Leuzigen Kirche
Pfarrgemeinschaft
Das stattliche Bauerndorf Leuzigen im untersten Bürenamt, wo eh und je das ländliche Handwerk zu Hause war und sich in den letzten Jahrzehnten auch industrielle Betriebe entwickeln konnten, war nie eine selbständige Pfarrei, hatte nie einen eigenen Pfarrer; obwohl bevölkerungsmässig den Nachbardörfern überlegen, war Leuzigen bis zur Reformation im Jahre 1530 eine Filiale von Lüsslingen, seither durch Entscheid des «Schultheiss und Rät ze Bern» vom 7. Jenner 1530 zu Arch eingepfarrt. Noch heute ist der Arch-Pfarrer zugleich Pfarrer von Leuzigen; abwechslungsweise finden die Gottesdienste in Arch und Leuzigen statt.
2000 Jahre Geschichte
Über Leuzigen schrieb ein Chronist um die letzte Jahrhundertwende: «Diese mit Station an der Eisenbahn gelegene Ortschaft mit ihrer Umgebung war schon in vorhistorischer und dann auch in der römisch-helvetischen Zeit stark besiedelt, worden, auf die hier herum zahlreich aufgefundenen Grabstätten, Schmuckgegenstände und Waffen sowie Mauerreste hinweisen. Sie lag an der Strasse von Aventicum über Petinesca nach Solodurum. Gleich gegenüber Leuzigen und mit diesem durch eine noch im Jahr 1375 bestehende und damals von den Guglern benutzte Aarebrücke verbunden, befand sich das römische, mit Mauern umgebene geräumige Kastell von Altreu, jetzt ein abgelegenes Fischerdorf. Die hiesigen römischen Strassen- und Mauerspuren befinden sich fünf Fuss unter dem jetzigen Boden; dabei ist eine Stelle, welche auf ein römisches Kornmagazin schliessen lässt. Es beweist dies, dass sich in diesen 2000 Jahren durch das aufgeführte Aare- und Zihlgeschiebe die Talebene gehoben und so zur Versumpfung des obern Seelandes beigetragen hat.
ln den dreissiger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde die Ortschaft unter drei Malen von grossem Brandunglück heimgesucht. Jetzt ist das stattliche Dorf rationell wieder aufgebaut und zählt 1900 in 218 Haushaltungen 947 hauptsächlich Landwirtschaft treibende Einwohner. 1764 zählte Leuzigen nur 518 und 1850 1107 Einwohner. Im Boden und unter mehreren der neugebauten Häuser dürften noch römische Mauerresten aufzuweisen sein.»
Drei Kirchen
Im Mittelalter besass Leuzigen drei voneinander unabhängige Kirchen an verschiedenen Örtlichkeiten. Leuzigen war eine der fünfzehn Dingstätten der Landgrafschaft Klein-Burgund und gehörte kirchlich, wie übrigens alles Land rechts der Aare, ins Bistum Konstanz.
Kapelle mit Galgen
Unter der Linde bei dem «Kapellin» wurde Landtag und Gericht gehalten. Diese Kapelle ist schon früh verschwunden, man kennt aber die Örtlichkeit, wo sie stand, den «Landstuhl». Hier befand sich auch der Galgen, hier wurden auch Übeltäter hingerichtet. Hier waren noch um 1850 Tuffsteine sichtbar, die von der Kapelle herrührten und auch Reste vom Galgen wurden aufgefunden.
Ein Klösterchen
Wohl im Jahre 1375 wurde die St.-Ulrichs-Kapelle, die zu einem kleinen Klösterchen (Priorat) gehörte, derart durch die Gugler zerstört, dass das ohnehin verarmte Klösterchen seine Kirche nicht mehr aufbauen konnte. Noch sind wenige Reste von dieser St.-Ulrichs-Kapelle erhalten, das heisst ein Mauerstück und eine Rundbogentüre des ehemaligen Kirchleins sind 1807 bei einem Neubau eines Landhauses weiter verwendet worden. Das Klösterchen erfüllte auch Spital- und Herbergepflichten an Durchreisende und Pilger. Seine Blütezeit hatte es um 1250-1350. Für diese Zeit sind uns wenige Mönche (Priore) dem Namen nach bekannt. Das Klösterchen gehörte dem Ordensverband der Cluniazenser an.
Die Johannes-Kirche
Die heutige Kirche wurde dem heiligen Johannes geweiht. Sie ist ebenfalls alt. Bei der Renovation von 1926 fanden sich die Mauerreste eines halbrunden Chores, die zu einer ersten Kirche gehörten, am Platze des jetzigen Gotteshauses, das um 1520 teilweise neu errichtet und vergrössert worden war. Der behäbige, stolze und massige Turm wurde 1926 anstelle eines schlichten Dachreiterchens gebaut.
