lässt sich nicht mehr eruieren. Möglicherweise war es ganz aus Holz. lm Jahr 1453 wurde die Kirche Gampelen Kollatur (Besitz) der Grafen von Neuenburg. Bis zu diesem Zeitpunkt war sie Mutterkirche derer von Ins. 1474 jedoch sollte sich das Blatt wenden: Gampelen wurde Ins unterstellt - was denn auch Anlass genug war, beim Bischof von Lausanne Klage einzureichen. 11 Jahre später erfolgte dann, mit Neuerrichtung des Berner Stifts, die Vereinigung von Ins und Gampelen.
Anno Domini 1498 stürmte ein Geistlicher namens Johannes Küenzi die Kirche - wohl schon beflügelt von einem reformatorischen Sturm- und Dranggefühl? Er wurde beim bischöflichen Gericht in Lausanne eingeklagt. Der Pfarrer von Ins und der Domprobst von Bern forderten, dass der «Rebell» gemassregelt und seines Amts enthoben werde. Erst nach der Reformation, als Gampelen zur selbständigen Pfarrei erklärt wurde, wurde dieser streitbare Diener am Wort rehabilitiert und als erster reformierter Seelsorger des Orts eingesetzt.
1513 fiel das Gotteshaus einer Feuersbrunst zum Opfer. Unverzüglich wurde mit dem Wiederaufbau begonnen. Allerdings blieb die in spätgotischem Stil erbaute Kirche ganze 46 Jahre lang ohne Turm. Dieser wurde - ab dem ersten Geschoss - erst 1559 neu aufgeführt und mit einem sogenannten «Käsbissendach» versehen. Kurz nach 1880 wurde das Dach - nach einem Zeitungsbericht wurde es durch Blitzschlag arg demoliert - wesentlich erhöht, das heisst mit dem fürs Seeland wenig typischen Helmdach ersetzt.
1528 wurde in der Vogtei Erlach der Übertritt zum reformierten Glauben proklamiert, und auch Gampelen hatte sich dieser obrigkeitlichen Order zu unterziehen. In diese Zeit fällt übrigens die Vergrösserung der Kirchenfenster, damit die Predigtgänger künftig die Kirchenlieder selber lesen konnten, zumindest diejenigen, die damals Lesen und Schreiben beherrschten.
Das Kirchenschiff und der dreiseitige Chor erfuhren zwischen 1669 und 1674 im Zuge umfangreicher Renovationsarbeiten die Umgestaltung zum heutigen flachgedeckten Predigtsaal. Dieser barocken Ausstattungsphase gehören weiter an: die reich mit Schnitzereien verzierte Kanzel und das Chorgestühl von Kaspar Keller, der übrigens auch am Pfarrhausbau (1668) wesentlich beteiligt war.
Die Empore wurde 1669 (eine Jahrzahl befindet sich auf der hinteren Stütze) für die Kirchenbläser eingebaut, die die Gottesdienste fortan musikalisch umrahmten. Relativ spät entschloss man sich zur Anschaffung einer Orgel; die Empore erwies sich jedoch als zu klein und musste 1812 zu diesem Zweck um 1,2 m nach vorn vergrössert werden. Von dem verheerenden Dorfbrand am 25. April 1737 - insgesamt 16 Häuser brannten nieder - blieb auch die Kirche nicht ganz verschont. Nur dank geistesgegenwärtigem Eingreifen von Pfarrer Wyttenbach konnte sie schliesslich noch gerettet werden.
Tonplattenbelag
Der authentische alte Tonplattenbelag im Chor und im Mittelgang des Schiffs ist glücklicherweise nicht ein Opfer des sich ständig wandelnden Zeitgeschmacks und der Renoviereuphorie geworden, wie dies eben vielerorts der Fall war,
Grabplatten
Erwähnung verdienen bestimmt auch die Sonnenuhr aus dem Jahre 1675 sowie die Grabplatten an der nördlichen und südlichen Aussenmauer. Besonders interessant ist diejenige der Anna Katharina Steiger- Jeoffrey aus dem Jahre 1691, die in Gampelen als wundertätige Ärztin gewirkt haben soll. Sie wohnte im sogenannten <<Herrenhaus›>, 1653 erbaut von ihrem Gatten Franz Ludwig Steiger, 1969 leider niedergebrannt.
