Erlach

Am oberen Ende des Bielersees finden wir - sanft eingebettet zwischen dem Jolimont und der Sankt-Petersinsel das mittelalterliche Städtchen Erlach. Seine Kirche liegt etwas versteckt ausserhalb des Städtchens am Hang des Jolimonts.

Im Jahre 1185 wird in einer Bestätigungsurkunde von Papst Lucius III., die Kirche von Herilacho (Erlach) erwähnt. Sie befand sich im Besitz des Klosters St. Johannsen. Sein Abt erhielt vom Bischof von Lausanne um 1208 Weisung, den Pfarrer von Erlach ehrbar mit Nahrung und Kleidung zu versorgen. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts unterstellte Papst Clemens VI. wiederum ausdrücklich die Pfarrkirche von Erlach mit allen ihren Einkünften dem Kloster St. Johannsen und verpflichtete dasselbe, für Erlach einen ständigen Vikar zu bestellen und zu besolden.

Dem heiligen Ulrich geweiht

Die Kirche war dem heiligen Ulrich, Bischof von Augsburg, geweiht. Dieser Heilige galt als Helfer bei Entbindungen, half bei Körperschwäche und Fieber, hatte besondere Macht gegen die Dämonen, schützte aber auch vor Tollwut. Ausserdem war er der Schutzpatron der Weber. Laut einem Visitationsbericht von 1453 befand sich in der Kirche ein Altar zu Ehren des heiligen Niklaus, des Beschützer der Kinder (Samichlaus), der Reisenden auf dem Meere, der Pilger usw. Ausserdem gab es noch Altäre zu Ehren der Jungfrau Maria und des Märtyrers Sebastian. Gelegentlich entstand zwischen der Stadt Erlach und dem Abt von St. Johannsen Streit über ihre Befugnisse. Dann wurde der Rat von Bern als Schiedsrichter angerufen. Etliche Jahre vor der Reformation zum Beispiel wählte Erlach, gemäss einer testamentarischen Verfügung des verstorbenen Vikars Kobelz, dessen Nachfolger selber und liess die Wahl vom Bischof bestätigen. Darüber geriet der Abt in Harnisch und drohte, Erlach mit dem Bann belegen zu lassen. Bern entschied, es bleibe bei der Wahl des neuen Kaplans; der Abt dürfe Erlach in keiner Weise belangen. In Zukunft aber seien die Kaplane vom Abt zu bestätigen. Das war Anno 1522. Sieben Jahre später übergab der gleiche Abt sein Kloster samt Gütern und Schulden der Stadt Bern und erhielt als Abfindungssumme 2000 Kronen in Gold.

Mit der Einführung der Reformation im Jahre 1528 verschwanden die Altäre und die Bilder aus der Erlacher Kirche. Das Gotteshaus bekam ein einfaches und schlichtes Aussehen. Immerhin erwähnt das Ratsmanual am 12. November 1530 lakonisch: «Denen zu Erlach ein Fenster in ir Kilchen.»

Wertvolles aus alter Zeit

D ie einschiffige Kirche wurde nim Laufe der Zeit mehrmals über den Friedhof hinweg vergrössert. Dabei wurden die Gräber nicht entfernt; bei der gründlichen Renovation im Jahre 1954 kam nämlich im Kircheninnern ganz wenig unter dem Boden ein ganzer Friedhofteil zum Vorschein.

In der Zeit von 1678-1680 erfuhr die Kirche eine gründliche Erneuerung, wobei das Schiff damals auf die heutige Grösse erweitert wurde. Aus dieser Zeit (1678) stammt die Kanzel, welche wegen den kunstvollen Schnitzereien ein handwerkliches Meisterwerk darstellt. 1680 wurde das Stadtwappen an der Decke gemalt, dessen Stil und Monogramm auf den Maler Hans Konrad Heinrich Friedrich hinweisen. Auch verschiedene farbige Wappenscheiben stammen aus diesen Jahren. Die kunstvoll gearbeiteten Gestühle im Chor und an der Schiff-Ostwand stammen ebenfalls aus den Jahren 1650-1680. Hier finden wir auch die Gestühle mit den Wappen der Schaufelberger (Schultheiss der Stadt Erlach) und May (Landvogt in Erlach 1654-1659).
Als im Jahre 1954 die Kirche renoviert wurde, fand man im kreuzrippengewölbten Turmchor wertvolle Fresken. Diese Fresken stammen wahrscheinlich aus der Zeit kurz nach 1453; sie wurden dann später bei der Reformation zerkratzt und übertüncht. Zum Glück gelang es, diese wertvollen Zeugen einer vergangenen Zeit wieder einigermassen zu restaurieren. An der Nordwand finden wir eine Darstellung der Kreuztragung Christi. An der Ostwand links vom Fenster eine Darstellung der Maria mit dem Jesuskind. Auf dem Spruchband offenbar der Anfang einer Anrufung: «O mütterliche Jungfrau . .» Rechts vom Fenster erkennen wir den heiligen Ulrich, Bischof von Augsburg, gestorben 973. Ihm war ja die Kirche Erlach geweiht.