1926 hatte man das Turmdach in heimatlichem Sinn mit Schindeln bedeckt; vierzig Jahre später wurde es mit Kupfer eingedeckt. Im Glockenstuhl hängen vier Glocken, von denen die älteste die Jahrzahl 1457 trägt mit der Inschrift in Minuskeln «Ave Mazi domini››. Auf dem Mantel ist eine Kreuzigungsgruppe sichtbar. Die zweitälteste Glocke aus dem Jahre 1642 trägt die Inschrift «M.K.v.S.L.M. ich bin die Stimm des hirdten min, / her zu berufen die schäflin sin. / her stephan iogi, amen des dorfes Leuzigen / her hans raetzs, stathalter. 1642.» Zweifellos ist die St.-Johannes-Kapelle eine alte Kirchengründung (vor dem Jahre 1000); frühe St.Johannes-Kirchen finden sich an der alten Römerstrasse nicht selten. Eine bemalte Glasscheibe im Kirchenchor aus dem Jahre 1520 erinnert an den Kirchenpatron Johannes-Baptist.
Wertvoller Schmuck
Der wertvollste Schmuck der Kirche sind die drei bemalten Scheibenpaare im Chor. Es handelt sich um Glasmalereien aus der Blütezeit dieser schweizerischen Kunstgattung. Von weit her reisen Kunstkenner nach Leuzigen, um diese herrlichen Glasmalerarbeiten zu besichtigen. Das Mittelfenster hat die beiden bemalten Scheiben «Der Engel, Berns Wappentier tragend, und der heilige Vinzenz».
Dieses Scheibenpaar kam 1522 in die Leuziger Kirche. lm gleichen Jahr schenkte die Stadt Büren, respektive die Zimmerleutezunft, der Kirche die beiden bemalten Scheiben «Wappen der Stadt Büren und Johannes der Täufer››; letzterer ist in der Jordangegend dargestellt. Ein drittes Scheibenpaar,
die «Standesscheibe von Solothurn und von St. Ursus», trägt die Jahrzahl 1519. Laut der Säckelmeisterrechnung im bernischen Staatsarchiv, hat Glasmaler Jacob Wyss das Berner Scheibenpaar geschaffen.
Letzte Renovation 1926
Die letzte bedeutende Renovation wurde 1926 durchgeführt. lm Stile der damaligen malfreudigen Jahre wurden in guter Absicht die Bänke, die Kanzel und die Decke mit schokoladebrauner Farbe gestrichen. Die nördliche Chorwand wurde durchbrochen, um einer seitlich aufgestellten Orgel Platz zu machen. Der schöne gotische Chorbogen aus Tuffstein wurde ebenfalls übermalt, der Fussboden erhielt speckschwartenähnliche Klinkerplatten und auf die beiden Wände des Kirchenschiffes wurden ebenfalls mit brauner Farbe – in schwungvollen Lettern die Sprüche gepinselt: «Selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren» und «Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet». Die folgenschweren Eingriffe dieser Renovation entsprechen nicht mehr dem Geschmack unserer Zeit. Anlässlich einer nächsten Renovation wird wohl im Sinne einer Restauration die Kirche wieder ihr ursprünglich mittelalterliches Aussehen erhalten.
Aus den Chorgerichten
Nicht immer lauter Freude erlebten die Pfarrer; besonders in früheren Zeiten, da eine strenge Kirchenzucht herrschte und das Chorgericht, die zu büssen hatte, welche sich gegen Sitte und Brauch vergingen. Hier einige köstliche Beispiele:
«_ _ . N.N_ von Leützigen und sein Weib, welche uff d abgelesen mandat wenig geachtet, sonder an d fassnacht den gottesdienst verabsumt und in werendem gottesdienst mit der küchelpfannen umbgangen, also dass die leüt, die uss der kilchen kommen, die fassnachtküchlin schon geschmöckt haben: Zügen dessen d Stathalter zu Leützigen und andere mehr _ _ .›› (1660)
«Hans Steiner der Schulmeister zu Leützigen, welcher an underschidlichen Samst- und sabbattagen mit hindansetzung der Schulen und dess Gottessdienst seinem saufen nachgezogen _ _ _» (1656)
«Elsbeth A _ _ . des _ _ _ Ehefrauw hat mit dem Müllerknecht allerley ergerliche hendel verübt und in abwesen des mans dem knecht geluset . _ _ manchmal sind sy auch in wärender kinderlehr und predig an sonntagen allein daheim geblieben _ _ . also dass hierus zeschliessen, dass nit vill guts von ihnen begangen wirt _ _ _» (1659)