Welche Wertschätzung diese Frau im Dorf genoss, beweist der Umstand, dass sich die Grabplatte früher sogar im Kircheninnern befand, ebenfalls lässt sich vermuten, dass Frau Steiger im Chor beerdigt wurde. Auf der Südseite, wo der alte Friedhof angrenzte, sind noch folgende Grabinschriften zu finden:
Elisa Gyger, 1855-1868
Maria Verena Scheurer, 1881-1901
Karl Scheurer, Regierungsrat und Bundesrat, 1872-1929
Fritz Kupfer, 1806-1873, 20 Jahre Pfarrer in Gampelen
Joh. Daniel Haas, 1824-1896, 17 Jahre Pfarrer in Gampelen
Dr. theol. Eduard Bähler, 1870-1925, Professor an der Universität Bern und Pfarrer in Gampelen
Marie Bähler, 1871-1949
Alfred Scheurer, 1840-1921, Regierungsrat
Verena Scheurer-Grossenbacher, 1847-1941
Otto Gyger-Zülli, 1884 - 1966, Grossrat
Rosa Gyger-Zülli, 1889-1976.
Aus vergilbten Aichivblättern
Mit Schreiben vom 10. Januar 1860 zeigte Kirchgemeindepräsident Stauffer der Einwohnergemeinde an, die versammelte Kirchgemeinde habe beschlossen, als Sigristenlohn von jeder Haushaltung 45 Rp. einzuziehen. Es wurde jedoch dahin entschieden, den Betrag nicht einzuziehen und den Sigristenlohn aus Mitteln der Einwohnergemeinde zu bezahlen . . Am 15. Januar 1861 fragte Pfarrer Küpfer an, ob die Kirche nicht heizbar gemacht werden könnte. Es wurde erkennet: Insofern es hiesige Gemeinde anbelange, wolle man das Nötige tan, dass ein Ofen in der Kirche aufgestellt werde. Jedoch soll die Gemeinde Gals das Ihre beitragen _ . .
Das Chorgericht
Vom 16. Jahrhundert bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts amtete auch in Gampelen ein Chorgericht, um gegen eine sich allgemein verbreitende Verwilderung - versäumter Kirchenbesuch, Fluchen, Ehrverletzungen, Misshandlungen, Schlägereien, Diebstahl usw. - einzuschreiten. In den Chorgerichtsmanualen sind diese Verhandlungen protokolliert. Hier ein Beispiel aus dem Jahr 1748.' «. . . ist vor Chorgericht erschienen der Schulmeister von Gampelen Jacob Dietrich weilen 8 tag zuvor, also am Sonntag, sein Weib samt einem Kind mit Kom auf einem Pferd in die Mühle zu St.Blaise geritten ist, worüber sich gedachter Schulmeister entschuldiget, das seye ihm unwissend geschehen. Sein Weib habe wollen nach St. Blaise gehen wegen eines Dienstes für eines der Kinder, habe wegen unpässlichkeit an einem bein das pferd gebraucht und gedacht, wan für ein paar mäss korn mit sich nahm, so könne sie ihr anstatt eines sattels dienen und könne sie zugleich lassen mahlen. Seye verreist ehe der man aufgestanden war, sodass er nichts von diesem corn wusste. Ist deswegen mit einer geziemenden Verwarnung und künftig sich vor dergleichen in acht zu nehmen, ungestraft für diesmal entlassen worden.››
Urkunde
über das Kirchengut der Kirchgemeinde Gampelen-Gals aus dem Jahr 1859:
A. Liegenschaften
a) die Kirche, ohne den Chor (gehört dem Staat) Fr. 8000
b) der Kirch- oder Totenhof 270
c) die Giessen 690
d) die Kanalmatten 30 alle diese Liegenschaften, wie dieselben im Grundsteuerregister beschrieben sind.
B. Beweglichkeiten
1. zwei Glocken im Kirchturm Fr. 1800
2. eine Turmuhr, Zeit 200
3. eine Kirchenorgel 1000
4. ein kupfernes Waschbecken im Taufstein 10
5. ein Brodmesser 3
6. eine zinnerne Kanne für den Communionswein 15
7. ein vergoldeter silberner Becher 50
8. eine zinnerne Platte für das Communionsbrod 5
9. ein Tafeltuch 8
10. ein Zwechslein 4
Glocken und Turmuhr
Vorerst gab es nur eine Glocke aus dem Jahre 1620, eine zweite kam im Jahre 1777 hinzu, und heute sind es deren drei. 1955 mussten die Glocken von 1620 und 1777 durch neue ersetzt werden. Sie sind auf die Töne f und as gestimmt. Die älteste Glocke trug die Inschrift: «Ich rueffen us den mitten Tag; Ein jeder Mensch Gott Lob und Dank sag'. Abraham Zehnder zu Bern goss mich. 1620.» -
Die zweite Glocke, von Joseph und Jost Keiser von Solothurn, Giesser, anno 1777 gegossen, trug die Inschriften: «Verbum Domini manet in aeternum» und «Selig ist das Volch, das den Klang der Stimme des Herrn herret und kennet ».