Dass der Bischof Ulrich auch in unserer Gegend bekannt war, dürfte zwei Gründe haben: einmal seine massgebliche Beteiligung bei der Abwehr der ungarischen Erobererhorden, ferner seine Wallfahrt nach St.-Maurice, welche ihn offenbar in unsere Gegend führte. Über dem Fenster erblicken wir das Schweisstuch der heiligen Veronika, das von zwei Engeln gehalten wird. In der linken Fensterleibung sehen wir umrisshaft einen knienden Stifter mit nicht sicher bestimmten Wappen. An der Südwand in der Fensterleibung links finden wir eine Darstellung der heiligen Verena von Zurzach, gestorben zirka 344 nach Christi. Ihre Insignien - Krug und Kamm – kennzeichnen sie als die Beschützerin und Helferin der Armen und Kranken. Ferner wurde nsie als Liebes- und Mutterschaftspatronin verehrt. An der Decke im Gewölbe sind in sehr kunstvoller Art die Symbole der vier Evangelisten dargestellt. Matthäus als Engel; Markus als Löwe; Lukas als Stier und Johannes als Adler. Früher, bis zur Renovation im Jahre 1954, befanden sich im Chor Grabplatten verschiedener Landvögte. Diese Platten wurden dann an die Westseite der Kirche verlegt. So finden wir heute an der Westfront Tafeln von Johann Ludwig Tillier (1711-1757), Landvogt zu Nidau, dessen Wappen vom lateinischen Vers begleitet ist: «Auf tausend Arten ereilt uns der Tod, auf eine Weise kommen wir als Sterbliche zur Welt, und tausend Arten von Krankheiten gibt es, Heil aber nur eines» Rechts des Westportals befindet sich die Grabplatte von Beat Ludwig May (1611-1659). Weitere Tafeln befinden sich noch an der Südseite der Kirche, so die Tafel von Maria Henriette von Steiger von Tschugg, geborene Forrer (1796-1831); Stadtschultheiss Dr. med. Johann David Gatschet (1754-1830) und seiner Ehefrau Elisabeth geborene Bönzli (1765-1802).

Der Turm und sein Geläute

Der Turm aus Tuff und Muschelsandstein mit seinen schönen romanischen Rundbogenfenstern gehört heute zum ältesten und daher auch zum wertvollsten Teil der Kirche. Während das Schiff immer wieder Änderungen und Vergösserungen erfahren hat, blieb doch der Turm in seiner ursprünglichen Art erhalten. Er ist daher noch als letzter Zeuge der ursprünglichen Kirche aus dem 11./12. Jahrhundert übriggeblieben. Er beherbergt drei Glocken. Die grosse Glocke wurde im Jahre 1568 von Franz Sermund gegossen und trägt die Inschriften: «Allain Gott sii Eer und Pris. (1. Tim. I, 17).» / «Verbum Domini manet in aeternum. (Jes.XL, 8).» Geschmückt ist diese Glocke mit Verzierungen, Ornamenten, Girlanden und mit bewaffneten und musizierenden Bären.

Die mittlere Glocke, die sogenannte Welsche, stammt aus dem Jahre 1579 und enthält drei vollständige und einen unvollständigen (1/4) Ring. In diesen Ringen befinden sich nebst einem Kruzifix und einer Frauengestalt die folgenden Inschriften: «Je fut batysée par messire Nicolas, et fur parrin Pierre Vuytenoz (Weienet) Pevet. et fut marine marguerite Allebret, femme de honorable homme Jehan Grand Vyllemin, tout de Chaffois (Schaffis) en l'an 1579.» / «Rigauld Dysle (Dysli) père, cure de Schaffois.» / «Laudate eum in cymbalis bene sonantibus, laudate eum in cymbalis jubilationis. (Ps. CL, 5.)» / «Ornnis spiritus laudet Deum (Dominum?). (Ps.CL, 6.)» / «Tedeum laudamus.»

Die kleine Glocke stammt aus dem Jahre 1404 und trägt in gotischer Inschrift ndie Namen der vier Evangelisten: «Lucas. Marcus. Johannes. Mateus. A(men) » In Erlach ist noch eine weitere Glocke aus dem 15. Jahrhundert als Zwölfuhrglocke im Gebrauch, nämlich die sogenannte silberne Glocke, die aus dem abgebrochenen Turm aus der Altstadt stammt und die dann 1891 in den neuerstellten Schulhausturm gebracht wurde. Diese Glocke trägt in gotischer Schrift die Worte: «Sancta Maria, mater dei, memento mei.» / «Sancte nicolae ora pro o(bis).»

Ein altes Orgelwerk

Hans Gugger weiss in seiner Orgelgeschichte zu berichten, dass die erste nachreformatorische Orgel 1779 vom Freiburger Orgelbauer Joseph Anton Moser gebaut wurde. Dieses Werk blieb weitgehend unverändert bis 1896 in Betrieb. Es folgte ein Um- und Ausbau durch Orgelbauer Zimmermann aus Basel. Ein abermaliger Umbau nahm 1929 die Firma Kuhn aus Männedorf vor. Während der umfangreichen Kirchenrenovation im Jahre 1954 wurde die Orgel ausgebaut und die Kirchendecke, die 1779 wegen der Orgel um 1,6 Meter angehoben worden war, wieder auf die ursprünglichen Höhen abgesenkt. Dadurch fand der fünfteilige Barockprospekt der Orgel keinen Platz mehr, so dass der heutige offene Pfeifenprospekt gewählt werden musste. (Der ursprüngliche Prospekt ist heute in der Wallfahrtskirche Maria Himmelfahrt in Oberdorf bei Solothurn zu sehen !) Die erwähnte grosse Kirchenrenovation im Jahre 1954 änderte äusserlich nicht viel an der Kirche. Neben der Herabsetzung der Decke und der Giebelhöhe wurde der Haupteingang an die Westseite verlegt.

Dagegen erfuhr das Innere der Kirche eine vollständige Erneuerung. Das Chorgestühl aus dem 17. Jahrhundert wurde so platziert, dass es nun gut zur Geltung kommt. Damit blieb dem malerischen Städtchen Erlach ein schmuckes Kleinod erhalten, das eine sehr bewegte Geschichte aufzuweisen hat. Möge es auch in der heutigen Zeit recht vielen Menschen dazu dienen, ein Ort der Zuflucht, der Geborgenheit und der Erneuerung zu sein.