1770 wurde eine Uhr eingebaut – und 1911 wurde der Kirchgemeinde ein Legat zugedacht in Höhe von 1000 Franken, mit der Zweckbestimmung, das alte, nicht mehr leistungsfähige Werk zu ersetzen. Der Kostenvoranschlag belief sich - inklusive zwei Ziffertafeln – auf 1290 Franken. Um die noch fehlenden Mittel zu beschaffen, wurde eine Haussammlung durchgeführt, die derart gut ausfiel, dass die Telegraphenwerkstätte Hasler & Cie in Bern beauftragt werden konnte, gerade drei neue Ziffertafeln zu montieren.
Der Taufstein
Dieser ist das älteste Ausstattungsstück der Kirche. Ob er gleich nach dem Brand von 1513 oder erst bei Wiedererrichtung der Pfarrei (1528) geschaffen wurde, ist ungewiss. Der achtseitige, aus ockergelbem Neuenburgerstein gehauene Taufstein steht auf einer Sockelplatte von Tritthöhe, wie sie sonst recht selten zu finden sind. Das Taufbecken aus Kupfer entstammt wahrscheinlich der Barockzeit.
Glasgemälde und Wappenschilder
Diese schmücken das Kircheninnere. Die älteste Bildscheibe geht aufs Jahr 1621 zurück und befindet sich im Ochsenaugenfenster der Nordseite. Sie wird dem Berner Glasmaler Abraham Sybold (1592-1646) zugeschrieben. Die Darstellung zeigt Moses mit der ehernen Schlange und ist mit dem dazu gehörenden Text nach 4. Mose 21, 6 und 9 kommentiert. Unten, zwischen den Familienwappen Furer und Zeender, lesen wir: «Hr. Christoffel Furer Predicand Zuo Gampelen und Hr. Johanns Zeender Vogt Zuo St. Johanns lnsul. Anno 1621.»
Über dem Südportal finden wir das Familienwappen Scheurer, zu Ehren des Gampeler Bundesrats Karl Scheurer (1872-1929).
Eine andere Figurenscheibe in Spätjugendstil, darstellend zwei Engel mit Seligpreisungen, ist 1946 vom Berner Künstler Paul Zehnder († 1973) geschaffen worden (ex donatio Pfarrer Paul Müller, 1869-1907). Ebenfalls das hübsche Pendant auf der gegenüberliegenden Seite mit einer Engelfigur und den Wappen von Gampelen und Gals stammt von Zehnder. Es wurde 1947 von der Familie Scheurer gestiftet.
Zwei Wappenscheiben aus dem 17. Jahrhundert wurden in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts durch ein Unwetter leider völlig zerstört.
Die Orgel
Das Instrument wurde – gemäss gründlichen Recherchen eines Experten -vom Orgelbauer Johannes Stölli angefertigt und im Jahre 1811 aus zweiter Hand. aus der Hand eines gewissen Daniel Fueter, Unternehmer und Handelsmann zu Bern, von der Kirchgemeinde erworben. Stölli-Orgeln finden sich unter anderen noch in den Kirchen von Saanen, Boltigen, Erlenbach im Simmental, Frauenkappelen und Reutigen.
Am 31. Mai 1812 wurde die Orgel mit Pferd und Wagen in Bern abgeholt, anschliessend aufgebaut und notwendige Abänderungen vorgenommen. So musste nebst der Erweiterung der Empore das Kranzgesimse der Orgel drastisch gestutzt werden, weil sie ursprünglich nicht für derart geringe Platzverhältnisse geschaffen worden war.
Am 6. Juni 1812 füllte ihr Klang zum ersten Mal den Kirchenraum und drei Wochen später wurden an Fueter die fürs Instrument geschuldeten 608 Kronen bezahlt.
Diese Stölli-Orgel blieb bis 1909 unverändert. Für 4000 Franken kaufte man dann bei der Firma Goll, Luzern, eine Orgel, die vorher in der englischen Kirche in Vevey stand. Das Werk wurde hinter das alte Gehäuse der Stölli-Orgel gestellt, deren Pfeifen von nun an stumm blieben. 1938 versuchte man mittels Umbau der Orgel einen barocken Klangcharakter zurückzugeben.